
Auf den Tribünen und zwischen den aufgestellten Stuhlreihen der Erlanger Emmi-Nöther-Halle haben sich die 1000 Zuschauer erhoben und spenden Applaus. Die Ovationen während des noch laufenden Badminton-Länderspiels Deutschland gegen Dänemark gelten einem Mann, den der Organisator und Hallensprecher, Heinz Bussmann, als „einen der ganz Großen“ seiner Sportart würdigt. Der Angesprochene steht unten auf dem grünen Court und winkt ins Publikum, während auf dem Feld nebenan sich noch vier Spielerinnen beim Frauendoppel den Federball um die Ohren hauen. Doch die ganze Aufmerksamkeit gilt einem, dessen Spiel gerade zu Ende ist. Michael Fuchs aus Lengfurt im Landkreis Main-Spessart ist dabei, dem aktiven Leistungssport Lebewohl zu sagen. Zwei Olympia-Teilnahmen, beinahe 100 Länderspiele, sieben deutsche Mannschaftsmeisterschaften mit dem BC Saarbrücken-Bismischeim sowie der Gewinn der Team-Europameisterschaft im Jahr 2013 sind lediglich Teile seiner sportlichen Vita.
Der 34-Jährige ist auf Badminton-Abschiedstour in Deutschland. Am Wochenende hatte er mit seinem langjährigen Doppelpartner Johannes Schöttler beim Grand-Prix-Turnier in Saarbrücken das Finale erreicht, in Erlangen absolvierte er am Donnerstagabend beim 0:5 gegen Serien-Europameister Dänemark sein letztes Länderspiel auf bayerischem Boden, tags drauf in Kaiserslautern stand dann der allerletzte Auftritt im Nationalteam überhaupt an (Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor).
Besuch vom TV Marktheidenfeld
Rührung oder Erleichterung darüber, dass die Ochsentour einer über ein Jahrzehnt währenden Badminton-Laufbahn sich dem Ende entgegen neigte, war Fuchs direkt nach seinem Spiel in Erlangen nicht anzumerken. Nachdem er mit Josche Zurwonne sein Match gegen die Dänen David Daugaard/Mathias Christiansen mit 14:21, 18:21 verloren hatte, wirkte er beinahe etwas zerknirscht. „Ich hätte gerne ein besseres Spiel gezeigt. Es war nicht schön anzuschauen“, gab der 34-Jährige nach seinem Auftritt zu bedenken. Doch der Unmut währte nicht lange an einem Abend, an dem Michael Fuchs viele Gespräche führte, zahlreiche Hände schüttelte und vom Autogramme schreiben beinahe wunde Finger bekam.
Vor dem Beginn des Partie war er noch, begleitet von zwei Nachwuchsakteuren seines Heimatvereins TV Marktheidenfeld, als Letzter in die Halle eingelaufen. Zum TVM war Michael Fuchs durch seinen Vater Karl gekommen. Der langjährige Badminton-Abteilungsleiter hatte seinen Sohn als Neunjährigen zum Sport mit dem Federball gebracht.
Die Teamkollegen des Lengfurters beim Länderspielabend im früheren Erlanger Brauereienviertel Bruck waren sieben bis 13 Jahre jünger als Michael Fuchs selbst, der Teil einer goldenen Generation im deutschen Badminton gewesen ist, die sich jetzt großteils aus dem aktiven Leistungssport zurückzieht. Nicht nur für den Lengfurter, sondern auch für seinen Doppelkollegen Johannes Schöttler und seine Mixed-Partnerin Birgit Michels ist nach den Olympischen Spielen im Sommer in Rio de Janeiro Schluss. Sie prägten ein Jahrzehnt, in der deutsche Teams zur europäischen Spitze zählten. Von der goldenen Generation ist nur noch der in Erlangen fehlende Einzelspezialist Marc Zwiebler übrig, aber auch der ist schon 32. „Die anderen konnten auch nicht dabei sein, weil sie berufliche Verpflichtungen hatten“, sagt Fuchs.
Dennoch ist ihm um die Zukunft seines Sports hierzulande nicht bange. „Wir hatten jetzt zwei oder drei richtig starke Spielergenerationen. Es sind Talente da, die sind vielleicht noch etwas jung. Aber in ein paar Jahren werden die international eine gute Rolle spielen“, erklärt der Sportwissenschaftler.
Neue Aufgabe als Schweizer Sportdirektor
Er selbst wird dem Badminton-Sport verbunden bleiben. Zwar nicht als Aktiver – und auch nicht in Deutschland. Seit 1. Oktober ist er Sportdirektor des Schweizer Badmintonverbandes und lebt mittlerweile in Bern. „Elite, Nachwuchs, Ausbildung“, so lauten seine Arbeitsschwerpunkte. „Ein großer Teil der Arbeit findet am Schreibtisch statt. Es geht auch darum, möglichst gute Strukturen zu schaffen“, sagt Fuchs.
Doch die neue Aufgabe ist auch mit Reisen verbunden. Noch am Tag vor dem Länderspiel weilte Fuchs bei der Jugend-Weltmeisterschaft im baskischen Bilbao, über Frankfurt und mit einem kurzen Zwischenstopp in seiner Heimat Lengfurt ging's nach Erlangen. Kommende Woche steht ein Aufenthalt bei der U-17-Europameisterschaft in Ljubljana an. Neben der Einarbeitung in den neuen Job muss Fuchs aber auch noch eine neue Sprache lernen – nämlich Schwyzerdütsch.
„Die Leute bemühen sich, hochdeutsch mit mir zu sprechen. Aber das will ich eigentlich nicht“, berichtet er. Sein Ziel: Den Zungenschlag im Nachbarland zumindest verstehen lernen. „Dass ich es aktiv spreche, dafür wird es wohl nicht reichen“, gibt er zu.
Ganz ist seine sportliche Abschiedstour aber selbst mit dem Länderspiel in Kaiserslautern noch nicht zu Ende. Im Frühjahr 2017 will er gemeinsam mit seiner Partnerin im gemischten Doppel, Birgit Michels, noch ein Turnier spielen. Mit der Bonnerin feierte er seinen größten Erfolg – den Viertelfinal-Einzug bei den Olympischen Spielen 2012 in London. Es war die Zeit, als die goldene deutsche Badminton-Generation auf die Höhe ihres Schaffens war.