zurück
FUßBALL: KREISLIGA
Hoffnung nach einem harten Jahr
Steffen Schmitt: Der Retzstadter Steffen Schmitt will nach überstandener Krankheit wieder Fußball spielen.
Er blickt nun zuversichtlich in die Zukunft: Steffen Schmitt.
Foto: Heidi Vogel | Er blickt nun zuversichtlich in die Zukunft: Steffen Schmitt.
Heidi Vogel
 |  aktualisiert: 11.02.2024 10:49 Uhr

„Ich will nicht jammern. Mittlerweile kann ich wieder ein normales Leben führen, anderen geht es viel schlechter. Ich bin einfach froh, dass alles gut gegangen ist“, gibt Steffen Schmitt erleichtert und mit nachdenklichem Blick zu.

Der 28-Jährige hat ein bewegtes Jahr hinter sich – und war besonders in der ersten Jahreshälfte ziemlich am Boden gewesen. Am 7. Januar wurde bei Steffen Schmitt nämlich eine Sinusvenenthrombose, also eine Thrombose direkt unter der Schädeldecke, diagnostiziert. „Es begann damit, dass ich um die Weihnachtsfeiertage ziemlich starke Kopfschmerzen hatte“, erinnert sich der Retzstadter, der die Schmerzen zunächst auf das üppige Essen schob. An Silvester wurden sie schließlich „unfassbar stark“, waren jedoch tags darauf wieder völlig verschwunden. Als dann am 2. Januar seine komplette linke Körperhälfte für wenige Minuten einschlief, machte sich der leidenschaftliche Fußballer zunächst nicht verrückt. Als es aber zwei Tage später erneut passierte, wurde ihm dann doch ziemlich mulmig. Er suchte zunächst einen Arzt auf, der ihn umgehend ins Krankenhaus einwies. „Mein Blut wurde untersucht und eine Computertomographie angefertigt.

Die Ärzte meinten, es könnte eine Thrombose sein, was aufgrund fehlender Symptome jedoch unwahrscheinlich sei. Mit Medikamenten versorgt, wurde ich wieder entlassen“, berichtet Steffen Schmitt vom Beginn seines Leidenswegs.

Doch bereits in der darauffolgenden Nacht schlief seine linke Körperhälfte erneut ein – und Schmitt begab sich sofort wieder in die Klinik. Diesmal lautete die Diagnose zunächst „Migräne mit Sensibilitätsstörung“. Zur Sicherheit unterzogen ihn die Ärzte einer Kernspin-Tomografie, diesmal in Bad Neustadt – und die brachte schließlich die niederschmetternde Diagnose „Sinusvenenthrombose“. „Dies kann unter anderem dazu führen, dass man direkt ins Koma fällt oder eventuell einen Schlaganfall erleidet“, weiß der Retzstadter, der deshalb bei seinem anschließenden Klinikaufenthalt sofort mit Blutverdünnern therapiert wurde. Die verschiedenen Symptome verschwanden zwar bereits nach wenigen Tagen, dennoch brach für den damals 27-Jährigen, der für seinen Heimatverein DJK Retzstadt in der Kreisliga auf Torjagd geht, förmlich die Welt zusammen. Die Ärzte unterbreiteten ihm nämlich, dass er seinem Hobby, dem Fußballspielen, höchstwahrscheinlich nicht mehr nachgehen dürfe, weil er voraussichtlich lebenslang auf das blutverdünnende Medikament angewiesen sei.

Bei einer Verletzung, die man ja beim Kicken leicht erleiden kann, sei die Gefahr, eine äußerliche oder auch innerliche Blutung nicht rechtzeitig stoppen zu können, einfach zu hoch.

Mit dieser Hiobsbotschaft und einer großen Ungewissheit wurde Steffen Schmitt nach knapp zweiwöchigem Krankenhausaufenthalt entlassen. Denn trotz des blutverdünnenden Mittels verschwindet eine solche Thrombose nicht sofort, sondern es dauert etwa drei Monate, ehe eine Veränderung sichtbar wird. „Beim Kontrolltermin am 29. März haben die Ärzte festgestellt, dass sich die Sinusvenenthrombose komplett rekanalisiert hat, also weg war“, berichtet der Retzstadter erleichtert. Dennoch stellte sich die Frage, woher die Thrombose rührte, schließlich zählt Steffen Schmitt nicht zu den Risikogruppen: Er ist nicht übergewichtig, treibt Sport und raucht nicht. Vielmehr laufen hauptsächlich junge Frauen, welche rauchen und die Pille zur Verhütung nehmen, Gefahr, an einer solchen Thrombose zu erkranken.

Umfangreiche Tests, darunter eine Blutgerinnungsdiagnostik, ergaben, dass der Retzstadter an einem Gendefekt mit dem sperrigen Begriff „heterozygote Faktor-fünf-Leiden-Mutation“ leidet. Dies ist der am weitesten verbreitete erbliche Risikofaktor für die Thromboseneigung und lässt das Blut schneller gerinnen. Später stellte sich heraus, dass auch die Mutter und der ältere Bruder Florian diesen Gendefekt in sich tragen, jedoch bislang keinerlei Beschwerden hatten.

