Martina Navratilova, eine Legende des Frauen-Tennis, hat Laura Siegemund vor wenigen Wochen ein Rezept für weitere Erfolge verraten. „Du musst Dir einfach jede Woche vorstellen, dass Du in Stuttgart spielst“, twitterte die US-Amerikanerin. Das war, nachdem Siegemund auf spektakuläre Art und Weise das hochdotierteTurnier um den Porsche Grand Prix gewonnen und als Preis ein feuerrotes Cabrio mit nach Hause genommen hatte. Letztes Jahr schon im Finale, dieses Jahr dann der große Coup in Stuttgart – die im nahen Metzingen wohnende Schwäbin lässt sich von ihrem Heimpublikum tragen und zu Höchstleistung treiben.
Dass Nürnberg eigentlich Stuttgart ist, musste sich Siegemund zu ihrem Turniereinstand wohl nicht vorstellen. Die an Position vier gesetzte Rechtshänderin gewann ihr Erstrundenmatch beim Nürnberger Versicherungscup sicher in fast genau einer Stunde mit 6:0, 6:1 gegen die mit einer Wildcard ins Hauptfeld gelangte Saarländerin Katharina Hobgarski.
Siegemunds Spiel ist kreativ und unberechenbar. Powerschläge werden immer wieder unterbrochen von Stopps, drucklos ins Halbfeld geschobenen Bällen, Netzattacken, Mondbällen – bei Siegemund weiß die Gegnerin nie, was passieren wird. Die verzweifelte Hobgarski, die sonst auf der B-Turnierserie zu Hause ist, Siegemund aber 2016 bei den deutschen Meisterschaften geschlagen hatte, musste bis zum neunten Spiel warten, bis sie aus einem Siegemund-Stopp endlich etwas machen konnte. Und damit auch ihr einziges Spiel gewann.
Bundestrainerin Barbara Rittner beschrieb Siegemunds Auftritte kürzlich treffend als „Abenteuer-Tour“. Dem Publikum gefällt's, wenn die 1,68 Meter kleine Powerfrau die Locken fliegen lässt und nach gewonnenen Punkten enthusiastisch die Faust ballt. Fast schon ihr Markenzeichen sind Kompressionsstrümpfe, mit deren Hilfe sie auch den letzten Rest Laufvermögen aus sich herauskitzeln will. „Die erste Runde ist immer ein bisschen speziell“, sagte Siegemund nach dem Match, „ich bin froh, dass ich so souverän auftreten konnte. Aber es war schwerer, als es aussah.“
Die bereits 29-Jährige war schon einmal drauf und dran, ihre Tennis-Karriere zu beenden. Als sie 2012 neun Mal in Folge in der Qualifikation zu Turnieren gescheitert war, begann sie ein Studium in Psychologie an der Fernuniversität Hagen. Seit sie ihren Bachelor hat, spielt sie wieder erfolgreicher Profitennis. Einen direkten Zusammenhang will Siegemund zwar nicht herstellen. Aber das Wissen darum, wie man psychologisch mit Krisen auf dem Platz umgehen kann, helfe ihr schon. Am besten sei es, sich nie lange mit negativen Gedanken und Gefühlen zu belasten.
Siegemund glaubt, dass sie ihre beste Tenniszeit noch vor sich hat. Mittlerweile ist sie als Nr. 32 die zweitbeste Deutsche in der Weltrangliste und damit eine der Attraktionen in Nürnberg. Läuft alles nach Plan im Achtelfinale gegen die Rumänin Krejcikova, trifft Siegemund am Donnerstag im Viertelfinale auf ihre FedCup-Kollegin Julia Görges oder auf Carina Witthöft – es wäre ein erster Höhepunkt des Turniers.
Die kriselnde Weltranglistenerste Angelique Kerber trat letztmals 2015 in Nürnberg an. Damals musste sie vor dem Halbfinale verletzt aufgeben, wird ihr unter Tränen gegebenes Versprechen, wieder an den Valznerweiher zurückzukehren, aber nicht mehr so leicht einlösen können. Einmal sind Auftritte von Weltranglistenersten bei Turnieren der kleinsten Kategorie stark limitiert. Zum anderen wirbt Kerber neuerdings für eine Versicherung, die kaum erfreut wäre, sie beim Turnier eines namengebenden Konkurrenten aufschlagen zu sehen.
Bouchard fällt verletzt aus
Eugenie Bouchard verließ Nürnberg auf Krücken, ohne einen einzigen Punkt gespielt zu haben. Die besonders beim jungen Publikum aufgrund ihrer Social-Media-Aktivitäten populäre Kanadierin war beim Training umgeknickt. Was zunächst als mindere Blessur angesehen worden war, entpuppte sich im Verlauf des Montags als Bänderanriss am rechten Sprunggelenk.
Bouchard reist trotz der Verletzung zu den am Sonntag beginnenden French Open nach Paris, aber ihre Chancen auf einen Start beim Grand-Slam-Turnier schätzte die Blondine Turnierdirektorin Sandra Reichel gegenüber realistisch ein: „Must happen a miracle“ (Da muss ein Wunder geschehen).
Da tat es dem nach fünf Jahren in Nürnberg gut etablierten Turnier gut, dass die an Nummer 1 gesetzte Kiki Bertens trotz des überraschenden Halbfinaleinzug in Rom ihre Startzusage eingehalten hat. Die Titelverteidigerin aus den Niederlanden (Weltrangliste 19) hatte zum Auftakt gegen die deutsche Nachwuchsspielerin Katharina Gerlach nur ein besseres Trainingsmatch (6:2, 6:1). An diesem Mittwoch trifft sie auf Annika Beck, eine von noch fünf verbliebenen deutschen Spielerinnen.