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Fankfurt am Main
Andrich räumt ab, Kroos ordnet, Gündogan inszeniert in der Offensive
Das deutsche Team profitiert von der Neugestaltung des Mittelfelds. Dabei wandelt Julian Nagelsmann auf historischen Spuren.
Julian Nagelsmann.jpeg       -  Julian Nagelsmann kann mit der Leistung seiner Mannschaft gegen Frankreich mehr als zufrieden sein.
Foto: Christian Charisius, dpa | Julian Nagelsmann kann mit der Leistung seiner Mannschaft gegen Frankreich mehr als zufrieden sein.
Tilmann Mehl
 |  aktualisiert: 02.04.2024 02:46 Uhr

Nach acht Sekunden hatte Florian Wirtz den Ball ins Tor geschossen. Noch nie hatte ein deutscher Nationalspieler früher in einer Partie ein Tor erzielt. Mindestens genauso bemerkenswert aber war, dass noch ein wenig früher in der Partie gegen Frankreich klar war, wer die neue Instanz im Mittelfeld des deutschen Teams ist. Mit lässiger Selbstverständlichkeit hatte Toni Kroos den Leverkusener Offensivspieler passgenau eingesetzt. Der zurückgeholte Madrilene fungierte über weite Strecken des Spiels als jener Fixpunkt, für den der Sportjournalismus dereinst den Begriff Dreh- und Angelpunkt in seinen Beschreibungsfundus aufnahm.

Julian Nagelsmann probierte allerhand aus

Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte in den vorherigen Partien allerhand ausprobiert. Kai Havertz beispielsweise fand sich plötzlich auf der Position des Linksverteidigers wieder, mal Dreier- dann wieder Viererkette, Jonathan Tah rechts hinten, Benjamin Henrichs durfte auch mal. Vor allem aber im zentralen Mittelfeld glichen die Aufstellungen einem Versuchslabor. Pascal Groß, Ilkay Gündogan, Robert Andrich, Leon Goretzka und Joshua Kimmich spielten in allerhand Kombinationen miteinander – und doch meist aneinander vorbei. Von der klaren Rollenverteilung, die Nagelsmann nun für sich entdeckt hat, war in dieser grauen Vorzeit, die ja noch nicht einmal ein halbes Jahr zurückliegt, nichts zu erkennen. Stattdessen: freie Improvisation. Kann fein aussehen, mündete aber im Chaos.

Joachim Löw hatte ein herausragendes Mittelfeld konzipiert

Nagelsmann also nahm sich seiner Zentrale an und folgte historischen Vorbildern. In der näheren Vergangenheit war es Pep Guardiola, der möglichst viele Spieler im Mittelfeld versammelte, schließlich würden hier die Spiele entschieden werden. Überzahl schafft Überlegenheit. Alleine durch zahlenmäßige Rochaden auf dem Spielfeld aber lassen sich keine Partien gewinnen. Struktur muss mit Leben gefüllt werden. In deutschen Landen sollten meist imposante Persönlichkeiten das Spiel ordnen. Overath, Netzer, Matthäus und Ballack beispielsweise. 

Nach dem Abschied Ballacks aber fehlte es den Deutschen an herausragenden Individualisten im Zentrum. Mesut Özil war freilich ein herausragender Fußballer, ein Spiel qua seiner Dominanz zu bestimmen, war ihm aber nicht gegeben. Joachim Löw hatte in Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira gleich zwei Akteure von außergewöhnlichem Format, die den Individualisten weitgehend von Defensivarbeiten befreiten und zudem noch das eigene Spiel antrieben. Mit dem kühlen Ballverteiler Toni Kroos hatte der Bundestrainer ein Mittelfeld konzipiert, das in jeder der drei wichtigen Ausprägungen absolute Weltklasse darstellte: Defensivarbeit, Spiel strukturieren, Offensive inspirieren.

Klare Aufgabenaufteilung war immer das Erfolgsrezept

Sie waren die logischen Nachfolger des spanischen Triumvirats Busquets, Xavi, Iniesta. Zuvor prägten die Franzosen Deschamps, Karembeu, Petit und der geniale Zidane den Weltfußball. Sämtliche erfolgreiche Mittelfeldreihen waren geprägt von einer klaren Aufteilung. Im deutschen Mittelfeld aber spielten einige Zeit Generalisten zusammen, denen es an beiden Enden des Feldes an der nötigen Qualität fehlte. Gündogan musste zu viel in der Abwehr schuften, um vorne die notwendigen Impulse zu setzen, für Goretzka wurde keine passende Rolle gefunden und Joshua Kimmich fühlte sich für alles verantwortlich.

Das hat Nagelsmann nun geändert. Andrich räumt ab, Kroos ordnet, Gündogan inszeniert in der Offensive. Mit dem Leverkusener Andrich hat der Bundestrainer einen jener Spieler in die Elf implementiert, die er selbst als "Worker" bezeichnet. Die also Fußball hauptsächlich als Lauf- und Kampfsport verstehen und kein Problem damit haben, andere glänzen zu lassen. Gegen Frankreich klappte die Aufteilung zwischen den Drei schon ausgezeichnet. Auch, weil von Beginn an klar war, wer für welches Fachgebiet hauptsächlich verantwortlich ist. Statt vieler Fragezeichen dominierten die Drei als Ausrufezeichen.

Dass es nur acht Sekunden bedurfte, damit sich das Mittelfeld durch ein Erfolgserlebnis in seiner Herangehensweise bestätigt sah, war freilich nicht ausschließlich der Neuordnung durch Nagelsmann zu verdanken. Ein klarer Plan allerdings erhöht die Chancen auf Erfolge ungemein. 

 
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