Der Mann, der den TSV Lohr in der Handball-Bayernliga halten soll und der am Samstag gegen den HSC Bad Neustadt sein Heimdebüt auf der Trainerbank gibt (Anwurf 19.30 Uhr, Spessarttorhalle), blickt auf eine bewegte Laufbahn als Aktiver und als Coach zurück. Dass Mirko Pesic nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden ist, hat ihn geprägt: „Mein Reichtum“, sagt der 60-Jährige, „sind auch die schlechten Erfahrungen.“
Dass der Sport sein Leben bestimmen sollte, war Mirko Pesic nicht in die Wiege gelegt worden. Geboren in einem kleinen dalmatinischen Küstenort, in dem es keine Möglichkeit zur sportlichen Betätigung gab, begann er erst als Jugendlicher mit Basketballspielen, als er in der Hafenstadt Split eine weiterführende Schule besuchte. Nachdem ihn die Nachwirkungen eines Bänderrisses im Knöchel beim Basketball behinderten, schickte ihn sein Sportlehrer zum Handball. Als Spieler im rechten Rückraum bzw. auf Rechtsaußen schaffte er binnen weniger Jahre den Sprung in die Zweite Liga Jugoslawiens. „Ich hatte immer einen sehr großen Willen. Wenn andere schon fertig mit dem Training waren, habe ich immer noch individuell geübt“, berichtet Pesic, wie er als Späteinsteiger in den Sport in kurzer Zeit vieles nachholte.
Verletzung beendet WM-Traum
Im Jahr 1984 wechselte Pesic zu Partizan Bjelovar, einem der führenden Handball-Klubs im Vielvölkerstaat. Unter Trainer Hrvoje Horvat, Kapitän der jugoslawischen Olympiasiegermannschaft von 1972 und später auch Coach in Deutschland, reifte er zum Erstligaspieler. „Mein Traum war die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1986 in der Schweiz.“ Doch der Traum endete jäh mit einer schweren Knieverletzung wenige Monate vor dem Turnier, bei dem sich Pesic unter anderem Risse von Kreuzbändern und Menisci zuzog.
Jugoslawien wurde in der Schweiz Weltmeister, die Mannschaft galt als eines der besten Teams der Handballgeschichte. Mirko Pesic befand sich zu dieser Zeit in der Reha und wusste nicht, ob er jemals wieder würde Sport treiben können. Doch nach 18 Monaten Pause und Schinderei bei der Rehabilitation stand er wieder für seinen Stammverein Split auf dem Spielfeld. Später begann er eine zweijährige Ausbildung zum Diplomtrainer, zunächst in Sarajewo. Diese musste er wegen der in den 1990er Jahren einsetzenden Kriege im auseinanderfallenden Jugoslawien in der kroatischen Hauptstadt Zagreb fortsetzen.
Anfrage auch Zweibrücken
In den Kriegszeiten wurden die wirtschaftlichen Bedingungen im zerfallenden Staat immer schlechter. „In der Kabine in Split wurde erzählt, dass jemand in Zweibrücken ein kroatisches Restaurant hätte und man dort arbeiten und gleichzeitig Handball spielen könnte. Da habe ich mich gemeldet“, erzählt Pesic, wie es ihn mit Frau und Sohn nach Rheinland-Pfalz verschlug.
Dort arbeitete er und spielte gleichzeitig für Klubs bis zur Oberliga. „Mein Trainerdiplom, für das ich zwei Jahre studiert hatte, wurde hier nur als C-Lizenz anerkannt“, so Pesic. „Die Spieler, die 1986 Weltmeister geworden sind, hatten einen Namen. Mich kannte keiner.“ So konnte es schon mal passieren, dass ein Verein beim damals in Wiesbaden lebenden Vlado Stenzel, der mit Jugoslawien als Trainer Olympiasieger und mit Deutschland Weltmeister geworden war, anrief, um sich nach Pesics Befähigung zu erkundigen. Doch auch in seiner neuen Heimat wollte er am liebsten für den und vom Handball leben und erwarb B- und A-Trainer-Lizenz. Und schließlich entschied er sich, ganz auf die Karte Sport zu setzen.
