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Niki Lauda: Stets mehr als ein Formel-1-Weltmeister
FILES-AUTO-PRIX-F1-AUT       -  Die rote Kappe, die er seit seinem Formel-1-Unfall 1986 trug, war sein Markenzeichen: Niki Lauda, der am Montag im Alter von 70 Jahren verstorben ist.
Foto: ANDREJ ISAKOVIC, AFP | Die rote Kappe, die er seit seinem Formel-1-Unfall 1986 trug, war sein Markenzeichen: Niki Lauda, der am Montag im Alter von 70 Jahren verstorben ist.
Karin Sturm
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:23 Uhr

Seine Meinung war stets gefragt, die Medien rissen sich um ihn, über Jahrzehnte: Diese Mischung aus Heldenstatus, Charisma, Wiener Schmäh und flotten Sprüchen, die immer Schlagzeilen tauglich waren, machten Niki Lauda zum weltweiten Superstar. Auch über die enge Fachwelt der Formel 1 hinaus. Am Montag ist er im Kreis seiner Familie gestorben.

Dort hatte Lauda seine charismatische Persönlichkeit zuerst gezeigt. Der gebürtige Wiener erkämpfte sich seine Rennfahrer-Karriere gegen den Widerstand seiner gutsituierten Industriellen-Familie auf Kreditbasis und mit gefälschtem Abiturzeugnis, um den strengen Großvater zu beruhigen. Er wurde dann in seiner Ferrari-Zeit zum Helden. Auch durch die zwei WM-Titel 1975 und 1977, aber natürlich vor allem durch das Jahr 1976, den Nürburgring-Feuerunfall und das sensationelle Comeback nach nur sechs Wochen. Nach dem Unfall war er wegen der schweren Verbrennungen an seiner Kopfhaut nur noch mit roter Kappe zu sehen. Sie wurde sein Markenzeichen.

„Ich wäre heute nicht der, der ich bin, stünde nicht da, wo ich stehe, wenn er nicht passiert wäre“, sagte er angesichts des 40. Jahrestages des Dramas. „Und wenn der Unfall nicht von einem achtjährigen Buben gefilmt worden wäre, der zufällig dort stand. Dessen Kamera war der Schlüssel, denn seine Aufnahme wird immer im Kombination mit Hospital und Überleben gezeigt. Der gleiche Unfall ohne den Film wäre nur die Hälfte wert, behaupte ich.“

Eine typische Lauda-Analyse, knallhart, fast zynisch klingend, rational bis zum Letzten, Gefühle zumindest nach außen hin komplett ausblendend, auch zum Selbstschutz. „Mein ganzes Leben lang sind immer positive und negative Dinge hintereinander eingetreten, zur Ruhe habe ich nie gefunden“. Das war Laudas Maximum an Zugeständnis im Rückblick. Zeit für psychologische Nachwirkungen? Null: „Als Rennfahrer ist so ein schwerer Unfall etwas, mit dem man sofort fertig werden muss. Wenn ich nicht 42 Tage danach damit abgeschlossen gehabt hätte, dann hätte ich nicht wieder ins Auto steigen und fahren können“, so Lauda. „Andere, 'normale' Leute schleppen so etwas das ganze Leben lang mit sich herum. Als Rennfahrer geht das nicht. Entweder du löst das Problem und fährst wieder oder du hörst auf.“

Sechs Wochen nach dem Unfall wieder im Cockpit

Er löste es für sich, sechs Wochen danach, in Monza, schwer gezeichnet noch von den Verbrennungen im Gesicht – auf seine Art. Nach einer Panikattacke bei den ersten Kilometern auf der Strecke zog er sich ins Hotel zurück, der kühle Analytiker gewann wieder die Oberhand: „Da habe ich mir dann gesagt: So, stopp jetzt mit dem ganzen Druck. Am Samstag werde ich ganz normal fahren, als ob da gar kein Rennen wäre. Kein Risiko eingehen, mich herantasten, nichts darauf geben, was die anderen Leute sagen. Vertrauen für mich selbst schaffen, dass ich das Auto kontrollieren kann. Und auf einmal ging es – und ich war Viertschnellster . . .“

Das epische Duell mit James Hunt, späte in „Rush“ als erfolgreichen Kinodrama verfilmt, ging so bis ins letzte Rennen in Fuji, die Regenschlacht, in der Lauda nach zwei Runden ausstieg, „weil mir mein Leben wichtiger ist als eine Weltmeisterschaft“ und den Titel schließlich um einen Punkt verlor. Ein Jahr später folgte der Weggang von Ferrari, mit deutlichen Worten der überraschende Rücktritt im September 1979, aus heiterem Himmel, während des Kanada-GP-Wochenendes, „weil es für mich jetzt wichtigere Dinge gibt als mit dem Auto im Kreis herum zu fahren“.

