
Afrika oder Asien? Oder weiter Australien? Zwischendurch sah es quasi nach der Arktis aus, doch nun hat der Karlstädter Fußball-Weltenbummler Thilo Wilke zumindest ein Zwischenziel gefunden. Und zwar im Allgäu: Der einstige Landesliga-Kicker, der unter anderem für die FT Schweinfurt und den TSV Abtswind aktiv war, hat beim FC Memmingen unterschrieben.
Ob sein Traum, auf allen Kontinenten Fußball gespielt zu haben, noch wahr wird? Das steht in den Sternen. "Man soll niemals nie sagen. Afrika und Asien fehlen mir ja noch", sagt Wilke. "Auch wenn ich mir vielleicht vorstellen kann, diese Abenteuer später auch mal als Trainer anzugehen, im Moment muss das hinten anstehen." Denn erst mal will sich der 29-jährige hierzulande überregional einen Namen machen. Er soll den derzeitigen Vorletzten der Regionalliga Bayern zum Klassenerhalt führen. "Ich hatte auch Angebote aus der Regionalliga West und Nordost, aber in Memmingen hat mir das Gesamtpaket am besten gepasst."
Wilke will's ruhiger angehen lassen
Zudem möchte der gebürtige Karlstädter nach seinem vierjährigen Auslandsabenteuer sesshaft werden. "Ich glaube schon, dass ich noch bis 34 oder 35 auf hohem Niveau auf dem Platz stehen kann. Aber die Zeiten des Profi-Fußballs sind jetzt erst mal vorbei, ich will mich nebenbei auch um meine berufliche Zukunft kümmern." Zumal sich Wilke vorstellen könnte, dauerhaft im Allgäu zu leben. "Es ist einfach herrlich hier." Wobei der frühere Schweinfurter seine Zukunft eher als Trainer sieht. "Am liebsten würde ich als Individualcoach arbeiten. Das habe ich in Australien schon gemacht, auch hier leisten sich das immer mehr der großen Profi-Vereine." Wegen seines betriebswirtschaftlichen Uni-Anschlusses könnte er sich aber auch einen Posten im Management vorstellen.
Auf jeden Fall könne er reichlich internationale Erfahrung mitbringen. Erst hatte Wilke in den USA zwei Jahre College-Fußball an der Shaw University in Raleigh (North Dakota) gespielt, war dort sogar Kapitän. In den Sommerferien kickte der Unterfranke dann in der dritten amerikanischen Liga, einmal in Rochester (Minnesota) dann in Palm Beach (Florida). Nach dem Uni-Abschluss zog es ihn nach Adelaide zum südaustralischen Zweitligisten Para Hills Knights. Eine große Liebe - nicht nur, weil Wilke dort in seiner ersten Saison als offensiver Mittelfeldspieler gleich mit dem Goldenen Ball als bester Torschütze ausgezeichnet wurde - er war auch Jugendkoordinator. "Ich hatte neben dem Fußball viel Zeit, da habe ich mich um den Nachwuchs gekümmert, das hatte vor mir noch kein fremder Spieler getan." Mit weiterem Individualtraining besserte der Ex-Abtswinder sein Salär auf.
Im Herbst 2019 zog es den Weltenbummler weiter nach Neuseeland zu Erstligisten Hamilton Wanderers. Dort trainierte er unter einer neuseeländischen Fußball-Legende: Ricki Herbert, Ex-Nationaltrainer, der die "Kiwis" 2010 zur WM geführt und dort sogar Italien ein Remis abgetrotzt hatte. "Das war wirklich ein beeindruckender Coach, unter dem ich in der kurzen Zeit viel gelernt habe", so Wilke. "Überhaupt habe ich von überall etwas mitgenommen: In den USA geht es sehr athletisch zu, in Neuseeland zählt nur die Offensive, die Australier bevorzugen ein sehr physisches Spiel, während wir in Deutschland Wert auf Technik und Taktik legen." Mit diesen Erfahrungen traut er sich nun zu, im jungen Memminger Team eine Führungsrolle zu übernehmen.
Wechsel nach Finnland stand kurz bevor
Nach sieben Partien war allerdings in Hamilton Schluss, obwohl Wilke immer spielte. "Mit dem Verein war alles in Ordnung, aber irgendwie war der Lebensstil nicht meins." Nun, Para Hills nahm den Deutschen sofort wieder mit Handkuss - bis Corona kam und nach dem 14. März auch in Adelaide der Spielbetrieb ruhen musste. "Der Verein hat sich sehr um mich gekümmert, auch das Gehalt weiter gezahlt." Weil es in Australien nicht ganz so streng zuging wie in Bayern konnte Wilke weiter mit Mannschaftskollegen - und vor allem dem Nachwuchs - trainieren. Zudem heiratete der 29-jährige im Juni in Australien seine amerikanische Freundin Anna, die er während des Studiums kennengelernt hatte. Die Wissenschaftsjournalistin kann überall arbeiten, wo es einen Internetanschluss gibt und will nun am 15. August nach Memmingen nachkommen.

Um ein Haare Wilke übrigens nicht im Allgäu, sonder nahe der Arktis gelandet: Mit einem finnischen Drittligisten aus Oulu, der nördlichsten Großstadt der EU, war schon beinahe alles klar. "Doch die Flugverbindungen aus Adelaide waren wegen der Pandemie so katastrophal, das wäre gar nicht gegangen." So schlägt er also das nächste Kapitel in der Regionalliga auf. Der Vertrag in Memmingen gilt erst mal bis Saisonende mit einer Option für eine Verlängerung. Wie es dann weitergeht, steht für den Weltreisenden noch völlig in den Sternen. "Natürlich möchte ich mir gerne in der Heimat was aufbauen. Aber wer weiß?"