Trainer war er dann bei verschiedenen Klubs, auch in seiner alten Heimat. „2006 habe ich in Split einen Verein in der ersten Liga übernommen, bei dem nur Spieler zwischen 17 und 20 Jahren waren. Keiner hätte gedacht, dass wir eine Chance hätten. Am Ende haben uns drei Tore zur Europapokal-Qualifikation gefehlt“, so Pesic, der nach dem Jahr in Kroatien wieder zur Familie nach Deutschland zurückkehrte. „Ich wollte mir beweisen, dass ich unter professionellen Bedingungen eine Mannschaft trainieren kann. Das habe ich getan.“
Zwei Jahre später ließ er sich erneut dazu überreden, noch einmal nach Split zu kommen, in einer Situation, in der der Verein nun finanziell besser aufgestellt schien und die Protektion des aus Split stammenden Premierministers Ivo Sanader genoss. Doch das Projekt scheiterte, zumal Sanader von seinem Amt zurücktreten und später sogar wegen Korruption ins Gefängnis musste.
Die Lust kehrt zurück
Mirko Pesic entschied sich dazu, sich auf Engagements in Deutschland zu beschränken. So war er hauptamtlich bei der HSG Tills Löwen in Schleswig-Holstein und zuletzt beim Lohrer Bayernliga-Rivalen TSV Friedberg tätig. Dort verlor er im April 2018 seinen Job, nachdem der Verein zwei Monate zuvor noch mit ihm verlängert hatte. „Erst einmal hatte ich gar keine Lust auf Handball mehr, wollte nichts mehr sehen und hören“, so Pesic. Doch diese Unlust währte nicht lange, schon zu Beginn 2018/19 beschäftigte er sich wieder mit dem Sport. Und als der TSV Lohr einen Nachfolger für den zurückgetretenen Trainer Bernd Becker suchte, sagte er zu.
Anders als bei seinen Vereinen zuvor ist der 60-Jährige aber nicht hauptamtlich tätig, pendelt zwischen dem 250 Kilometer entfernten Zweibrücken und Lohr, übernachtet gelegentlich in einer Sendelbacher Pension. Wie lange er sein Engagement plant, lässt er offen: „Erst einmal will ich dem TSV Lohr helfen, die Klasse zu halten. Im Handball gibt es unglaublich viele Möglichkeiten. Die Kunst ist die, die richtige für die Mannschaft zu finden.“ Auf der Bank sei er keiner, der ausgelassen sein könne. „Viele fragen mich: Mirko, wieso freust du dich nicht? Das tue ich schon, aber mehr nach innen“, sagt Pesic. Vielleicht auch, weil er auf Grund seiner Vita nur zu gut weiß, dass auf ein Hoch wieder ein Tief folgen kann.
Aktuelles zum Spiel
Handball: Bayernliga Männer
TSV Lohr – HSC Bad Neustadt (Samstag, 19.30 Uhr, Spessarttorhalle)
Das letzte Punktspiel zwischen dem TSV Lohr (13./2:16) und dem HSC Bad Neustadt (1./18:0) gab es in der Regionalliga-Saison 1999/2000. Fünf Jahre hatten die unterfränkischen Rivalen gemeinsam in der dritthöchsten deutschen Klasse gespielt – alle Spiele gewann der HSC, der damals wegen seiner größeren wirtschaftlichen Möglichkeiten als großes Feindbild des Lohrer Anhangs galt.
18 Jahre später dürften sich die Gemüter etwas beruhigt haben, doch Favorit ist der unglücklich aus der Dritten Liga abgestiegene HSC auch diesmal. Zumal auf Lohrer Seite Lukas Horky (Fingerverletzung) und Janis Gremzde (Oberschenkelzerrung) fehlen. „Das tut uns besonders in der Abwehr weh“, merkt Lohrs Trainer Mirko Pesic an, dessen Keeper Tamas Szabo während der Woche aus beruflichen Gründen nicht trainieren konnte.