Wenn er in den vergangenen Jahren im Trikot des Würzburger FV auf dem Platz stand, stellte er die Gegner regelmäßig vor große Schwierigkeiten. Adrian Istrefis feine Ballbehandlung ist im Amateurfußball ein wahrer Hingucker, seine Pass- und Schussgenauigkeit auf mehr als einem beachtlichen Level. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich so einen Spieler auf gehobenen Regionalliga-Niveau oder gar in höheren Sphären vorzustellen.
Im vergangenen Sommer wollte der Mittelfeldspieler noch einmal richtig angreifen. Vom Würzburger FV ging es nach vier Bayernliga-Spielzeiten zum damals amtierenden bayerischen Amateurmeister VfB Eichstätt in die Regionalliga Bayern. Jetzt, zwölf Monate später, muss man mindestens zwei Mal hinhören, wenn man die neueste Meldung über Istrefi mitbekommt. "Ja, da haben sich viele gewundert", sagt der 27-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Istrefi wechselt in die Bezirksliga zum TSV Lohr. Dem Dritten der Bezirksliga Unterfranken West kann man freilich zu einem Coup gratulieren.
Aber bei allem Respekt vor dem Verein: Muss man sich Sorgen um einen der begabtesten Fußballer aus der Region machen? Bei einem Espresso in der Lohrer Innenstadt wiegelt Adrian Istrefi ab. Er lacht viel und erzählt locker über sein "neues Leben". Er weiß, dass die Fußballszene in der Umgebung hören möchte, warum es ihn im allerbesten Fußballeralter plötzlich tief in den Freizeitfußball verschlägt.
Seine Frau begleitete ihn nach Oberbayern
Ihm geht es gut. Vermutlich so gut wie noch nie. Vor zwei Wochen wurde er erstmals Vater. "Das verändert einiges", sagt er mit funkelnden Augen. Das Abenteuer im oberbayerischen Eichstätt, über 200 Kilometer weg von seinem Heimatort Gemünden, passte da nicht mehr so recht dazu. Erstmals zog er für den Fußball weiter weg. Seine Ehefrau, eine gebürtige Höchbergerin, begleitete ihn dorthin.
Aber jetzt als kleine Familie wollten die beiden zurück ins heimische Umfeld zur restlichen Familie und den Freunden. Die lange coronabedingte Pause beschleunigte den Entschluss. "Der Verein hatte Verständnis dafür", berichtet er. Eigentlich wäre sein Vertrag beim VfB, für den er 14 Spiele bestritt und ein Tor machte, noch bis 2021 gelaufen. Die Vertragsauflösung und die geplante Rückkehr nach Unterfranken sprach sich schnell bei den Vereinen herum. Mit dem Regionalligisten TSV Aubstadt war er sich eigentlich schon handelseinig. Doch die Fortsetzung der Saison im bayerischen Amateurfußball warfen die Planungen der Rhön-Grabfelder durcheinander und der Wechsel platzte.
Die weite Fahrerei dorthin und das häufige Training wären wahrscheinlich auch gar nicht der richtige nächste Schritt im "neuen Leben" gewesen. "Die Prioritäten haben sich bei mir verschoben. Ich möchte einfach mehr Zeit mit meiner Familie verbringen", erklärt er: "Fußball ist nur noch an dritter Stelle. Nach Familie und Beruf."
Und da kam der TSV Lohr ins Spiel. Mit den Vereinsverantwortlichen stand er schon in den vergangenen Jahren immer mal wieder im Kontakt. Vor allem vor ein paar Jahren, als der WFV kurz vor der Pleite stand, wurde es mal heiß. Jetzt hat es geklappt. Nur noch zweimal die Woche Training und drei Spielklassen tiefer - klingt nach einem radikalen Schnitt in der Fußballerkarriere, die sogar ein Profijahr bei den Würzburger Kickers in der Saison 2014/15 unter Bernd Hollerbach umfasst. Da schnupperte er mal nah an der Profikarriere.
Ein Innenbandriss im Knie eine Woche vor Saisonstart bremste ihn damals aus. "Davor war ich eigentlich gut dabei", erinnert sich. Als er nach seiner Verletzung zurückkam, gewann die Mannschaft seit Wochen Spiel um Spiel und Hollerbach sah keinen Grund für größere Wechselspielchen. "Das zeigte mir damals, dass das sportliche Können für eine Profilaufbahn alleine nicht reicht. Da gehört viel dazu. Du musst verletzungsfrei bleiben und auch sonst muss viel passen." Dem großen Traum wollte er nach dem Jahr unter Profibedingungen am Dallenberg, trotz Angeboten anderer Vereine, nicht weiter hinterherrennen, setzte stattdessen ganz solide auf eine Ausbildung zum Automobilkaufmann. "Ich wollte keiner sein, der dann mit 32 Jahren mit gar nichts dasteht, wenn es mit dem Fußball mal vorbei ist."
Der Hausbau steht an
Von seiner damaligen Entscheidung, zudem ihm auch seine Eltern rieten, profitiert er heute. In Gemünden hat er schnell eine neue Arbeitsstelle gefunden. Im kommenden Jahr möchte die junge Familie Istrefi voraussichtlich in Höchberg ein Haus bauen. Und auf dem Platz geht es im September beim TSV Lohr weiter. "Ich will trotzdem noch erfolgreich spielen", kündigt er an: "Ich spiele bestimmt nicht Fußball, um etwas Sport zu machen. Wenn ich auf dem Platz stehe, will ich gewinnen. Egal in welcher Liga." Lohr könnte in der Saisonfortsetzung noch ein Wörtchen um den Aufstieg mitspielen, außerdem geht es auch um den Einzug in den Toto-Pokal.
Istrefi schätzt die Situation aber auch so realistisch ein, dass es wohl schwierig wird, nach dem Schritt zurück irgendwann noch einmal höherklassig anzugreifen. "Nach der langen Pause will ich mich jetzt erstmal weiter fit halten und wieder den Spaß am Fußball bekommen." Abschreiben sollte man einen Kicker mit Istrefis Qualitäten aber freilich nicht vorschnell. Jetzt wird er erstmal seine Gegner in der Bezirksliga vor gewaltige Probleme stellen.