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Mit Gold aus Moskau zurück
Rudern Es ist heute auf den Tag genau 25 Jahre her, da bereitete die Stadt Marktheidenfeld ihren Ruder-Weltmeistern Dietmar Hamberger und Bruno Perner einen begeisterten Empfang.
Von unserem Mitarbeiter Raymond Roth
 |  aktualisiert: 07.09.2017 12:48 Uhr
Schätzungsweise über 1200 Menschen gratulierten auf dem überfüllten Marktplatz den Junioren-Weltmeistern im Zweier ohne Steuermann und ihrem Trainer Frieder Bock nach der Rückkehr aus Moskau.

Die beiden auch heute noch drahtig und agil wirkenden 42-jährigen, die sich von frühester Kindheit an gut kennen, seit 1974 zusammen rudern und heute augenzwinkernd davon sprechen, dass sie ihr damaliges Kampfgewicht seit diesem WM-Titel gerade mal um drei Kilogramm überschritten haben, waren damals auf der für die späteren Olympischen Spiele gebauten Regatta-Strecke der Konkurrenz weit davon gefahren. Die in der traditionellen Rudersprache Französisch verfasste Urkunde im Haus der RG Marktheidenfeld ist eine ebenso schöne wie schlichte Erinnerung an diesen Sieg am 18. August 1979, 1523 Uhr.

Kalter Krieg und frostige Stimmung

Reminiszenzen gibt es naturgemäß viele: zweimal täglich Training auch in Moskau, mit wenig Kontaktmöglichkeiten zu den anderen Sportlern, die alle im selben Hotel untergebracht waren, an kulinarische Katastrophen aus besagter Hotelküche, an frostige Funktionäre aus dem anderen Teil Deutschlands, die ihren Sportlern eine strikte Kontaktsperre, besonders zu den Sportlern aus der Bundesrepublik, verordnet hatten und an die Rolle der beiden Marktheidenfelder als heimliche Favoriten.

"Alles andere als ein Sieg wäre damals eine Enttäuschung gewesen", sagen sie, denn schon ihr dritter Platz ein Jahr zuvor in Bled/Jugoslawien ("Hier lagen wir in an der Spitze und wurden auf den letzten Metern regelrecht vom Wind verblasen") und verschiedene deutsche Meistertitel hatten ihr hohes sportliches Potenzial mehr als nur angedeutet. Dass die RGM damals auch einen schlagkräftigen Vierer aufbieten konnte (Perner/Hamberger plus dem heutigen RGM-Vorsitzenden Thomas Stamm und Gerhard Reichert), hatte man zu Gunsten des "Zweier ohne" hintangestellt.

Beobachter aus dem DDR-Team versuchten in Moskau bei jeder Trainingseinheit, alles über die Stärke des Marktheidenfelder Bootes herauszufinden. Die RGM reagierte mit Tricks: entweder legten sie bereits im Seitenkanal, der erst auf die eigentliche Rennstrecke führt (nach diesem Vorbild werden heute die meisten neuen Ruder-Rennstrecken angelegt) so richtig los. Oder sie starteten irgendwo zwischen den alle 250 Meter vorhandenen Strecken-Überspannungen, so dass sie die Zeitmessung für die Nachspionierer doch erheblich erschwerten.

Tarnen und Täuschen

"Wir durften in den Vorläufen nur nicht zu schnell sein, also höchstens Zweiter werden", was sie (mit viel schwächeren Zeiten als im Endlauf) dann auch schafften, einmal gegen das DDR-Boot (später Zweiter) und gegen Frankreich (später Dritter). "Durch die Art der Vorbereitung (siehe nebenstehender Text) waren wir auf den Sieg quasi programmiert."

Der fiel auch recht deutlich aus, denn Dietmar Hamberger erinnert sich an ein befreiendes Lachen mit Jubelschrei, den er schon nach der Hälfte der damals noch 1500 Meter betragenden Strecke ausstiess, und die eineinhalb Bootslängen ("wir machten nicht einmal einen Endspurt") mit fast drei Sekunden Vorsprung im Ziel.

Sie blieben ("ein bisschen Schiebewind hatten wir schon") mit 4:58.68 Minuten als einzige unter fünf Minuten und können stolz ergänzen, dass diese Zeit bis vor knapp neun Jahren nicht unterboten wurde, und erreichten mit ihrem Sieg das einzige Gold für das bundesdeutsche Team bei dieser WM. Danach berief man die beiden Talente auch in den Deutschland-Achter (siehe nebenstehender Text).

Bis 1985 blieben sie im Zweier zusammen, gewannen u. a. 1980 beim "Eichkranz" (so heißt die deutsche Meisterschaft der 19- bis 22-jährigen) den Vize-Titel, stellten dann aber das berufliche Fortkommen über den sportlichen Erfolg. Heute sind sie nach wie vor mindestens zweimal die Woche mit dem Boot draußen, engagieren sich für ihren Sport auch im "team-rowing" mit der Volkshochschule, und erinnern sich gerne an den großartigen Erfolg von Moskau.

Vielleicht ein bisschen verrückt

Trainer Frieder Bock, der Jahre vorher schon einen Vierer der RG Marktheidenfeld zur deutschen Meisterschaft geführt hatte und später zusammen mit dem Würzburger Lothar Freyeisen den Bayern-Express trainierte, brachte dies alles vielleicht am besten dadurch auf den Punkt, als er sagte. "Ich glaube, man muss dazu schon ein bisschen verrückt sein."

 
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