
Thomas Kaiser bezeichnet es als „Horizonterweiterung.“ Und als „pures Erlebnis.“ Der Trainer des Fußball-Landesligisten TSV Karlburg war zwei Wochen lang Hospitant beim Zweitligisten VfL Bochum und somit einer von ganz wenigen, die diese Chance bekommen. Die allermeisten der bis zu 20 Anfragen, die den VfL Bochum wöchentlich erreichen, werden abgelehnt, weil für die Hospitanz immer nur ein Auserwählter in Frage kommt.
Freundschaft mit Olaf Thon
Wer keine Beziehungen besitzt, hat es besonders schwer. Für Thomas Kaiser war es jedenfalls sehr hilfreich, dass Olaf Thon nicht nur ein guter Freund des Bochumer Trainers Peter Neururer ist, sondern auch ein guter Freund der Familie Kaiser. Diese Freundschaft entwickelte sich, als Kaisers Frau in einer Münchner Arztpraxis arbeitete, in der sich u. a. auch der damals beim FC Bayern spielende Olaf Thon behandeln ließ. Seitdem kommt es schon mal vor, dass der frühere Nationalspieler bei den Kaisers in Aschfeld vorbeischaut.
Nach 14 Tagen an der Seite von Cheftrainer Peter Neururer, den sie als Spieler der kompromisslosen Spielweise wegen den Beinamen „Blutgrätsche“ gaben („Nach der heutigen Regelauslegung hätte ich damals schon beim Aufwärmen die Gelbe Karte gekriegt.“) und der auch heute noch kein Blatt vor den Mund nimmt („Schweigen ist feige“), hat Thomas Kaiser lehrreiche Erfahrungen mit nach Hause in den Bachgrund gebracht. Denn er war ganz nah dran, mittendrin im vorher ihm recht fremden Profigeschäft.
Drei Spiele ohne Sieg
Er war vor den Spielen gegen den TSV 1860 München (1:2), den Karlsruher SC (0:0) und gegen Union Berlin (0:4) mit in der Bochumer Spielerkabine, ehe er dann die Begegnungen von der Tribüne aus verfolgte. Er hat eigene Analysen erstellt und mit Neururer und Co-Trainer Frank Heinemann die Videoauswertungen im Trainerbüro vorgenommen. Er stand bei allen 13 Trainingseinheiten, die in den beiden Wochen abgehalten wurden, mit auf dem Platz. Er war mit dabei, wenn „Peter der Große“ zu den Pressekonferenzen geladen hatte. Er führte interessante Unterhaltungen mit Manager Christian Hochstätter. Und er war auch bei der wöchentlichen Gesprächsrunde in der Elf-Freunde-Bar in Essen zugegen, als Neururer zusammen mit den „Experten“ Thomas Helmer, Thomas Strunz und Stefan Schnoor live vor den Fernsehkameras von Sport1 lebhaft diskutierte.
Beeindruckt von der Präzision
Thomas Kaiser hat den Bochumer Chefcoach als „authentischen Menschen“ kennengelernt und als einen Trainer, der zwar mit modernen Methoden arbeitet, sportwissenschaftliche Erkenntnissen allerdings mitunter auch skeptisch bewertet. „Er schaut sich die Laktatwerte seiner Spieler genau an, aber viel mehr verrät ihm der Blick in das Gesicht des Spielers“, sagt Thomas Kaiser, der besonders überrascht war von der Gelassenheit, mit der Peter Neururer auf die Heimniederlagen gegen München und Berlin reagierte („Ich habe ihn in den zwei Wochen nicht oft schreien gehört“.) Kaiser sagt: „Peter Neururer hat gegenüber seinen Spielern eine sehr soziale Einstellung.“
Beeindruckt war Kaiser vor allem von der Präzision, mit der im Profibereich bis ins Detail gearbeitet wird. Wie spielt der Gegner bei eigenem Ballbesitz? Wie verhält sich der Gegner bei Balleroberungen? Findet die Mannschaft nach Ballverlusten schnell in die Grundformation zurück? Wie verändert sich die taktische Einstellung während des Spiels? Fragen über Fragen, mit denen das Bochumer Trainerteam, das nur aus vier Personen besteht (Cheftrainer, Co-Trainer, Torwarttrainer und Konditionstrainer), sich täglich eingehend beschäftigte.
Thomas Kaiser, der im Mannschaftshotel gleich neben dem Bochumer Stadion wohnte, hat sich aber nicht nur für die Lizenzmannschaft interessiert. Er hat das Bochumer Nachwuchsleistungszentrum besucht und schnell Kontakte geknüpft zu Dariusz Wosz, dem Trainer der U-23-Mannschaft, und auch zu Thomas Reis, dem aus Wertheim stammenden Trainer der Bochumer U-19. Bei seinem zweiwöchigen Aufenthalt im Herzen des Reviers ist ihm auch nicht verborgen geblieben, dass Spielerberater nicht selten Einfluss nehmen wollen, wenn die Trainer ihre Mannschaften aufstellen.
Sorgen mit Spielerberatern wird Thomas Kaiser beim Landesligisten TSV Karlburg, den er 2008 übernahm und noch bis zum Rundenende trainieren wird, ehe er von Siegbert Sternheimer abgelöst wird, sicher nicht haben. Sicher muss sich auch niemand Gedanken machen, ob die Karlburger ab sofort trainieren und spielen werden wie die Profis. Vieles sei nicht umsetzbar, meint Kaiser. Nach und nach will er allerdings einige Dinge, die ihm sinnvoll erscheinen, in Karlburg einfließen lassen. „Bei allen Träumen, die man hat – man muss Realist bleiben“, betont der 35-Jährige.
Tätig als Talentsichter?
Damit meint der leidenschaftliche FC-Köln-Fan auch seine Zukunft als Fußballtrainer. Er will demnächst die A-Lizenz erwerben und kann sich vorstellen, als Talentsichter tätig zu werden. Verbindungen zu dem früheren Profi Uwe Leifeld, der die zehnköpfige Bochumer Scouting-Abteilung leitet, bestehen bereits. Und auch die Kontakte zu Trainer Peter Neururer und Manager Christian Hochstätter will Thomas Kaiser unbedingt weiter pflegen. Das hat er sich fest vorgenommen.