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FUSSBALL: BUNDESLIGA
Niels Rossow: Ein Club-Fan im Chefsessel
Niels Rossow: Der neue kaufmännische Vorstand will den 1. FC Nürnberg künftig stärker sichtbar machen. Im Interview spricht er darüber, wen er in die Mannschaftskabine einlädt und was ihn am Christkindlesmarkt stört.
Hans Strauß
Hans Strauß
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:55 Uhr

Er sticht heraus. Schon wegen seiner Statur. Niels Rossow ist 1,96 Meter groß. Der frühere Sportartikelmanager wurde Anfang Oktober neuer kaufmännischer Vorstand des 1. FC Nürnberg. Er ist der Nachfolger von Michael Meeske, der zum VfL Wolfsburg wechselte und damit auch näher anseine in Hamburg lebende Familie. Rossow ist im Nürnberger Stadtteil Katzwang aufgewachsen. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium war er 16 Jahre lang für Adidas tätig, unter anderem in Russland und den USA. Der 42-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder, die fünf und drei Jahre alt sind.

Frage: Herr Rossow, Sie kommen aus einem börsennotierten Unternehmen, das alle drei Monate an seinen Quartalszahlen gemessen wird. Nun sind Sie bei einem Fußballverein, wo das Messen jedes Wochenende stattfindet und sich die Stimmung im Umfeld sich mit jedem Ergebnis verändern kann. Haben Sie das in den ersten beiden Monaten beim FCN wahrgenommen?

Niels Rossow: Mein persönliches Wirken und Wirtschaften verstehe ich eher langfristig, das ist nicht jede Woche messbar. Was ich wahrgenommen habe, ist, dass wir in erster Linie Vertrauen zurück gewinnen müssen. Ich glaube, wir können die eine oder andere Brücke zu potenziellen Partnern aus der Region wieder aufbauen. Ich will mich an meinen Taten messen lassen. Zum Beispiel hatten wir in dieser Woche den ersten Kabinenstammtisch. Dazu haben wir 15 unserer Business-Seat-Kunden zu einem vertraulichen Gespräch in die Mannschaftskabine im Stadion eingeladen, um bei einem Kasten Bier über den Club zu reden. Zum einen möchte ich diesen Kreis besser kennenlernen. Zum anderen möchte ich, dass mich auch dieser Kreis besser kennenlernt – mit meinen Visionen und Leidenschaften. Der Business-Seat-Kunde zahlt sehr viel Geld für seine Karte, wir müssen ihm einen Mehrwert bieten. Das heute so wichtige Netzwerken wollen wir in unserem Stadion besser ermöglichen. Grundsätzlich gilt: Der Club muss mobilisiert werden, er muss stärker sichtbar sein.

Sie sprechen davon, Vertrauen zurückzugewinnen. Ihr Vorgänger Michael Meeske hat mit seiner Sanierung der Finanzen sicher schon einiges dazu beigetragen. Was die Verbesserung der wirtschaftlichen Möglichkeiten des Vereins angeht, war eines seiner Themen die Ausgliederung der Lizenzspielermannschaft und der damit mögliche Einstieg eines Investors. Er ist damit nicht so weit gekommen, wie er wollte. Die Skepsis ist sehr groß. Ob es zur nötigen Dreiviertelmehrheit unter den Mitgliedern reicht, ist ungewiss. Für Sie steht das Thema Ausgliederung nicht so im Vordergrund.

Rossow: Wir müssen nicht ausgliedern, um unsere Existenz zu sichern. Das ist schon einmal eine wichtige Botschaft. Wir müssten aber ein Konstrukt entwickeln, das 75 Prozent der Mitgliederschaft hinter sich versammelt. Dazu müssen einige Punkte erfüllt werden. Michael Meeske hatte von drei Punkten gesprochen. Erstens: Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, will heißen: Wir dürfen nicht in steuerliche Fallen geraten. Zweitens: Der Partner müsste stimmen, will heißen: Wir brauchen einen Investor, der den 1. FC Nürnberg weiterbringt. Drittens: Es bräuchte eine gewisse Signifikanz. Das bedeutet, die erzielten Beträge müssten schon den Sinn einer Ausgliederung vermitteln.

