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Kempten
Martin Tomczyk über Motorsport: "Es ist enorme Belastung, das weiß ich aus meiner Karriere"
Martin Tomczyk ist beim Allgäuer Rennstall Abt Sportsline gleich für vier Einsätze verantwortlich. Der Ex-Rennfahrer über Nachhaltigkeit und den größten Wunsch seines Sohnes.
Milan Sako
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:07 Uhr

Ein bekanntes Gesicht im Motorsport kehrt ins Allgäu zurück. Wie sieht Ihre Stellenbeschreibung aus?

Martin Tomczyk: Ich bin Motorsport-Direktor bei Abt Sportsline und verantworte alle Motorsport-Aktivitäten des Hauses. Wir sind momentan in vier Einsätzen unterwegs: Im Deutschen Tourenwagen Masters, im 24-Stundenrennen, in der Formel E und Extrem E. Eine sehr weite Spanne. Das macht das Team Abt in Deutschland einzigartig, weil wir überall unterwegs sind.

Was haben Sie davor gemacht?

Tomczyk: Ich bin bis Ende 2021 selbst Autorennen gefahren. Ich war elf Jahre Audi-Werksfahrer und in den letzten zehn Jahren Werksfahrer für BMW. Ich habe ein sehr langes und erfülltes Leben im Profi-Motorsport hinter mir. 2021 habe ich den Entschluss gefasst, mit dem aktiven Motorsport aufzuhören. Ich habe mir immer zwei Credos gesetzt. Entweder ich bin nicht mehr schnell genug. Oder ich habe keinen Spaß mehr. Schnell genug war ich noch. Aber die Leidenschaft, die Passion, die ich für den Motorsport einmal hatte, die habe ich nicht mehr gefühlt. Für mich war der Zeitpunkt gekommen zu sagen, bevor ich hier irgendwo zum Ende fahre, höre ich vorher auf. Zum Glück war ich in der Situation, mir das leisten zu können, was auch nicht selbstverständlich ist. Das war der Schnitt.

Was kam danach?

Tomczyk: Letztes Jahr war ein nahtloser Übergang da. Davor ist DTM-Chef Gerhard Berger auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich nicht in der DTM auf der organisatorischen Seite aktiv sein möchte. Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden, denn hinter dem Motorsport steht ein Business mit Sponsoren und vieles mehr, als nur Rennen zu fahren. Aber glücklicherweise bin ich in einer Motorsport-Familie aufgewachsen. Ich bin neben Gerhard Berger schnell zum DTM-Manager aufgestiegen.

Wie kam es zum Wechsel in die Allgäuer Motorsport-Zentrale?

Tomczyk: Ende vergangenen Jahres sind die DTM-Rechte an den ADAC verkauft worden. Deshalb habe ich dort keine Zukunft mehr gesehen. Dann kam der Anruf von Abt-Geschäftsführer Thomas Biermaier. Wir sind uns in den Gesprächen, auch zusammen mit Hans-Jürgen Abt (Geschäftsführender Gesellschafter bei Abt Sportsline/Anm. d. Red.), recht schnell einig geworden und so bin ich seit dem 1. März als Motorsport-Direktor tätig.

Auf Anhieb für vier Einsätze verantwortlich zu sein, hört sich herausfordernd an. Wie voll ist Ihr Terminkalender?

Tomczyk: Sehr voll. Meine Frau hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Aber glücklicherweise kennt sie es ja (Christina Surer ist eine ehemalige Autorennfahrerin/Anm. d. Red.). Bei der DTM werde ich bei jedem Rennen vor Ort sein. Aber auch in den anderen Serien werde ich an den Rennplätzen präsent sein.

In Deutschland lief das Deutsche Tourenwagen Masters in der ARD. Inzwischen überträgt Pro Sieben. Die Saison startet vom 26. bis 28. Mai in Oschersleben. Wo sortieren Sie die DTM aktuell ein?

Tomczyk: Generell hat der Motorsport einen Wandel durchgemacht und wird sich auch in Zukunft noch wandeln. Wir werden konfrontiert mit dem Thema Nachhaltigkeit. Es ist schwierig, neue Zuschauergruppen zu erschließen. Junge Leute haben heutzutage eine andere Ausrichtung. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die DTM die beste Tourenwagen-Plattform in Europa bietet, in der deutsche Hersteller vertreten sein sollten.

Sie haben es angesprochen: Wie sehen Sie das Thema Nachhaltigkeit im Motorsport?

