
Es gab Zeiten, da wurden Übungsleiter, die Technik als Hilfsmittel einsetzten, argwöhnisch beäugt. Der frühere Fußball-Nationalspieler und ehemalige Fernseh-Kommentator Mehmet Scholl spottete einst über die "Laptop-Trainer", die seiner Meinung nach einen ziemlich sinnlosen Firlefanz veranstalteten. Allerdings ist Scholl mittlerweile 49 Jahre alt und in einer Zeit groß geworden, als Telefone noch Wählscheiben hatten und der Bundeskanzler Helmut Kohl hieß. Und natürlich verändern sich mit dem Fortgang der Zeit die Dinge. Auch die Art, in der trainiert wird, zählt dazu. Speziell jüngere Trainer zeigen da Offenheit für den Umgang mit neuer Technik und wissen, diese für ihre Arbeit zu nutzen.
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Einer von ihnen ist Maximilian Schmitt. Der 28-Jährige, der im zweiten Jahr Spielertrainer beim Handball-Bayernligisten TSV Lohr ist, hat diese Technik wie selbstverständlich in seine Arbeit integriert. Vor Jahresfrist bei seinem Amtsantritt hat er für die Spieler über den Verein Pulsuhren anschaffen lassen, über die seine Handballer bei Athletikeinheiten mit einer App Leistungsdaten übermitteln müssen. "Das dient zur Leistungsdiagnostik und auch zur Kontrolle, wenn die Spieler Hausaufgaben bekommen haben", berichtet Schmitt, der ein Sportstudium absolviert hat und heute Grundschullehrer im hessischen Flörsbachtal ist.
Doch nicht nur bei seinem Studium habe er Anregungen für seine Herangehensweise erhalten, sondern auch von seinem Trainerausbilder für den B-Schein, Matthias Obinger (früher für die DJK Rimpar Wölfe in der Zweite Liga tätig), und auch von Carsten Pusch, Fitnesscoach beim HSC Bad Neustadt. Für den HSC hatte Schmitt fast ein Jahrzehnt lang überwiegend in der Dritten Liga gespielt, in seiner Jugendzeit war der Lohrer im Handballleistungszentrum des damaligen Bundesligisten TV Großwallstadt ausgebildet worden.
Mogeln ist nicht möglich
Einerseits dient von Maximilian Schmitt angewandte System dazu, dass er kontrollieren kann, ob seine Spieler vorgegebene individuelle Einheiten korrekt absolviert haben. In der Zeit von Mitte Juni bis Mitte Juli mussten seine Handballer viel laufen, um Grundlagenausdauer zu erwerben. "Da sehe ich eben, ob einer nur 25 Minuten anstatt der vorgegebenen 40 gelaufen ist", so Schmitt, der zugibt, dass bei Verfehlungen auch schon einmal Sanktionen ausgesprochen wurden. Auch sei es nicht möglich, die Pulsuhr an einen anderen weiterzugeben, der stattdessen schwitzt, weil körperliche Parameter des Trainierenden eingegeben werden müssen, die den Sportler erkennbar machen.
Ein weiterer Punkt in den Trainingskonzept ist die Leistungsdiagnostik. "Optimal ist da natürlich, mit Laktattests zu arbeiten. Aber diese Möglichkeit steht uns eben nicht zur Verfügung", sagt Maximilian Schmitt, der aber glaubt, mit Pulsuhr und App eine gute Alternative gefunden zu haben. Als das Team Mitte Juli das Mannschaftstraining mit Intervallläufen auf der Tartanbahn begann, nahm er die Werte seiner Spieler auf und wertete sie anschließend am Laptop aus.
Individuelle Lösungen
Mit der Folge, dass seine Handballer im weiteren Fortgang der Vorbereitung auf die voraussichtlich Anfang Oktober beginnende Bayernliga-Saison individualisierte Trainingspläne erhalten. Das Ziel: Jeder soll in einem Bereich üben, der eine möglichst gute Trainingseffekt verheißt. Mit der Konsequenz, dass leichtere Spieler zum Beispiel mehr Intervalle laufen müssen als schwerere. Es soll möglichst weder über- noch unterbelastet werden. Schmitt wertet die Daten regelmäßig aus, um daraus Schlüsse zu ziehen. Zum Beispiel, ob Umfänge erhöht werden müssen oder ob einmal eine Pause sinnvoll ist.
Vier Fragen an Maximilian Schmitt im September 2019
Auch nach dem Ende der Saisonvorbereitung werden Pulsuhr und App weiter zum Einsatz kommen: "Diese Art des Arbeitens gibt mir außerdem die Möglichkeit, mich in der Halle ganz aufs Handballerische zu konzentrieren, weil die Spieler ihre Läufe und ihre Einheiten im Fitnessstudio individuell absolvieren", sagt Schmitt, der auch stellvertretender Vorsitzender des unterfränkischen Handballverbandes ist. So komme es für sein Team unter dem Strich auch zu einer Steigerung des Übungsvolumens: "Es reicht eben heute in der Bayernliga nicht mehr, wenn du nur deine drei Hallentrainingseinheiten pro Woche absolvierst", ist Schmitt überzeugt.
"Anhand der Werte sieht man eben auch, wenn es Fortschritte gibt. Das motiviert die Jungs", bemerkt der Lohrer Trainer. Funktioniert hat das System zumindest in seiner ersten Runde als TSV-Coach: Die in den Jahren zuvor stets um den Klassenerhalt kämpfenden Lohrer wurden in der im Frühjahr wegen Corona abgebrochenen Saison Vierte und machten einen physisch starken Eindruck. Ein Umstand, durch den sich Maximilian Schmitt in seiner Herangehensweise bestätigt sieht. Auch wenn mancher Traditionalist noch immer über "Laptop-Trainer" spotten mag.