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FUSSBALL
Nach Fußball-Spielabbruch wegen N-Wort: Warum es dafür keine Entschuldigung gibt
Der Champions-League-Schiedsrichter verwies auf die neutrale farbliche Bedeutung des Wortes. Amerikanistin Heike Raphael-Hernandez erklärt, warum diese Ausrede nicht gilt.
Eine Reaktion auf den Vorfall am Vortag: Pierre-Achille Webo, Co-Trainer von Istanbul Basaksehir, trägt am Mittwoch während des Champions-League-Spiels seines Klubs bei Paris St. Germain ein T-Shirt mit der Aufschrift 'Nein zu Rassismus'. 
Foto: Francois Mori, dpa | Eine Reaktion auf den Vorfall am Vortag: Pierre-Achille Webo, Co-Trainer von Istanbul Basaksehir, trägt am Mittwoch während des Champions-League-Spiels seines Klubs bei Paris St.
Natalie Greß
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:26 Uhr

"Why did you say negro?" Mehrmals wiederholte der frühere kamerunische Fußball-Nationalspieler Pierre Webo am Dienstag aufgebracht diese Frage. Es lief das Champions-League-Spiel von Paris St. Germain gegen Basaksehir Istanbul, und der heutige Co-Trainer der Gäste hatte soeben die Rote Karte gesehen. Dabei soll Webo vom Vierten Offiziellen rassistisch beleidigt worden sein.

Wie in der Fernsehübertragung deutlich zu hören war, verwendete der Rumäne Sebastian Coltescu eine Formulierung, die im Deutschen mit dem Begriff "N-Wort" umschrieben wird. Der Vierte Offizielle rechtfertigte sich damit, das rumänische Wort "negru" gemeint zu haben, das in seiner Sprache einfach "schwarz" bedeutet.

Coltescu entschuldigte sich für den Vorfall

Der Ausgang ist bekannt: Beide Mannschaften verließen aus Protest den Rasen im Prinzenpark, das Spiel wurde abgebrochen und am Mittwoch mit anderen Schiedsrichtern fortgesetzt. Während im Internet die nächste Anti-Rassismus-Welle losbrach, entschuldigte sich Coltescu am Tag darauf für den Vorfall. 

Die Amerikanistin Dr. Heike Raphael-Hernandez, die sich an der Universität Würzburg mit Sklaverei, Rassismus und den Lebenswelten der Afroamerikaner befasst, erklärt im Interview, warum das N-Wort auch in Vorfällen wie diesem mit vermeintlich neutralen Formulierungen wie "Schwarzer" oder "the black guy" niemals neutral verwendet werden kann.

Heike Raphael-Hernandez, Dozentin am Lehrstuhl für Amerikanistik der Uni Würzburg
Foto: Ronald Williams | Heike Raphael-Hernandez, Dozentin am Lehrstuhl für Amerikanistik der Uni Würzburg
Frage: Frau Raphael-Hernandez, warum ist das N-Wort rassistisch?

Heike Raphael-Hernandez: Weil es geschichtlich so besetzt ist: Es drückt immer eine Abwertung aus. Auch wenn es sich ursprünglich vom lateinischen "niger" ableitet und das nur "schwarz" heißt - es gibt keine neutrale Bedeutung dieses Worts, wenn wir über Menschen sprechen. Da schwingt die historische Bedeutung immer mit. 

Würden Sie uns die bitte noch mal genau erklären?

Raphael-Hernandez: Der bedeutungsbesetzte Begriff "negro" geht zurück auf die Sklaverei in den USA. 1619 kamen dort die ersten versklavten Menschen aus Afrika an. Neben anderen Begriffen wurde von Anfang an auch "negro" für diese Gruppe benutzt. Zu dieser Zeit beginnt bereits die historische Verknüpfung von Sklaverei mit dem sich entwickelnden Rassismus, der sich auch in Sprache ausdrückt. Insofern ist das N-Wort Symbol für eine Geisteshaltung: Jene nämlich, die Menschen einer anderen Hautfarbe die Menschlichkeit abspricht, die von mangelndem oder fehlendem Respekt ihnen gegenüber und einem Gefühl der eigenen Überlegenheit zeugt. Das ist die Grundlage von Rassismus.

