Für die meisten Menschen ist es schier unvorstellbar, einen Marathon zu laufen. Erst recht einen Ultramarathon, bei dem die Laufstrecke länger als die übliche Marathondistanz von 42,195 Kilometern ist. Schon gar nicht sechs Tage in Folge. Und dann auch noch in der Wüste bei sengender Hitze.
Die aus Birkenfeld im Landkreis Main-Spessart stammende Sandra Wukovich hat einen solchen Ultramarathon, den "Marathon des Sables 2019", im April auf sich genommen – und schwärmt noch jetzt davon. "Ich bin immer noch dabei, das Erlebte zu verarbeiten – von der Vorbereitung bis zum letzten Tag", erzählt Wukovich, die es vor 21 Jahren studienbedingt nach Niedersachsen verschlagen hat, voller Begeisterung.
Die studierte Grafikdesignerin lebt in Wolfsburg, wo sie mit ihrem Geschäftspartner Joachim Franz die Abenteuerhaus GmbH leitet und ehrenamtlich weltweit große Expeditionen im Kampf gegen Aids organisiert. Doch wie kommt man auf die Idee, 250 Kilometer in sechs Etappen in der marokkanischen Sahara zurückzulegen? "Nachdem ich vor sieben Jahren an einer Auto-Rallye durch die Wüste teilgenommen habe, um auf das Thema HIV und Aids aufmerksam zu machen, war es mein großer Wunsch, in die Wüste zurückzukehren", erinnert sich die 46-Jährige an die ersten Pläne im vergangenen Sommer.
Und da sie vor drei Jahren begonnen hat, Ultramarathonläufe zu absolvieren, sprich Strecken von 56 bis 90 Kilometern zurückzulegen, überlegte sie, wie sie ihre Leidenschaft damit verbinden könnte, um für den Verein "Be Your Own Hero" Spendengelder zu sammeln. Der Wolfsburger Verein unterstützt ein Projekt der Medizinischen Hochschule Hannover, das rund 70 HIV-positive Kinder in Deutschland betreut und ihnen Ferienfreizeiten ermöglicht.
"Mein Ziel war es, 25 Unternehmen zu finden, die jeweils 1000 Euro spenden", erklärt Wukovich. Nachdem sie am 1. Dezember 2018 ihr Projekt vorgestellt hatte, waren bis Weihnachten bereits 10000 Euro eingegangen, zum Start im April belief sich die Summe bereits auf rund 18000 Euro. Neben dem Sammeln der Spendengelder galt es für die Fränkin vor allem, sich auf den Marathon vorzubereiten.
"Solch ein Lauf ist eben nicht nur ein Lauf. Die wesentlich größere Herausforderung ist es, die Trainingszeit zu überstehen", erklärt sie und fügt an, dass es nicht nur gelte, die Einheiten in das normale Leben mit einzuplanen, sondern sich auch vom Kopf her darauf einzulassen. Denn bei einem normalen Marathon laufe man seine 42 Kilometer, freue sich bei der Ankunft und feiere. Doch in ihrem Fall musste sie sich darauf vorbereiten, an sechs Tagen zwischen 32 und 78 Kilometer zu laufen und täglich das Start- und Zielbanner zu passieren.
"Dazu kommt noch, dass es kein vergnüglicher Stadtlauf, sondern der Untergrund steinig oder sandig war und es Berge und Felsen zu überwinden gab", gibt sie zu bedenken. Eine weitere Herausforderung sei das Gepäck gewesen. In einem Rucksack, der mindestens 6,5 und maximal 15 Kilogramm schwer sein durfte, musste sie ihre Ausrüstung für die komplette Woche beim Lauf mittragen. Um Gewicht zu sparen, hatte sie nur eine Laufgarnitur dabei und schnitt sich beispielsweise ihre Schlafmatte zurecht, damit diese von der Breite genau für ihren Körper passte und die Oberschenkel noch darauf Platz fanden.
"Mein absoluter Luxus waren vier Paar Socken und eine Salbe, denn meine Füße sind mir heilig", verrät sie. Zum Schutz vor Sand hatte sie sich bereits Gamaschen an die Schuhe genäht. Rund drei Liter Wasser hatte sie im Rucksack dabei, alle zehn Kilometer war eine Wasserversorgungsstation eingerichtet. Ihre Schlafstätte war ein Berberzelt auf steinigem Boden, ausgelegt mit einem spärlichen Teppich und an zwei Seiten offen.
Einmalige Erlebnisse
"Ich hatte großartige Zeltkumpanen", schwärmt Wukovich, die mit vier Männern untergebracht war. Überhaupt habe sie in dieser Zeit zahlreiche großartige Menschen aus aller Herren Länder kennengelernt. So begleitete sie beispielsweise am zweiten und dritten Tag einen blinden Läufer aus Amerika, dessen Lauftempo sie sich angepasst habe: Sie sei mit ihm nur relativ schnell gewalkt.
Am vierten Tag habe sie eine "fiese Magenverstimmung" erwischt. "So etwas macht man mit sich selber aus." Und was war das schönste Erlebnis? "Jeder Tag war anders, und jeder Tag war besonders. Das größte Geschenk war, zu sehen, wie großartig die Menschen sind", erzählt sie voller Dankbarkeit. Als größten Luxus empfand sie den Umstand, dass kein Telefon bimmelt. "Man läuft einfach von A nach B. Gerade das Reduzieren genießt man, wenn man sich darauf einlässt", so Sandra Wukovichs Fazit.
Die Birkenfelderin läuft zwar inzwischen wieder, Pläne für ein neues Projekt hat sie jedoch noch nicht geschmiedet. Dazu sei es derzeit noch zu früh: "Ich bin immer noch dabei zu realisieren, was ich geschafft und geleistet habe."