Obwohl Thomas Stein Worte wie Aufsteiger oder Top-Karriere nicht gerne hört und sich eher bodenständig gibt, wenn man ihn auf seine erfolgreiche Schiedsrichter-Laufbahn anspricht, ist sein Aufstieg in das deutsche Fußball-Oberhaus mehr als nur eine Randnotiz wert.
„Natürlich geht für mich ein Traum in Erfüllung“, gesteht der 32-jährige Polizeibeamte, seit er zu der erlesenen Truppe der 29 bundesdeutschen Schiedsrichter-Assistenten in der Bundesliga gehört. Er sieht in seinem jüngsten Aufstieg vom Drittliga-Referee und Zweitliga-Assistent zum „Assistenten-Spezialisten“ in der höchsten deutschen Spielklasse in erster Linie aber die Verpflichtung, das von seinen Beobachtern und der Schiedsrichter-Kommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) entgegengebrachte Vertrauen durch gute Leistungen zurückzugeben.
Wenn Stein in seinen Schiedsrichter-Memoiren unter dem Titel „Vom Jugend-Referee zum Bundesliga-Assi“ blättert und die Frage, wie alles begann, beantworten soll, dann erinnert er sich spontan an die Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den Vereinigten Staaten. Damals fand er sichtlich Gefallen an den erstmals in bunten Trikots gekleideten Unparteiischen. Dieser Umstand muss wohl auch dem damaligen Fußball-Abteilungsleiter des TSV Viktoria Homburg, Bruno Gerstenberger, zu Ohren gekommen sein. Dazu O-Ton Stein: „Er hat mich gleich für einen Schiedsrichter-Lehrgang angemeldet.“
Der ehrgeizige Homburger paukte sodann Fußball-Regeln und alles, was man im Umfang mit Pfeife und Fahne wissen muss. Nebenbei bemerkt drückte damals auch eine junge Bergrothenfelserin namens Simone Brand die gleiche Schulbank. Sie avancierte bald zur ersten weiblichen Schiedsrichterin in der Bezirksliga Unterfranken.
Stein war übrigens auch als Fußballer in allen Jugendklassen aktiv. Dass sein Herz heute noch für seinen Homburger Heimatverein schlägt, möchte er nicht verschweigen.
Dass man den Homburger künftig öfter im Fernsehen sehen wird, ist für ihn eine zwangsläufige Randerscheinung, die jedoch für seinen alten Freundeskreis mit der Bemerkung quittiert werden könnte: „Mensch, guck doch mal, ist das nicht unser Thomas?“
Thomas Stein will in seinem neuen Einsatzgebiet einfach nur einen guten Job machen. Augenmaß und gesunder Menschenverstand seien Eigenschaften, die auch auf dem Rasen praktiziert werden sollten. In dem mit seinem Aufstieg verbundenen Medienaufkommen sieht der Referee kein Problem. Schließlich hat er schon in jungen Jahren über das eine oder andere Sportereignis für diese Zeitung berichtet.
Bald im gehobenen Polizeidienst
Erfahren von seinem Aufstieg hat der jetzt in Weibersbrunn zusammen mit seiner Freundin Sabrina, einer gelernten Erzieherin, wohnende Polizeibeamte anlässlich eines Schiedsrichter-Einsatzes beim Regionalligaspiel zwischen Heimstetten gegen Hof vom Verbands-Schiedsrichter-Obmann Rudi Stark. „Vielleicht war ich in den vergangenen Jahren doch nicht ganz so schlecht“, kommentiert Stein seine Nominierung für die künftige „Arbeit“ in den großen deutschen Fußball-Stadien. Derzeit bereitet er sich an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (Fachbereich Polizei) auf den Aufstieg in den gehobenen Polizeidienst vor.
Die frohe Botschaft über sein neues Einsatzgebiet war dem Genuss-Menschen Stein so viel wert, dass er mit seiner Freundin eine gute Flasche Rotwein entkorkte. Einen feinen Roten lassen sich die beiden schon mal schmecken, wenn sie ein gutes Essen vor sich haben. Auf eine gesunde Ernährung legt Thomas Stein besonders viel wert. Um Fast-Food-Restaurants macht er daher einen möglichst großen Bogen. Körperliche Fitness wird bei ihm weiter groß geschrieben wie während seines Drittliga-Engagements. Stein muss nicht nur jährliche Untersuchungen in der Sportklinik Hellersen und regelmäßige Leistungstests absolvieren, auch zu Hause im heimatlichen Spessart joggt er regelmäßig, fährt Rad, geht zum Schwimmen, spielt Tennis und nimmt am Polizeisport teil. Schließlich muss er als Assistent 90 Minuten lang plus möglicher Nachspielzeit an der Linie sprichwörtlich auf der Höhe sein.
Stein weiß, dass ihm sekundenschnelle Entscheidungen abverlangt werden und Abseitsentscheidungen im Fußspitzen- und Zentimeter-Bereich stattfinden. Immer wieder müssen über das Headset rasche Absprachen erfolgen. „Ich muss meinem Chef vor allem unterstützen, wenn er meine Hilfe von außen braucht“, erklärt Stein, der sich künftig im Team von Bundesliga-Schiedsrichter Günter Perl wiederfinden wird.
Der vom DFB unterstützten Torlinientechnologie steht Stein positiv gegenüber. „Das ist eine sinnvolle Unterstützung für uns Schiedsrichter. Die WM hat gezeigt, dass das System funktioniert. Leider hat die Mehrheit der Erst- und Zweitligisten bei der letzten Abstimmung die Technologie abgelehnt“, so Stein. Weitere technische Veränderungen, wie etwa den Video-Beweis, lehnt der Homburger indes ab. „Fußball ist so erfolgreich, weil er ein einfaches Spiel ist. Man sollte ihn in seinen wesentlichen Zügen so belassen, wie er seit 100 Jahren gespielt wird. Der Video-Beweis und die dadurch notwendigen Unterbrechungen nähmen dem Spiel seine Dramatik und Dynamik“, so Stein.
Dank der Unterstützung seiner Vorgesetzten und Kollegen der Polizeiinspektion Obernburg konnte der künftige Polizeikommissar seinen Job auf dem Rasen in der Vergangenheit problemlos ausüben. „Ich hoffe und vertraue auch ein wenig darauf, dass mich das Polizeipräsidium nach Abschluss meines Studiums so verwenden wird, dass ich beide Traumjobs weiterhin unter einen Hut bekommen werde.“