Sein letztes Fußballspiel beginnt Arno Oppmann, wie er alle seine Spiele begonnen hat: Er wärmt seinen Körper intensiv auf. Dehnübungen. Dauerlauf. Dann ein paar Sprints. Er wüsste nicht, wieso er das mit 65 Jahren ändern sollte.
Der Himmel über Erlabrunn (Lkr. Würzburg) ist dunkel. Regenwolken hängen tief und schwer über dem Volkenberg. Die Alten Herren sind in vielen Vereinen das Austragsstüberl verpasster Fußballkarrieren. Das Trikot spannt. Die Schritte mühsam. Die Luft knapp. Anders Arno Oppmann. Er ist auch in seinem Abschiedsspiel fit. Fitter als viele Jüngere. Noch einmal ist er als Libero der Dirigent, der er immer war. Sein Stellungsspiel, sein Auge, seine Ruhe am Ball, seine spieleröffnenden Pässe, das alles prägte sein Spiel. "Kaiser" nannten sie ihn manchmal draußen auf der Tribüne in Erlabrunn. "Kaiser" als kleine Anspielung auf Franz Beckenbauer.
Noch heute schwärmen sie in Erlabrunn vom Aufstieg 1986
Als Arno Oppmann seinen Entschluss gefasst hatte, aufzuhören, haben seine Kollegen dieses Spiel organisiert: TSV Erlabrunn gegen die Würzburger Kickers. Heimatverein gegen Herzensverein. Für die Kickers hat Arno Oppmann um die 500 Spiele absolviert, darunter 27 in der Zweiten Bundesliga in der Saison 1977/78. Den Dorfverein TSV Erlabrunn hat er 1986 nach seiner Rückkehr vom Dallenberg als Spielertrainer zum bis dahin größten Erfolg in der Vereinsgeschichte geführt: den Aufstieg in die A-Klasse (heute Kreisliga). Noch heute schwärmen sie in Erlabrunn von der Meisterfeier, als die Mannschaft auf einem Bulldog durch den Ort gefahren ist.
1990 beendete Arno Oppmann die aktive Karriere und wechselte zu den Alten Herren des TSV, denen er bis heute als Spieler treu blieb. 32 Jahre lang. Mehr als 400 Spiele. Nur einmal gab es ein Kurzcomeback, als er 2006 als 49-Jähriger als Spielertrainer einsprang und den TSV Erlabrunn im Entscheidungsspiel gegen Unteraltertheim vor dem Abstieg aus der Kreisklasse bewahrte. Zusammengerechnet dürfte er mehr als 1000 Einsätze haben. "Ich hatte auch Glück, dass ich nie eine ernsthafte Verletzung hatte, obwohl ich nie einen Zweikampf gescheut habe", sagt Arno Oppmann.
Als Jungspund stieg Oppmann bei den Kickers zum Stammspieler auf
Ein heißer Julinachmittag, zwei Tage vor dem Abschiedsspiel. Arno Oppmann sitzt auf seinem Balkon in Erlabrunn. Er bietet Apfelsaft aus eigenen Früchten an, "der schmeckt einfach besser". Seit wenigen Monaten ist er Rentner. Als gelernter Sozialversicherungskaufmann arbeitete er für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft in Würzburg, war zuletzt Verwaltungsdirektor und Personalchef. Vor ihm auf dem Tisch liegt aufgefächert sein Fußballerleben. Zeitungsausschnitte, Stadionhefte, Schwarz-Weiß-Bilder.
Mit jeder Überschrift, mit dem jedem Foto kehrt eine Erinnerung zurück. "Es war eine tolle Zeit", sagt Oppmann. Natürlich war das Highlight die Zweitliga-Saison mit den Kickers 1977/78, in der er als 18-jähriger Jungspund nach acht Niederlagen am neunten Spieltag ins Team kam – und zum Stammspieler avancierte. Den Abstieg konnte auch er nicht verhindern, aber vor allem dieses 3:0 gegen den 1. FC Nürnberg bleibt haften. Arno Oppmann vor knapp 10000 Zuschauern gegen Spieler wie Horst Weyrich oder Norbert Eder, der 1986 mit der Nationalmannschaft Vizeweltmeister wurde. Ein Tor hat der Abwehrspieler in seinen 27 Zweitligaeinsätzen erzielt. "Darauf bin ich schon ein wenig stolz", sagt der 65-Jährige.
Die Zeit bei den Kickers war vor allem auch eines: entbehrungsreich. Während seine Altersgenossen aus Erlabrunn in die Disco und auf Feste gingen, trainierte und spielte Arno Oppmann Fußball. Und absolvierte nebenbei seine Ausbildung. Einen Profivertrag lehnte er ab. "Ich war schon immer ein sicherheitsorientierter Mensch." Also arbeitete er tagsüber, und am Abend trainierte er.
Arno Oppmanns Markenzeichen war sein Ehrgeiz
Dass er bei den Kickers gelandet war, war nicht geplant. Aber oft sind es ja die kleinen Zufälle, die ein Leben in große Bahnen lenken. Wer weiß also, wie die Sport-Karriere von Arno Oppmann verlaufen wäre, wenn nicht der Erlabrunner Siegfried Muth beim Flurbereinigungsamt in Würzburg gearbeitet hätte. Seine Kollegin dort war die Ehefrau von Heiner Stahl, in den 70er Jahren der Jugendverantwortliche der Würzburger Kickers.
