
Auf den ersten Blick sieht dieses Zimmer mit dem schwarzen Sofa, dem Schreibtisch und dem Fernseher wie das eines jeden anderen Jugendlichen aus. Bei genauerem Betrachten fallen jedoch die zahlreichen ausgedienten Fußballschuhe, die fein säuberlich aufgereiht an der Wand stehen, vor allem aber die Bilder neben dem Bett auf: Spielszenen mit und Jubelbilder von Lennart Karl im Trikot des FC Bayern München und der Jugend-Nationalmannschaft.
Wir befinden uns in Frammersbach im Zimmer des 16-jährigen Lennart Karl, der seit zweieinhalb Jahren seinen Traum lebt, beim Fußball-Rekordmeister in München unter Vertrag steht und seither im Internat des FC Bayern wohnt. An diesem Freitagabend Anfang Januar hat der Frammersbacher gerade seinen Koffer gepackt, zwei Wochen Ferien bei der Familie und bei Freunden liegen hinter ihm, am nächsten Morgen geht es an den DFB-Campus nach Frankfurt und von dort zum Trainingslager nach Spanien, wo es vor allem um die Vorbereitung auf den Algarve-Cup und die EM-Quali geht.
"Es war super, ich habe jeden Tag etwas mit Freunden unternommen", berichtet Lennart Karl, dessen Terminplan letztmalig Anfang August einen viertägigen Aufenthalt in der unterfränkischen Heimat zugelassen hatte, von den zurückliegenden Tagen. Vor allem mit seinem besten Kumpel seit Kindheitstagen sei er unterwegs gewesen. Aber auch die Zeit mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Vincent habe er genossen. "Alles war relativ entspannt", zeigt sich der 16-Jährige gelassen.
In München gibt es einen festen Tagesablauf
Im Gegensatz zu seinem sonst üblichen und genau durchgetakteten Tagesablauf mit Aufstehen um 7.15 Uhr, Frühstück, Schule, Mittagessen, Einzeltraining am Nachmittag und dem zweistündigen Mannschaftstraining am frühen Abend, konnte es der Bayern-Nachwuchsspieler in den Ferien mal relativ gelassen angehen. Nach einwöchiger Pause startete er am 28. Dezember mit dem vom Trainingsplan vorgegebenen Lauftraining, zwischendurch hatte Papa Steffen Aloe für die beiden Söhne ein Individualtraining mit einem befreundeten Coach organisiert.

Seit Juli 2022 lebt der offensive Mittelfeldakteur, der zuvor bei Eintracht Frankfurt und Viktoria Aschaffenburg ausgebildet wurde, im Norden von München – beim Einzug in das Internat am Bayern-Campus war er gerade einmal 14 Jahre alt. "Heimweh hatte ich nie. Klar war es anfangs etwas ungewohnt, aber nach zwei bis drei Wochen hatte ich mich eingelebt", erinnert sich der U17-Spieler mit einem Lächeln an die Anfänge in der bayerischen Landeshauptstadt.
Es gebe zwar einen Betreuer für die Spieler im Internat, der sich beispielsweise um Arzttermine kümmere und mit dem sich Karls Mama Caro anfangs auch wöchentlich am Telefon ausgetauscht hat. Das Organisieren des Schulalltags und das Wäschewaschen zählte jedoch von Beginn an zu Lennarts Aufgaben. "Mittlerweile ist das kein Problem mehr", erklärt er, der im vergangenen Sommer den Quali geschafft hat und nun auf dem Weg ist, die Mittlere Reife abzulegen.
Fünfmal hat Lennart Karl schon bei den Profis trainiert
Der zurückhaltende Frammersbacher freut sich, dass sein derzeitiger Klassenlehrer voll hinter ihm stehe, beispielsweise wenn es um eine Befreiung von der Schule gehe. Denn gerade, wenn der 16-Jährige, wie in der Vergangenheit üblich, einen Tag vorher erfährt, dass er am nächsten Tag bei den Profis mittrainieren darf, muss er selbst die Unterrichtsbefreiung sowie die Fahrt zum Trainingsgelände organisieren.
Immerhin benötige er eine Stunde, um von der Schule an die Säbener Straße zu kommen, müsse aber bereits um 12.15 Uhr dort sein, um dann pünktlich um 13.30 Uhr auf dem Trainingsplatz zu stehen. Wie kann man sich das vorstellen, solch ein Training mit den Bayern-Stars? "Es gibt schon ein paar Profis, die beim Training auch mit uns Jugendspielern reden", weiß er aus Erfahrung. Fünfmal schon war er zu einer solch begehrten Trainingseinheit eingeladen.
Die Leistungen des 16-Jährigen, der in der aktuellen Spielzeit in nur 14 Spielen schon 23 Treffer für den Tabellenführer der DFB-Nachwuchsliga erzielt hat, ließen jüngst immer wieder aufhorchen. Neben zahlreichen anderen Spielerberater-Agenturen meldete sich vor knapp einem Jahr auch Michael Ballack bei der Familie von Lennart Karl. Nach einem knapp dreistündigen Gespräch am Esszimmertisch in Frammersbach waren die Eltern und auch Lennart Karl überzeugt, dass der frühere Kapitän der Nationalmannschaft genau der richtige Berater für den Mittelfeldakteur sei.
Der Vertrag in München läuft noch bis Mitte 2026
"Bei den Spielen ist er ab und zu vor Ort, ansonsten gibt er mir Tipps am Telefon", berichtet der 16-Jährige über die äußerst gut harmonierende Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Weltstar. Auf die Gerüchte angesprochen, dass bereits ausländische Vereine wie Real Madrid und Ajax Amsterdam Interesse an ihm bekundet hätten, reagiert der Frammersbacher gelassen: "Das interessiert mich derzeit nicht."
Sein erster Ansprechpartner sei der FC Bayern, bei dem er für die nächsten eineinhalb Jahre noch unter Vertrag steht. Sehr konkret wird er, der Lionel Messi als großes Vorbild nennt, bei der Frage nach seinen Zielen: "Ich will es bei den Bayern schaffen", betont er, ist sich jedoch durchaus bewusst, dass es kein einfacher Weg ist, diesen Traum zu verwirklichen. "Dann muss ich eben besser als alle anderen sein", zeigt sich das äußerst zielstrebige Nachwuchstalent selbstbewusst.