Für mich habe ich noch einen vierten Punkt entwickelt. Wir müssen für uns erst einmal definieren, wie wir die Mittel eines Investments einsetzen wollen. Da sind wir in unseren Überlegungen noch nicht so weit. Ich führe die Gespräche weiter, die Michael Meeske angestoßen hat, arbeite aber gleichzeitig an einem Konzept, wie wir uns im Jahr 2025 sehen. Damit könnten wir unserem Mitglied dann sagen, welche Bedürfnisse bestehen und wofür die finanziellen Mittel verwendet werden würden.

Kostbare Mittel nicht nur in Spieler investieren

Viele Fans würden es gerne sehen, wenn dieses Geld dann in eine Mannschaft investiert werden würde, die nichts mit dem Abstieg aus der Bundesliga zu tun zu hätte.

Rossow: Wer das fordert, müsste sich aber darüber im klaren sein, dass der Spielermarkt sehr nahe an der Überhitzung ist, so dass man sich für signifikante Millionenverträge gar nicht sonderlich viele Spieler leisten könnte. Ich fände es zu kurz gedacht, wenn wir die kostbaren Mittel, die wir über den Verkauf von 24,9 Prozent der Vereinsanteile erzielen würden, in einen oder zwei Spieler investieren würden. Das wäre ein Risikoinvestment, das ich nicht unterschreiben könnte.

Zu Ihrem Amtsantritt haben Sie betont, es sei ein Privileg, für den 1. FC Nürnberg zu arbeiten. Warum ist das so?

Rossow: Ich bin in Nürnberg aufgewachsen und war immer Fan des 1. FC Nürnberg. Ich habe immer zum Club aufgeschaut, habe es aber nie geschafft, hier zu spielen – außer bei Auswärtsspielen mit meinen Jugendmannschaften. Ich bin auch ein Fan geblieben, als ich im Ausland war und habe immer alles verfolgt.

Stimmt es, dass Sie Jahreshauptversammlungen am Liveticker verfolgt haben?

Rossow: Das habe ich gemacht. Ich habe während meiner Zeit in Moskau auch den Club in der zweiten Liga live im russischen Fernsehen sehen können. In eine Situation zu kommen, selbst beim 1. FC Nürnberg agieren zu können und in eine verantwortungsvolle Position zu kommen, ist wirklich eine Ehre und eine Herzensangelegenheit. Ich möchte aber auch sagen, dass ich in der Vergangenheit beim Club einiges gesehen habe, dass ich gerne ändern möchte. Für meine Begriffe muss der Club demütiger und bescheidener wahrgenommen werden. Aber auch dynamischer, innovativer und kreativer. Das sind alles Attribute, die Michael Köllner mit seiner Mannschaft schon etabliert hat, der Club im Ganzen hat sie noch nicht hundertprozentig verinnerlicht. Ich möchte dazu beitragen, dass wir solch eine Kultur etablieren.

Gibt es Beispiele, die Ihnen gerade einfallen?

Rossow: Bei der Vermarktung sollten wir dem Partner gegenüber kreativer, eher wie eine Ideen-Agentur auftreten. Oder, ein ganz anderes Thema: Wenn unsere Jugend-Mannschaften die Auswärtskabine nach einem Spiel wie einen Saustall hinterlassen, dann entspricht das nicht den Werten, für die wir uns als 1. FC Nürnberg stehen.

Den Club als eine Institution vermarkten, die über den Spieltag hinausgeht

Stichwort Vermarktungspartner: Der Club lässt sich, wie viele Bundesligisten, vom Branchenführer Lagadere Sports vermarkten. Die Zusammenarbeit läuft seit fast 20 Jahren, geht sie auch weiter?