So drang irgendwann ins Wohnzimmer der Stahls die Kunde, dass da in Erlabrunn ein Jugendlicher kickt, der außergewöhnlich gut ist. "Ja, und dann", sagt Arno Oppmann heute, 50 Jahre später, "stand plötzlich der Heiner Stahl bei meinem Vater im Hüttental im Weinberg und sagte zu ihm, dass mich die Kickers gerne in ihre Jugendmannschaft holen möchten."
Als Kinder roxten sie auf der Ochsenwiese und auf dem Kirchplatz
Anfang der 70er Jahre war die Zeit, in der Fußball noch ein Kinderleben ausfüllte. "Ich habe jede freie Minute auf dem Fußballplatz verbracht", sagt Oppmann. Schule und Fußball. Das war’s. Sie roxten unten am Main, wo immer ein Kahn bereitlag, um die Bälle wieder aus dem Wasser zu fischen, und auf der Ochsenwiese. Und abends, wenn die Dämmerung schon hereingebrochen war, ging’s hinten auf dem Kirchplatz weiter. Am Wochenende dann hat er in der Jugendmannschaft des TSV den Gegnern die Bude vollgezimmert.
Die Kickers also. Als Vater Lothar vom Weinberg und dem Treffen mit Heiner Stahl nach Hause kam, sagte er: "Wenn du willst, mach’s." Beim Heimatverein TSV Erlabrunn dagegen waren sie skeptisch: "Du glaubst doch nicht, dass du bei den Kickers eine Chance hast", sagte der Lubber, der damals TSV-Vorsitzender war. Die Kickers waren eine Nummer. Bayernliga! Dritthöchste Klasse. Lubbers Satz bewirkte das Gegenteil. Arnos Antwort lautete: "Jetzt erst recht! Euch zeig' ich’s."
Die Kickerself von damals trifft sich noch heute regelmäßig
Der 15-Jährige ließ erstmals einen Wesenszug aufblitzen, den er bis heute in sich trägt: Ehrgeiz. Viele nennen das Wort, wenn sie Arno Oppmann beschreiben sollen. Sein Sohn Mario etwa. Oder Thomas Wedel, der frühere Kickers-Torwart und Mannschaftkollege. 1981 wären die Würzburger Kickers mit Arno Oppmann als Kapitän fast noch mal in die Zweite Bundesliga aufgestiegen. Spehnkuch, Eichelbrönner, Nusko, Wilsing, vielen Fußball-Fans sind die Namen ein Begriff. Bis heute hat diese Mannschaft noch regelmäßig Kontakt, unterhält eine Whatsapp-Gruppe. "Das ist schon außergewöhnlich", sagt Wedel. Wer immer bei den Treffen dabei ist: Arno Oppmann.
"Er hatte einen absoluten Siegeswillen", sagt Armin Benkert, der in Erlabrunn unter Trainer Arno Oppmann spielte. "Seine Leidenschaft, seine Disziplin und Zuverlässigkeit waren überragend." Es waren die 80er Jahre, und Fußballspieler trugen Vokuhilas auf dem Kopf und Cowboystiefel an den Füßen. Wenn in Erlabrunn von einem Pokal die Rede war, war meist der Zwei-Liter-Stiefel aus Glas gemeint, der mit Bier gefüllt wurde und im Sportheim nach den Spielen reihum ging.
Doch dann war da plötzlich einer, der machte Ernst: Unter Arno Oppmann lernten die Spieler Begriffe wie Cooper-Test kennen. Reihenweise übergaben sich die Dorfkicker nach diesem Ausdauertest in die Büsche hinterm Trainingsplatz. "Er hat unsere Mannschaft im taktischen Bereich wesentlich verbessert", erinnert sich Benkert: "Jede Trainingseinheit war sehr gut vorbereitet, jede Mannschaftsbesprechung hat uns begeistert." Arno Oppmann sagt heute dazu: "Nur über Disziplin kommst du zum Erfolg."
Oppmanns Partykeller könnte viele Geschichten erzählen
Dabei konnte er auch feiern, oft lud er das Team zu sich in den Partykeller ein. "Die Kameradschaft steht bei Arno ganz oben", sagt der Erlabrunner und AH-Kollege Andreas Mahler, der Anfang der Nullerjahre beim Würzburger FV selbst viertklassig spielte in der Bayernliga. "Er ist nicht nur ein feiner Fußballer, sondern vor allem ein feiner Mensch."
Über 1000 Spiele für zwei Vereine. Es war auch die Heimatverbundenheit, die Arno Oppmann nie nochmal hat wechseln lassen. Als Vertragsamateur bei den Kickers hatte er ein Angebot des Bundesligisten Kickers Offenbach. Er hat hat es abgelehnt. "Ich habe es nicht bereut", sagt er.
Im Abschiedsspiel in Erlabrunn läuft die 25. Minute. Für Arno Oppmann ist es die letzte in seinem Fußballerleben. Auswechslung. Viele frühere Weggefährten sind gekommen. Seine Frau Ruth ist auch da, der Sohn, die beiden Enkelkinder. Und Bürgermeister Thomas Benkert, der früher im Tor stand. Dann bilden die Mannschaftskollegen der Kickers und des TSV ein Spalier. Unter Applaus geht Arno Oppmann vom Rasen.
"Danke", sagt er, "das war's."
Ob er wohl heute noch regelmässig die Spiele der Kickers besucht ?
Da müsste man jedem, der mit 65 noch seinem Hobby nachgeht, Respekt zollen. Zuviel des Guten, oder ...
Dass er sich noch regelmäßig Kickers-Spiele anschaut, glaube ich nicht. Denn ansonsten wäre er nicht mehr so fit, weil Kickers-Spiele machen auf Dauer trübsinnig.
.......... 2.Abschnitt: gebe ich Ihnen Recht👍