Weshalb sich ausgerechnet beim jüngsten Spross der Familie der Defekt äußerte, bleibt Spekulation. Da dieser Gendefekt alleine noch keine Thrombose auslöst, führten wahrscheinlich weitere Faktoren wie eine Kortison-Therapie am lädierten Knie, eine Flugreise oder eine Nasennebenhöhlenentzündung zur Entstehung des Thrombus.

Steffen Schmitt ging es mit der Medikation soweit gut, seinem Beruf als Industriemeister im Vertrieb konnte er nach etwa acht Wochen wieder nachgehen. Auf das Fußballspielen musste er jedoch schweren Herzens verzichten.

Weil der Kapitän nicht aktiv auf dem Feld mitwirken konnte, seine Mannschaft sowie den damaligen Spielertrainer, seinen Bruder Florian, aber dennoch unterstützen wollte, stand er in der Rückrunde der abgelaufenen Saison Woche für Woche an der Seitenlinie. „Das war eine harte Zeit“, erinnert sich der 28-Jährige, der sich auch als stellvertretender Vorsitzender bei der DJK engagiert. Denn hatte der Torjäger in der Vorrunde in 14 Spielen alleine 17 Treffer erzielt, mussten seine Kameraden in der Rückrunde ohne ihn auskommen und schafften erst am letzten Spieltag den Klassenerhalt. „Es war schwierig, nur von außen zuschauen zu können. Auf der anderen Seite habe ich bei mir in dieser Zeit auch eine gewisse Leidenschaft für den Trainerjob entdeckt“, erklärt Schmitt.

Im September dann ein Hoffnungsschimmer für den jungen Patienten. Eine Spezialistin in Würzburg empfahl Steffen Schmitt bei einer turnusmäßigen Untersuchung, das blutverdünnende Medikament abzusetzen, weil die Nebenwirkungen deutlich höher seien als die Gefahr einer erneuten Thrombose. „Zunächst hatte ich Panik, weil es ja mein Schutz vor der Thrombose war. Erst nach vier bis sechs Wochen habe ich es tatsächlich weggelassen“, erklärt Schmitt seine zwiespältigen Gefühle.

Doch bislang ging alles gut und kurz vor Beginn der Winterpause hat der Torjäger, der zur neuen Saison als Trainer der Reservemannschaft eingesprungen war, den Kreisligisten sogar schon wieder auf dem Feld unterstützt und prompt entscheidende Treffer beigesteuert.

Vor wenigen Wochen hat sich Steffen Schmitt nun auch einer längst fälligen Arthroskopie unterzogen. „Eigentlich wäre der Eingriff schon lange nötig gewesen. Ich konnte nur mit Schmerzmitteln Fußball spielen. Durch die ganze Geschichte hat es sich aber verzögert“, erklärt Schmitt und gibt offen zu, dass er gerade wegen der erhöhten Thrombosegefahr nach einer Operation ziemlich Angst gehabt hatte. Doch der Eingriff am Meniskus ist gut gelaufen, auf Krücken gestützt hüpft Steffen Schmitt bereits eine Woche später gut gelaunt durch die Wohnung. „Zum Start nach der Winterpause Anfang März bin ich voraussichtlich wieder fit“, rechnet der leidenschaftliche Fußballer, der auch schon für den FC Leinach in der Landesliga die Fußballschuhe geschnürt hat, mit einem schelmischen Grinsen vor. Schließlich benötigen ihn seine Kumpels im Verein – damit die DJK nicht wieder bis zum Schluss um den Klassenerhalt bangen muss.

Sinusvenenthrombose

Als Sinusthrombose wird das Auftreten von Blutgerinnseln (Thrombose) in den großen venösen Zusammenflüssen des Gehirns in der harten Hirnhaut bezeichnet. Sinusthrombosen sind eine seltene, aber gefürchtete Ursache von Infarkten (Schlaganfällen) des Gehirns. Im Frühstadium kann es zu Druckschmerz im Nasenaugenwinkel und Sehstörungen kommen, später zu starken Kopf- und Nackenschmerzen, die bis in andere Körperteile ausstrahlend, oder gar zu epileptische Anfällen und psychotische Symptome und Wesensveränderungen.

Die so genannte Faktor-fünf-Leiden-Mutation, ein Gendefekt, ist der am weitesten verbreitete erbliche Risikofaktor für die Thromboseneigung. In Mitteleuropa sind etwa zehn Prozent der Bevölkerung heterozygote Träger, was bedeutet, dass der Betroffene dies nur von einem Elternteil geerbt hat. vo

Steffen Schmitt auf dem Fußballplatz.
Foto: Yvonne Vogeltanz | Steffen Schmitt auf dem Fußballplatz.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Retzstadt
Heidi Vogel
Fußballspiele
Risikofaktoren
Thrombosen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top