Wie und wann fand das N-Wort Eingang in die deutsche Sprache?

Raphael-Hernandez: Zunächst durch die aufkommenden Rassentheorien im 18. Jahrhundert. Im Dritten Reich wurde das Wort dann endgültig pervertiert, als es noch das Etikett "entartet" bekam, wenn es zum Beispiel um "schwarze" Musik wie den Jazz ging. 

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Viele Menschen, die das N-Wort benutzen, reden sich damit raus, dass es ursprünglich diese neutrale, farbliche Bedeutung hatte. Auch der Schiedsrichter verteidigte sich damit, doch nur das rumänische Wort für Schwarzer verwendet zu haben. 

Raphael-Hernandez: Diese Hintertür darf man niemandem lassen. Der Begriff mit all seinen Variationen wie "negro", "necru", "schwarzer Mann", "the black guy" hat durch seine Geschichte diese bewusst menschenabwertende, rassistische Konnotation, das ist allgemein bekannt. Und im Sport ist das Thema Rassismus nun schon seit mehreren Jahren weltweit in der Diskussion angekommen, allein durch die Proteste in der NFL und der NBA.

Das ist es auch im Weltfußball.

Raphael-Hernandez: Während Fußballspielen läuft ja sogar "No to Racism" über die Banden in Stadien. Da kann man sich als Schiedsrichter nicht hinter der Aussage verstecken, man hätte es nicht so gemeint. Dieser Mann arbeitet auf europäischer Ebene, er hat ein internationales Spiel geleitet! 

Diskussionen im Pariser Parc des Prince: Okan Buruk (rechts), Trainer von Istanbul Basaksehir, spricht mit dem Vierten Offiziellen Sebastian Coltescu, der sich mit Rassismusvorwürfen konfrontiert sieht. 
Foto: Francois Mori, dpa | Diskussionen im Pariser Parc des Prince: Okan Buruk (rechts), Trainer von Istanbul Basaksehir, spricht mit dem Vierten Offiziellen Sebastian Coltescu, der sich mit Rassismusvorwürfen konfrontiert sieht. 
Wie hätte der Schiedsrichter Pierre Webo politisch korrekt benennen sollen, wenn er schon meint, sich auf dessen Hautfarbe beziehen zu müssen?  

Raphael-Hernandez: Ich wehre mich dagegen, dass die Hautfarbe in so einem Fall irgendeine Rolle spielt. Wann braucht es die denn überhaupt? Doch höchstens vielleicht in einem Polizeibericht zur genaueren Beschreibung, wenn eine Person gesucht wird.

In dem Sinn argumentierte auch Pierre Webo weiter. Er fragte den Schiedsrichter dann: "Warum nannten Sie mich einen schwarzen Mann? Haben Sie auch auf einen weißen Mann hingewiesen?"

Raphael-Hernandez: Völlig richtig. Es gibt im Amerikanischen den Ausdruck des "white trash", also des "weißen Mülls". Er ist im 18. Jahrhundert aufgetaucht und so eine Art Äquivalent zum N-Wort, also auch herabsetzend, beleidigend und verletzend. Können Sie sich einen Schiedsrichter vorstellen, der über einen Spieler oder Trainer sagt, der "white trash" da drüben bekommt die Rote Karte?  

Nicht wirklich.

Raphael-Hernandez: Der springende Punkt ist tatsächlich: Wie hätte der Schiedsrichter in der gleichen Situation einen weißen Co-Trainer unter anderen Weißen benannt? Vermutlich hätte er sich nicht auf Äußerlichkeiten bezogen und etwas gesagt wie "der da hinten mit der Hakennase". Sondern vermutlich hätte er die Funktion des Mannes oder seinen Namen gewusst. Sollte den ein Schiedsrichter, der in der Champions League pfeift, nicht sowieso kennen? 

 
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