Mattias Ekström lässt sich in den Sitzsack fallen. Der Schwede trägt eine Sonnenbrille, aber auch eine dicke Jacke. Es ist noch recht frisch hier am frühen Morgen in der Wüste im Norden Saudi-Arabiens. Ekström ist gut gelaunt, es ist der letzte ruhige Tag für den Audi-Rennfahrer. Noch einmal durchschnaufen und Kraft tanken. Ab Freitag beginnt der Stress.
Mit einem kurzen Prolog startet die Rallye Dakar am Freitag in ihre 46. Auflage. Die erste Etappe führt am Samstag auf einen erloschenen Vulkan. Es folgen 14 harte Tage, an deren Ende der Sieger eines der größten Motorsportspektakel der Welt feststeht. Läuft es nach Wunsch, sitzt er in einem Audi. Davon träumen sie in Ingolstadt und Neckarsulm.
Die letzte Rallye Dakar für Audi
Der deutsche Hersteller wird zum letzten Mal bei der Dakar starten. Womöglich stehen im Laufe dieses Jahres noch ein paar Rennen im Rahmen der Rallye-Weltmeisterschaft an, 2025 aber wird Audi bei der Dakar definitiv nicht mehr dabei sein. Das bestätigt Rolf Michl im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Motorsportchef sagt: "Für uns ist das die letzte Dakar." 2026 plant Audi den Einstieg in die Formel 1, der Fokus wird sich künftig auf die Motorsport-Königsklasse richten.
Einmal aber wollen sich die Ingolstädter noch bei der vermeintlich schwersten Prüfung im Motorsport beweisen. Die beiden vergangenen Ausgaben der Rallye Dakar endeten mit Enttäuschungen. Das soll sich ändern. Audi möchte beweisen, dass die Idee mit einem revolutionären Antriebskonzept Erfolg haben kann. Der elektrische Antrieb des RS Q e-tron bezieht seinen Strom von einem Energiewandler, einem ehemaligen DTM-Motor. Audi spart damit 30 bis 40 Prozent Sprit im Vergleich zu den reinen Verbrennern, auf die die Konkurrenten Toyota oder Ford setzen.
Die Skepsis bei der Konkurrenz ist groß
Audi geht ein Risiko ein. Die Skepsis bei der Konkurrenz ist groß. Es wurde schon spekuliert, wie lange die drei Audi-Rennwagen durchhalten werden. "Das nehme ich mit einem Schmunzeln hin", sagt Michl. Und: "Wenn man Pionierarbeit leisten will, kommt es zu Rückschlägen." Die hat Audi erst kürzlich bei den Generalproben in Spanien und Marokko erlebt. Aber eben auch viel daraus gelernt. "Wir haben das maximal Mögliche getan, um beruhigt an den Start gehen zu können", sagt der Motorsportchef.
Er lehnt sich zurück, will Gelassenheit ausstrahlen. Die Sonnenbrille nimmt er ab und schaut kurz in die Ferne. Auf die Dünen, die vom Biwak aus, in dem alle Teams untergebracht sind, zu sehen sind. "Audi ist noch nie angetreten, um nur mitzufahren", sagt er. Siege sind das Ziel. Eine Prognose wagt der Allgäuer nicht. Er sagt nur: "Wir sind fähig für ein Podium."
Ekström nickt, er bestätigt das. Der Schwede ist lange im Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) gefahren. Auf der Rundstrecke also, eine andere Art des Motorsports. Die Rallye ist damit nur schwer zu vergleichen. "Das ist die schwierigste und gefährlichste Form des Motorsports", sagt der 45-Jährige. Er tritt mit seinem Beifahrer Emil Bergkvist an. Die beiden anderen Paarungen bei Audi bilden Stéphane Peterhansel/Edouard Boulanger und Carlos Sainz/Lucas Cruz. Drei ambitionierte Teams, die allesamt gewinnen können. Wenn sie alle Herausforderungen meistern. "Ins Ziel zu kommen, ist das erste Ziel. Aber über allem steht der Sieg", sagt Ekström. Und: "Wir haben die Voraussetzungen, das zu schaffen."
Die Fahrer müssen die Autos selbst reparieren können
Der Schwede hat in den vergangenen Jahren viel gelernt, viel Erfahrung gesammelt. Er weiß nun ganz genau, was es bei einer solchen speziellen Rallye braucht. Die Abstimmung mit dem Beifahrer muss perfekt sein. Er gibt genau den Weg vor. Geht etwas schief, kostet das viel Zeit. Und schiefgehen kann viel. Vor allem während der 48-Stunden-Etappe, die eine ganz besondere Herausforderung ist. Hier, im sogenannten Empty Quarter, sind Fahrer und Beifahrer ganz auf sich gestellt. An diesen Tagen ist keine Hilfe durch das Team erlaubt. Passiert in der weiten und unbewohnten Dünenlandschaft etwas an den Autos, muss das Piloten-Duo selbst zu den Werkzeugen greifen. Dafür sind alle noch einmal speziell am Standort von Audi Sport in Neuburg geschult worden.
Cleveres Fahren ist wichtig. Möglichst Plattfüße vermeiden, was in der Wüste aber kaum möglich ist. Ein Reifenwechsel geht schnell, dauert kaum zwei Minuten. Aber bei nur zwei Ersatzreifen ist in der Folge cleveres Fahren nötig. Ekström kann das. Er war schon immer ein Fahrer, der unnötiges Risiko vermieden hat. Das könnte ihm auch in der Wüste helfen.
Respekt habe er vor der Dakar, Angst nicht. "Man muss 14 Tage fehlerfrei fahren", sagt er. Der Gesamtsieg ist das große Ziel. Aber nicht der alleinige Antrieb für die Teilnahme. Audi möchte auch Erkenntnisse für die Serienfahrzeuge gewinnen. "Wo kann man den Elektroantrieb besser und intensiver testen als unter den vermeintlich schlimmsten Bedingungen: Sand, Wind und Regen?", sagt Michl. Audi möchte bis zum Ende dieser Dekade sein Fahrzeug-Portfolio weitgehend elektrisch gestalten.
Noch ist es ruhig im Biwak. Es ist eine große Zeltstadt, die die Organisatoren in die saudi-arabische Wüste gepflanzt haben. Die nächste größere Stadt ist Alula, drum herum ist Wüste. Viel Sand, viele Steine, ein paar Berge. Niemandsland, wie Rolf Michl sagt. Im Biwak werkeln die Teams an ihren Autos, Fahrer und Mitarbeiter schlafen teilweise in Zelten. Und das bei fünf Grad in der Nacht. Es gibt deutlich angenehmere Bedingungen. Von Komfort und Luxus aber ist die Dakar so weit entfernt wie eine durchschnittliche Jugendherberge.
Das Biwak zieht von Ort zu Ort, muss immer wieder neu aufgebaut werden. Am Ende werden die Fahrer fast 8000 Kilometer zurückgelegt haben. Zumindest die, die ins Ziel kommen.
Die Recherchen zu diesem Text wurden von Audi unterstützt.