Wenn am kommenden Wochenende die deutsche Straßenmeisterschaft im Radrennen stattfindet, sind mit Linda und Jan Riedmann in der Altersklasse Schüler U-15 zwei Karbacher am Start. Die beiden 14-jährigen Zwillingsgeschwister sind dabei die einzigen Vertreter aus dem Landkreis Main-Spessart in dieser Altersklasse.
„Irgendwie fahren wir schon immer Fahrrad“, antworten Linda und Jan Riedmann auf die Frage, wie lange sie denn schon radeln, wie aus einem Munde und grinsen dabei verschmitzt. Kein Wunder, denn immerhin ist Papa Robert, der zusammen mit Ehefrau Gabi ein Fahrradgeschäft in Karbach betreibt, früher ebenfalls Radrennen gefahren.
So war das Radfahren den beiden quasi in die Wiege gelegt. „Rennen fahren wir seit 2012“, fügt Linda an und erklärt, dass sie mit ihrem Zwillingsbruder anfangs Mountainbike gefahren sei. „Dann sind wir nur noch Rennrad gefahren“, sagt Jan über die Entwicklung.
Linda gewann das Heimrennen
Gemeinsam mit seiner Schwester geht er für den RV Concordia Karbach an den Start, beim heimischen Rennen Anfang Juni siegte Linda Riedmann bei den Schülerinnen U-15 souverän, ihr Bruder Jan belegte bei den Schülern einen beachtlichen neunten Platz. Über zwei Runden mit einer Gesamtlänge von 34 Kilometern ging die Strecke, für die Linda gerade einmal eine Stunde, zwei Minuten und 14 Sekunden benötigte. Jan schaffte die recht bergige Strecke sogar in einer Stunde, zwei Minuten und acht Sekunden. „Das Heimrennen ist natürlich etwas Besonderes. Das gibt noch einmal extra Ansporn“, geben die beiden, die in Marktheidenfeld die achte Klasse am Balthasar-Neumann-Gymnasium besuchen, zu.
Keine Zeit für weitere Hobbys
Drei Mal pro Woche trainieren sie ab Ende März für jeweils eineinhalb bis zwei Stunden auf dem Fahrrad. In den Wintermonaten halten sie sich zweimal wöchentlich beim Hallentraining in Karbach oder Marktheidenfeld fit. Hier stehen dann Spiele, Gymnastik und Krafttraining auf dem Programm. An den Wochenenden geht es im Winter aufs Fahrrad zum Trainieren, in den Sommermonaten stehen rund 20 bis 25 Rennveranstaltungen mit teils mehreren Etappen auf dem Plan.
Zeit für weitere Hobbys bleibt den beiden Sportbegeisterten nicht. „Bis zum Winter haben wir in der JFG Grünsfelder Tal noch Fußball gespielt, aber aus Zeitgründen mussten wir dies aufgeben“, berichtet die 14-Jährige, die früher als Torfrau aktiv war. Beide nennen den Sportunterricht als eines ihrer Lieblingsfächer, wobei sie zugeben, dass sie „auch sonst eigentlich gerne zur Schule gehen“. Und auch bei der Wahl der Fächer sind sich die Zwillinge einig: Beide haben sich für die Naturwissenschaften und Latein entschieden.
Ihren größten Erfolg feierten sie Anfang Mai bei der bayerischen Meisterschaft, wo Linda sich bereits zum vierten Mal in Folge den Sieg sicherte und Jan am Ende den dritten Rang belegte. Beide haben sich somit für die deutsche Straßenmeisterschaft im Nachwuchsbereich, die am Wochenende in Linden in Rheinland-Pfalz ausgetragen wird, qualifiziert. Wie in den meisten Fällen wird Papa Robert, der als Mechaniker agiert, sie zum Wettkampf begleiten, wo Linda am Samstag und Jan am Sonntag startet. Über die Strecke haben sich die beiden bereits im Internet informiert. „Der Kurs dort ist ziemlich bergig und ähnlich wie in Karbach aufgebaut“, weiß der 14-jährige Blondschopf. „Außerdem sind wir in der Nähe schon ein Rennen gefahren und kennen einen Teil der Strecke“, ergänzt Linda.
„Ich versuche, unter die ersten 15 zu kommen“, antwortet Jan auf die Frage nach dem Ziel bei diesem Wettkampf. Eher zögernd verrät Linda, dass sie einen Platz unter den ersten Fünf anvisiert. „Den ersten Platz“, fällt ihr der Bruder mit einem verschmitzten Lächeln ins Wort – und erntet von der Schwester keine Widerrede.
Und wie sieht das langfristige Ziel aus? „Ich möchte Radprofi werden“, antworten beide unisono und wie aus der Pistole geschossen. „Ab der Altersklasse U 17 gibt es einen Nationalkader, dann beginnen langsam die Sichtungsrennen. Wenn man da vorne dabei ist, stehen die Chancen recht gut“, erläutert der Karbacher, dessen Vorbilder die beiden deutschen Radrennfahrer Tony Martin und John Degenkolb sind.
Ab der Altersklasse U 19 geht es dann mit den Weltmeisterschaften los. „Erst einmal machen wir die Schule fertig, dann sehen wir, wie sich alles entwickelt“, zeigen sie sich zielstrebig und zugleich bodenständig. Den bevorstehenden deutschen Titelkämpfen sehen sie relativ entspannt entgegen, schließlich haben sie sich während der zweiwöchigen Pfingstferien mit ihrem Trainer Hans Schleicher entsprechend vorbereitet.
„Klar ist das etwas anderes als ein normales Rennen“, erklärt Jan Riedmann. Aber Nervosität und unruhige Nächte vor dem Renntag kenne er nicht.
Und wie schaffen es die beiden Teenager, sich jedes Mal wieder von neuem zu motivieren, sowohl für das Training, wie auch die anstrengenden Rennen? „Linda und Jan wissen, dass man etwas tun muss, um Erfolg zu haben“, schaltet sich Papa Robert ein und sagt, dass es für die Trainingseinheiten keiner Anschubser seitens der Familie oder des Trainers bedarf. „Wenn man gut abschneidet, ist man automatisch motiviert für das nächste Rennen“, verrät Linda Riedmann, die Karbachs bekannteste Radrennfahrerin, Regina Schleicher, ihres Zeichens Straßenweltmeisterin, als Vorbild hat. „Manchmal motiviert es auch, wenn man merkt, dass der Gegner platt ist“, fügt Bruder Jan schmunzelnd an.
So bleibt abzuwarten, ob die beiden ehrgeizigen Talente – beflügelt durch ihre jüngsten Erfolge – am Wochenende möglichst viele Konkurrenten hinter sich lassen.
Die Renntermine
Deutsche Einer-Straßenmeisterschaft der Nachwuchsklassen U 15 bis U 19 sowie deutsche Zeitfahrmeisterschaft U 19 in Linden (Lkr. Gießen):
Samstag, 15 Uhr: Straßenrennen Schülerinnen U 15 (33,3 km).
Sonntag, 11.30 Uhr: Straßenrennen Schüler U 15 (44,4 km).