Rossow: Es gibt, so viel kann ich sagen, eine mittelfristige Vereinbarung. Wir tauschen uns intensiv aus, unser Partner macht bisher zweifellos einen guten Job. Wir müssen aber schauen, dass der 1. FC Nürnberg künftig als eine Institution vermarktet wird, die über den Spieltag hinausgeht. Es geht nicht nur um die 90 Minuten. Der Club ist allgegenwärtig, wenn es um Nürnberg geht. Da haben wir noch Potenzial.

Nach Ihrer Einschätzung ist der Club auch in der Stadt zu wenig präsent.

Rossow: Das ist richtig. Wir sind dabei, die geeigneten Räume für einen Fanshop zu finden. Der Club war noch nie am Christkindlesmarkt, warum eigentlich? Ich habe beim Bürgermeister schon an die Tür geklopft und gesagt, dass ich ab 2019 gerne einen Stand für den FCN haben würde. Es gibt die Nürnberger Stadtverführungen, Touren zu den Sehenswürdigkeiten. Warum gibt es nicht regelmäßig die Club-Stadtverführung? Wo wurde der Verein gegründet, wo wurden die Meisterschaften begossen, wo war das alte Stadion – das wollen wir alles zeigen. Und weil die Schauplätze relativ weit auseinander liegen, könnte man das zwei Mal am Tag als Fahrradtour anbieten. Wir wollen mit der Stadt auch am großen Ziel arbeiten, Europas Kulturhauptstadt 2025 zu werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass der 1. FC Nürnberg ein Teil der Kultur dieser Stadt ist.

Wo sehen Sie das Wachstumspotenzial für den Verein. In der Region oder müssen Sie sich doch weitläufiger aufstellen?

Rossow: Ich bin der Meinung, dass wir erst einmal unsere Aufgaben zu Hause erledigen sollten. Wir sind bei weitem noch nicht optimal aufgestellt. Wir müssen unser großes Netzwerk an Fanklubs mehr nützen, bevor wir über weitere Themen nachdenken. Es gibt Vereine, die internationalisieren, um weitere Geldströme zu erschließen. Natürlich kann man nach China gehen und dort Fußballschulen aufmachen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt würde das unser Handeln hier vor Ort, mit der aktuellen Struktur, beeinträchtigen. Wir müssen alle Ressourcen sammeln, dass wir unseren großen Verein in Franken etablieren - und mittelfristig in der ersten Liga.

Ein neues, reines Fußballstadion für Nürnberg – zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Illusion?

Rossow: Weder der Verein noch die Stadt noch beide Institutionen zusammen werden ein zusätzliches Stadion stemmen können. Man müsste also zusätzliche Mittel erschließen, um überhaupt darüber reden zu können. Aber natürlich wäre es eine tolle Sache, eine Vision 2025 zu entwickeln, deren Bestandteil auch ein Stadion ist.

Seit dem Wiederaufstieg war das Max-Morlock-Stadion nur einmal ausverkauft. Und das nur, weil der Gegner Stuttgart mehr Fans mitgebracht hat als üblich. Wo kann der Verein ansetzen – beim Spieltagerlebnis vielleicht?

Rossow: Unser Stadion ist der schönste Platz der Welt – wenn es ausverkauft ist. Natürlich gefällt es mir nicht, wenn viele Plätze leer bleiben. Insofern müssen wir überlegen: Wie können wir mehr Zuschauer anlocken? Da mag es das eine oder andere geben, um den Spieltag zum Erlebnis zu machen. Man kann aber auch darüber nachdenken, Stadionblöcke an einen Partner zu vermarkten, der seine Mitarbeiter zum Club einlädt. Wir wollen uns bei der Stadionauslastung nicht von unseren Gästefans abhängig machen.

"Natürlich gibt es einige, die mehr über die Stränge schlagen"

Sie sind selbst Club-Fan, inwieweit beeinflusst das Ihre Haltung zu den Ultras?