Tomczyk: Der Zuschauer sieht, wie ein Rennauto um den Kurs fährt und dabei Lärm verursacht und Abgase ausstößt. Beim Fußball sehe ich den Spieler einem Ball hinterherlaufen. Das Drumherum sieht der Zuschauer nicht. Aber auch das muss man betrachten. Nachhaltigkeit ist für den Motorsport ein wichtiges Thema. Die Firma Abt Sportsline ist auch in der vollelektrischen Formel E unterwegs oder im Offroad-Bereich mit der Extrem E (Rennserie für vollelektrische SUV/Anm. d. Red.). Vom Automobilweltverband Fia haben wir dafür die höchste Umweltzertifizierung, sonst dürften wir dort nicht starten. Wir verfolgen das Thema Nachhaltigkeit auch, weil es von Sponsoren mittlerweile gefragt ist.

Wohin entwickelt sich der Motorsport?

Tomczyk: Vielleicht sieht man irgendwann keine Autos mehr mit Verbrennungsmotoren oder nur noch mit synthetischen Kraftstoffen. Doch im Augenblick gleicht es einem Blick in die Glaskugel. Ich bin froh, dass wir den Motorsport betreiben, wie wir ihn betreiben. Aber uns ist klar, dass sich das in absehbarer Zeit wandeln wird.

Wie lautet die Zielsetzung für die DTM?

Tomczyk: Für unsere Piloten Ricardo Feller und Kelvin van der Linde ist die Meisterschaft das Ziel. Abt Sportline stellt das erfolgreichste der aktiven DTM-Teams. Wir haben bis dato 301 DTM-Rennen bestritten. Wir sind von Anfang an dabei und haben mehrere Titel eingefahren. Diese Historie wollen wir weiter ausbauen. Durch den Wechsel von Prototypen-Fahrzeugen zu den GT3-Autos ist die Markenvielfalt gewachsen, was für den Zuschauer schön ist. Aber das belebt auch die Konkurrenz.

Sie haben eine zehnjährige Tochter und einen sieben Jahre alten Sohn. Kommt Motorsport für die Kinder in Frage?

Tomczyk: Meine Tochter interessiert sich weniger dafür. Mein Bub spielt Fußball. Inzwischen hat er mich so weich geredet, dass er endlich Kart fahren darf. Ich hatte gehofft, dass das an mir vorbei geht, weil ich ihn nicht in diese Richtung gedrängt habe. Mein Vater Hermann ist früher Autorennen gefahren, meine Frau und ich sind gefahren. Er soll alles ausprobieren dürfen, aber es ist nicht nur toll, im Kreis zu fahren. Es ist auch eine enorme Belastung, das weiß ich aus meiner Karriere. Du stehst permanent unter Erfolgsdruck, musst immer Leistung liefern. Das hat in meiner Erziehung geholfen und das ist auch gut so. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich meinem Sohn auf der Nordschleife am Nürburgring zuschaue, wie er in einem GT3-Auto fährt. Früher hätte ich gesagt: Ja, das machen wir. Mittlerweile bin ich skeptisch. Das kommt wohl mit dem Alter. Ich hätte Angst um ihn.

Halten Sie den Motorsport trotz aller Sicherheitssysteme für gefährlich?

Tomczyk: Ich weiß, wie schnell etwas schief laufen kann, auch wenn man es nicht selbst verschuldet hat. Glücklicherweise ist mir nie etwas schwerwiegendes passiert und die Autos werden auch immer sicherer. Aber man muss es nicht herausfordern. Das sage ich, der 25 Jahre lang Motorsport betrieben hat.

Wo haben Sie ihren schwersten Unfall erlebt?

Tomczyk: Ich hatte harte Crashes, die immer glimpflich ausgegangen sind. Von daher hatte ich sehr, sehr viel Glück und habe mir nie etwas gebrochen. Den letzten Unfall hatte ich vor zwei Jahren in Spa-Francorchamps beim 24-Stundenrennen. Ich war auf Slicks unterwegs und es hat angefangen zu Nieseln. Um vier Uhr morgens bin ich in der Blanchimont-Passage abgeflogen. Das ist eine Vollgas-Linkskurve, eine Linie war frei. Beim Einlenken bin ich zu weit nach rechts gekommen und habe mir gedacht: Jetzt kommt das Heck, ich muss den Lenker aufmachen. Aber es hat nicht mehr funktioniert. Dann Hände weg vom Lenkrad und warten, bis es knallt. Das Auto war komplett platt, da war nicht mehr viel da. Aber mir ging es gut. 

 
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