Nach der rauschenden WM-Party in der Stadt der Sünde bleibt Max Verstappen nicht viel Zeit zur Erholung vom Titel-Kater. Die geschlagene und teils gedemütigte Formel-1-Konkurrenz will die Rennen am Sonntag in Katar und eine Woche später in Abu Dhabi schon zur Vorbereitung der Attacke in der Saison 2025 auf den nun sogar viermaligen Weltmeister nutzen. „Niemand ist unschlagbar”, betonte Las-Vegas-Sieger George Russell von Mercedes: „Ich denke, wir sind bereit, diese Herausforderung jetzt anzunehmen.”
Verstappen weiß das - und freut sich schon drauf: „Das wird ein richtiger Kampf mit vielen Autos, aber ich bin hungrig.” Das war er schon, als vor mittlerweile fast zehn Jahren im März 2015 sein erstes Formel-1-Rennen bestritt. Aus einem einst (zu) ungestümen, gierigen und aggressiven Nachwuchspiloten wurde einer, der seinem damaligen vorauseilenden Ruf als Jahrhunderttalent immer mehr gerecht wurde und mittlerweile mit einer beängstigenden Souveränität seine Herausforderer reihenweise zum Scheitern bringt.
Vier WM-Titel in Serie, 62 Grand-Prix-Siege, 40 Pole Positionen, 111 Podiumsplätze - Verstappen ist längst in einer Reihe mit den Größten der Größten. „Es gibt diese Phasen, in denen Teams und Autos und Fahrer unschlagbar wirken, aber du darfst den Glauben nicht verlieren”, beteuerte Russell. Es werde schwierig, Verstappen nächstes Jahr zu schlagen, prophezeite Russells Noch-Teamkollege Lewis Hamilton. Red Bull habe vermutlich früher als andere Teams schon aufs nächste Jahr bei der Entwicklung der Wagen gesetzt. Ob dem so ist, wird sich zeigen.
Klar ist, dass es nächstes Jahr noch keine große Regeländerung gibt. Die einschneidende Regelreform steht erst 2026 an. „Dann wird es hoffentlich mehr Fahrern Möglichkeiten eröffnen”, sagte der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso, der allerspätestens dann auch auf den Adrian-Newey-Effekt hofft. Der Star-Designer hatte in dieser Saison seinen Abschied von Red Bull angekündigt, er wird künftig für Aston Martin arbeiten.
Leclercs Ausraster nur ein Vorgeschmack?
Die Verstappen-Herausforderer dürften aller Voraussicht nach also auch im kommenden Jahr im McLaren, im Ferrari und im Mercedes sitzen. Doch genau da steckt auch jede Menge Zündstoff drin. Denn es wird nicht mehr so sein, wie es dieses Jahr noch ist.
Bei McLaren darf bezweifelt werden, dass sich Oscar Piastri ein weiteres Mal zum Gehilfen des gescheiterten Lando Norris degradieren lässt. Bei Ferrari wird mit der Ankunft von Rekordweltmeister Hamilton das Gefüge auf eine ordentliche Belastungsprobe gestellt.
Wie gereizt sein baldiger Teamkollege Charles Leclerc jetzt schon ist, zeigte sich am Sonntag. Und er hätte sich gewünscht, dass das, was er in Vegas sagte, auch in Vegas geblieben wäre. „Scheiße, scheiße, scheiße, und der Funk ist an”, sagte er, als er es bemerkt hatte. Mit einer zynisch-sarkastischen Schimpftirade und dem F-Wort in mehrfacher Ausführung hatte er sich zuvor heftig beim Team beklagt, weil Noch-Kollege Carlos Sainz vor seinem Wechsel zu Williams nach dieser Saison sich nicht mehr an die Vorgaben des Kommandostandes gehalten hatte.
Wie das mit den Befindlichkeiten im kommenden Jahr aussieht, wenn der immer noch titellose und einst auch so hoch gehandelte Leclerc neben dem erfolgreichsten Piloten der Formel-1-Geschichte und absoluten Superstar fährt, wird eine der spannenden Fragen sein. Ebenso wie sich Hamiltons Nachfolger bei Mercedes an der Seite von Russell schlägt. Die Silberpfeile setzen auf den gerade mal 18 Jahre alten Neuling Kimi Antonelli aus Italien. Man stelle sich vor, er würde gleich voll einschlagen und Russell unter Druck setzen, der sich nach dem Weggang von Hamilton in der Führungsrolle wähnt.
Weiter geht's mit Verstappens Paradedisziplin
Fast egal aus rein sportlicher Sicht dürfte für Verstappen indes sein, wer neben ihm im kommenden Jahr fahren wird. Schwächer als Sergio Pérez in dieser Saison geht es kaum. Wer auch immer es 2025 ist: Verstappens natürliche Autorität und sein Status im Team sind unumstritten. Sämtliche Nebenschauplätze schienen in diesem Jahr an ihm abzuprallen.
In der vermutlich heftigsten und vor allem öffentlichsten Notlage des Rennstalls seit dem Einstieg 2005 mit dem Zoff um Teamchef Christian Horner und einem Machtkampf, in den sich auch noch Weltmeister-Vater Jos Verstappen vollmundig einmischte, bewies Verstappen große Qualitäten als Krisenmanager. Befreit von allen Lasten und dem schweren und fordernden Titelkampf in diesem Jahr wird er rechtzeitig auch wieder bestens erholt sein, wenn es am Wochenende bei seiner Paradedisziplin Sprint in Katar wieder um den Sieg geht. Denn auch Verstappen weiß: Im Kampf um seinen fünften Triumph nacheinander hat das Vorspiel bereits begonnen.