Rossow: Das Ultratum ist ein Phänomen der Neuzeit und ein Stück Jugendkultur. Auf der einen Seite neigen Ultras dazu, Grenzen zu überschreiten. Und natürlich gibt es einige, die mehr über die Stränge schlagen. Auf der anderen Seite agieren die Ultras sehr eigeninitiativ und in signifikanter Weise gemeinnützig. Dort werden hohe fünfstellige Beträge gesammelt und an gemeinnützige Institutionen verteilt. Das geht in die Richtung, die ich auch gehen möchte: Der Cluberer hilft dem Cluberer. Dass Club-Fan zu sein bedeutet, Teil eines Netzwerks, eine Bewegung, einer Familie zu sein, in der einer für den anderen einsteht. Ich strebe einen konstruktiven, kritischen, aber auch kreativen Dialog mit den Ultras an.

Hatten Sie schon Konkakt?

Rossow: Es kam zu einem ersten Austausch mit Vertretern einfussreicher Nürnberger Fanorganisationen im Rahmn des Fanbeirats. Hier war auch ein führender Vertreter der Gruppe Ultras Nürnberg dabei.

Was würde passieren, wenn der Club nach dieser Saison wieder absteigt?

Rossow: Wir wären betrübt, weil das Abenteuer erste Liga Geschmack auf mehr macht. Aber der Club würde nicht in Existenznot verfallen, was schon einmal als gut zu bewerten ist. Wir sind natürlich dazu angehalten, finanziell zweigleisig zu planen. Aber momentan stehen wir noch über dem Strich und sind bestrebt, drüber zu bleiben. Die Bundesliga bedeutet natürlich höhere Fensehgelder und höhere Sponsoringeinnahmen. Jede Saison in der ersten Liga ist Gold wert.

An diesem Samstag geht es für den FCN auf Schalke schon darum, über dem Strich zu bleiben. Ein ganz besonderes Spiel aufgrund der gemeinsamen Geschichte der beiden Vereine und der langjährigen Fanfreundschaft. Sind Sie auch in Gelsenkirchen?

Rossow: Natürlich werde ich dabei sein. Vorher treffe ich mich mit meinem Kollegen Peter Peters, dem Finanzvorstand von Schalke. Er ist ein sehr interessanter Gesprächspartner und hat sehr viel Erfahrung. Wir werden uns vorher zusammensetzen und dann werde ich 90 Minuten für den Club schreien.

Sie schreien auf der Ehrentribüne für den Club – wirklich?

Rossow: Naja, ich versuche mich momentan noch ein bisschen zu kontrollieren. Aber ich glaube, das wird mit jedem Spieltag weniger.

Ishak auf Schalke im Kader

Der seit fünf Partien sieglose 1. FC Nürnberg kann im Auswärtsspiel beim FC Schalke 04 wieder Mikael Ishak einsetzen. Laut Trainer Michael Köllner ist der Stürmer nach einer Innenbandverletzung im Knie wieder fit sei und steht am Samstag (18.30 Uhr) im Kader. Ob der Schwede von Beginn an oder als Joker aufläuft, sei offen: „Für 90 Minuten wird es schwierig. Das wird ein Spiel, das einen physisch fordert.“ Der 25-Jährige hatte zuletzt drei Begegnungen verletzt verpasst. Der Aufsteiger will den 15. Platz verteidigen. Auch wenn Vizemeister Schalke nach einem verpatzten Saisonstart nur einen Rang vor dem Club steht, sei Nürnberg „klarer Außenseiter“, betonte Köllner. „Die Frage wird sein, wer nach der Länderspielpause am schnellsten wieder in den Rhythmus kommt.“
Bei Schalke wird noch der Sturmpartner für Ex-Cluberer Guido Burgstaller gesucht. Breel Embolo, Mark Uth und Cedric Teuchert fallen aus.
 
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