„Es ist Wahnsinn, wie rasant die Entwicklung in den letzten 18 Monaten verlaufen ist“, erklärt Tamer Yigit, der über die Landkreisgrenze hinaus als Trainer des Bezirksligisten FV Karlstadt bekannt ist. Er spricht jedoch nicht von seiner Mannschaft, sondern von seinem Sohn Seyhan, der nach vier Monaten erstmals wieder in der unterfränkischen Heimat weilt. Der 14-jährige Karlstadter spielt seit diesem Sommer in der U 15 des FC Bayern München.
Die Entwicklung des Verteidigers ist in der Tat beachtlich. Seyhan Yigit startete in der Jugend des FV Karlstadt und kickte bis zur U 13 bei der damaligen JFG Kreis Karlstadt. Bei einem Hallenturnier vor knapp zwei Jahren wurden die Würzburger Kickers auf ihn aufmerksam und er wechselte in der Winterpause zu den Rothosen. Was dann folgte, liest sich für viele junge Fußballer wie ein Märchen. Obwohl Seyhan Yigit zweimal beim DFB-Stützpunkt in Steinfeld vorstellig und jeweils abgewiesen worden war, schaffte er es bei den Kickers auf Anhieb in die Nordbayernauswahl. Bei einem Spiel wurde ein Scout des damaligen Bundesligisten FC Ingolstadt auf das junge Talent aufmerksam.
„Nach dem Lehrgang hat er mit meinem Vater Kontakt aufgenommen“, erinnert sich der 14-Jährige. Seyhan Yigit, der bereits von Kindesbeinen an davon träumte, Fußballprofi zu werden, musste nicht lange überlegen und sagte bei den Schanzern zu. „Das war zwar eine kurze, aber tolle Zeit bei den jungen Schanzern, unter professionellen Bedingen. Ich habe mich pudelwohl gefühlt“, berichtet er. Er schwärmt von seinem damaligen Trainer Christoph Kappel, der maßgeblich zu seiner positiven Entwicklung beigetragen habe. Bereits in der Winterpause wurde der damals 13-Jährige von der U 14 in die U 15 hochgestuft, wo er in der Regionalliga spielte.
Schon im Sommer dieses Jahres folgte der nächste große Schritt. Seyhan Yigit spielte mittlerweile in der Bayern-Auswahl und beim ersten Lehrgang in Oberhaching fiel er den Verantwortlichen der Bayern auf. U-15-Trainer Peter Wenninger und Chef-Scout Timon Pauls schauten bei einer Trainingseinheit zu und wollten den Karlstadter sofort für ihr Team haben. „Ich habe den Schritt definitiv nicht bereut“, gibt der ruhige und zurückhaltende Junge mit leuchtenden Augen zu.
Mit einem verschmitzten Grinsen erklärt er, dass er früher eher Sympathisant der Dortmunder Borussia gewesen sei. Das hat sich geändert. Sein Herz schlägt nun für den FCB. Welche Unterschiede hat er zwischen Ingolstadt und dem Top-Verein der Bundesliga ausgemacht? „Die Qualität der Mitspieler ist höher, die Testspielgegner sind ein anderes Kaliber und die Bedingungen im neuen Campus sind mit meinem sehr erfahrenen Trainer Peter Wenninger überragend“, sagt er. „In Ingolstadt habe ich das disziplinierte Verteidigen gelernt, bei den Bayern lerne ich, wie man Fußball spielt. Da wird mit mehr Dominanz und Ballbesitz gespielt“, schwärmt der Verteidiger, dessen Vorbild der Spanier Sergio Ramos ist, von den Vorzügen seines neuen Vereins.
Für den jungen Karlstadter hat sich in den letzten eineinhalb Jahren einiges verändert. So ist er bereits mit dem Wechsel nach Ingolstadt zusammen mit Mutter Yeliz und seinem jüngeren Bruder Efecan in die zweitgrößte Stadt Oberbayerns gezogen. Hier leben die drei auch weiterhin und Seyhan besucht dort nach wie vor die Mittelschule. Allerdings mit dem Unterschied, dass er nach Schulschluss mit dem Shuttlebus, zusammen mit weiteren Spielern, nach München befördert wird.
Dort stehen während der Woche die täglichen Trainingseinheiten auf dem Programm, erst gegen 20.30 Uhr kehrt er wieder nach Hause zurück.
„Mittwochs ist der einzige freie Tag der Woche. Ein Highlight sind die Einzeltrainingseinheiten montags“, berichtet er. Oft wird das Einzeltraining von dem bekannten Bayern-Talentschmied Hermann Gerland, dem sportlichen Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, durchgeführt. Auch an den Wochenenden ist der Terminplan von Seyhan Yigit voll, denn am Samstag stehen die Punktspiele, am Sonntag meist Testspiele auf dem Programm.
Und was war bislang das schönste Erlebnis seiner jungen Karriere bei den Bayern? „Vor zwei Wochen haben wir beim MTU-Cup mitgespielt, das war total cool. Da waren Mannschaften wie Barcelona oder Manchester United dabei. Im Viertelfinale habe ich gegen den AC Milan den entscheidenden Strafstoß verwandelt“, berichtet Yigit, der bislang bei jedem Spiel im Aufgebot stand.
Es läuft bisher prächtig für den 14-Jährigen, dessen Vater Tamer die Zweikampfstärke, die Robustheit und Athletik als seine Stärken nennt. „Seine Mentalität zählt sicher auch dazu, denn er ist sehr ehrgeizig, diszipliniert und zielstrebig“, sagt der Vater. Es gebe aber auch noch Dinge, an denen er arbeiten müsse, beispielsweise an der Technik und an der nötigen Übersicht bei Ballbesitz. Vater Tamer kann seinen Sohn sehr gut einschätzen, denn immerhin ist er ziemlich nahe am Geschehen dran. Der Familienvater lebt zwar mit dem ältesten der drei Söhne in Karlstadt und arbeitet von Montag bis Donnerstag in Würzburg, doch unmittelbar nach dem Training beim FV Karlstadt setzt sich der 38-Jährige am Donnerstagabend ins Auto und fährt nach Ingolstadt. Bis Sonntagvormittag bleibt er dann bei seiner Frau und den beiden Söhnen, um Seyhan auf seinem spannenden Weg zu begleiten.
Die Frage nach dem Heimweh erübrigt sich da beinahe. „Ich bin meiner Familie sehr dankbar. Sie sind in meiner Nähe und unterstützen mich. Lange Autofahrten bleiben mir zum Glück erspart. Ab und zu vermisse ich zwar meine Kumpels aus Karlstadt, aber mit dem Handy sind wir ständig in Kontakt“, erklärt der junge Kicker. Und was hat er noch für Ziele? „Ich möchte mich bei den Bayern dauerhaft etablieren, mich stetig verbessern und dann Fußballprofi werden“, hat Seyhan eine klare Vorstellung. Bis Sommer 2018 spielt er noch in der U 15, dann steht der Wechsel in die U 16 bevor. „Dafür muss ich in jeder Trainingseinheit und in jedem Spiel kämpfen und Leistung zeigen“, weiß er, während der Vater anfügt, dass es angesichts der Konkurrenz in München grundsätzlich kein Zurücklehnen gebe. Vater Tamer ist es auch, der darauf achtet, dass der Sohn nicht abhebt und bodenständig bleibt. „Ich sage ihm immer, genieße die Zeit und lebe deinen Traum. Denn man darf nicht vergessen, wo man herkommt“, so der Ratschlag des Vaters, der von Sohn Seyhan ein zustimmendes Nicken erntet.