Das „Wichtige“ war jetzt das Luftfahrt-Business, in das der begeisterte Pilot verstärkt einsteigen wollte. Doch nachdem er dort auf mehr Schwierigkeiten stieß als erwartet und erst einmal wohl auch einiges an Geld verlor, gab es 1982 ein Comeback in der Formel 1 und sogar noch einmal einen WM-Titel: 1984 im Teamduell bei McLaren-Porsche gegen den aufstrebenden Alain Prost, mit am Ende gerade mal 0,5 Punkten Vorsprung.

Als Unternehmer im Airline-Geschäft erfolgreich

Nach dem endgültigen Rücktritt als Fahrer 1985 stürzte sich Lauda noch einmal komplett ins Airline-Geschäft, macht seine „Lauda Air“ zeitweise zu einer der bei den Kunden beliebtesten Airlines, mit perfektem Service und dem Blick auf?s Detail, aber nicht immer zur Freude derer, die Wert auf Arbeitnehmerrechte legen: Gewerkschaften, Betriebsräte, Mitbestimmung – das alles war eher Teufelszeug aus Laudas Sicht, der es gewohnt war, zu bestimmen, seine eigenen Vorstellungen kompromisslos durchzusetzen. Wem das nicht passe, so seine Einstellung, der brauche ja nicht für ihn zu arbeiten.

Die Lauda Air brachte ihm aber auch den dunkelsten Moment seines Lebens. Der Absturz einer seiner Boeings 767 im thailändischen Dschungel im Mai 1991 mit 223 Toten war ein Schock, der ihn tief traf, ihn stärker prägte als sein eigener Unfall, wie er oft betonte. Aus der direkten Konfrontation mit dem Schrecken zog er aber auch die Kraft, nicht locker zu lassen bei der Frage nach der Verantwortung. Seiner Hartnäckigkeit, seinem ständigen Nachhaken war es zu verdanken, dass die Absturzursache aufgeklärt wurde: eine Schwachstelle in der Schubumkehr – die Triebwerke aller derartigen Maschinen mussten daraufhin umgerüstet werden.

Auch wenn die Lauda Air später komplett von den Austrian Airlines übernommen wurde – Lauda kam mit den Neugründungen und Beteiligungen Niki und Laudamotion ins Business zurück. Ohne die Formel-1-Welt und das damit verbundene Rampenlicht konnte er aber nicht wirklich. In verschiedenen Rollen tauchte er deshalb immer wieder in den Fahrerlagern weltweit auf: Als Ferrari-Berater, als langjähriger RTL-Experte, ab 2013 dann zusammen mit seinem österreichischen Landsmann Toto Wolff als Anteilseigner und Aufsichtsratschef des Mercedes-Formel1-Teams.

Lungentransplantation als Folge des Unfalls 1976

Beim Hockenheim-GP 2018 fehlte er da zum ersten Mal krankheitsbedingt – es folgte eine dramatische Lungentransplantation, eine Folge der Verätzungen bei seinem Unfall 1976. Dass es keine Rückkehr mehr geben würde, trotz allem Optimismus, den er selbst zwischenzeitlich selbst verbreitete, vor allem in einer Videobotschaft anlässlich des Saisonfinales 2018 in Abu Dhabi, schien bei dem großen Kämpfer Niki Lauda eigentlich unvorstellbar. Obwohl sich in den letzten Wochen schon einige Anzeichen erkennen ließen, dass dieser letzte Kampf für ihn wohl immer schwieriger zu gewinnen sein würde; dass er nach dem letzten Krankenhausaufenthalt im Januar, nach einer schweren Grippe, einfach nicht mehr wirklich zu Kräften kam.

Es gab immer wieder gesundheitliche Rückschläge, zum Beispiel einen Herzinfarkt eine Woche vor seinem 70. Geburtstag am 22. Februar. Es mussten Stents eingepflanzt werden. Lauda wurde zur Reha in die Schweiz gebracht, er blieb schwach und konnte nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten. Wahrhaben wollte das in der Formel-1-Welt kaum jemand so richtig – insofern war die Todesnachricht dann trotzdem ein Schock.

 
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