Als Sprinter Aleksandar Askovic Ende Mai im Vorlauf bei der Kurpfalz-Gala in Weinheim (18 Kilometer nördlich von Heidelberg) mit 10,21 Sekunden über die 100 Meter die Bundeskader-Norm für die Staffel erfüllt hatte, da hatte der 26-jährige Augsburger die Hoffnung, dass er seinem Traum von den Olympischen Spielen im Sommer 2024 in Frankreich ein gutes Stück nähergekommen war. Mit der finanziellen und strukturellen Förderung des Perspektivkaders hätte er sich gezielt auf sein Ziel vorbereiten können: die Qualifikation für die deutsche Sprinterstaffel. Sieben Monate später ist die Ernüchterung groß.
Tiefschlag für Aleksandar Askovic
Als Anfang November der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seine Kader bekannt gab, fehlte der Name Aleksandar Askovic. Trotz einer guten Saison 2023. „Das war schon ein heftiger Tiefschlag für mich, weil ich die Norm ja erfüllt habe“, gesteht Askovic ein paar Wochen später. „Ich hatte gehofft, dass ich in dieser Saison endlich vom Deutschen Leichtathletik-Verband unterstützt und somit auch am Bundesstützpunkt in München besser gefördert werde.“
Seine Eltern wohnen immer noch in Augsburg
Der DLV und Askovic - ein schwieriges Thema. Schon öfter hatte er auf Förderung durch den DLV gehofft, umsonst. Jetzt sollte es klappen. Wie üblich bei olympischen Sportarten wird das Kadersystem im Kern vom Dachverband und dessen wichtigsten Geldgeber vorgegeben wird: dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Bund. Es gibt drei Kategorien, die jährlich besetzt werden. Im Olympiakader sind 19 Leichtathleten aufgeführt, die ihre Weltklasse schon bewiesen haben. Im Perspektivkader sind 181 Athleten mit Potenzial gelistet. Dorthin wollte auch Askovic, als mögliches Mitglied der Sprintstaffel.
Seit 2022 hat er bei der LG Stadtwerke München seine sportliche Heimat. Im Alter von vier Jahren war Askovic mit seinen Eltern aus seinem Geburtsort Belgrad nach Augsburg gezogen. Seine Eltern wohnen immer noch hier. Bei der LG Augsburg wurde dann das Fundament für seine Sprint- und Weitsprungkarriere gelegt.
Deutscher Hallenmeister mit 6,56 Sekunden
Dann zog es den Student weiter zur LC TopTeam Thüringen, ehe er nach München wechselte. Im Trikot der LG Stadtwerke drang er in die Spitze der deutschen Sprinter vor. So gewann er im Februar 2023 die deutsche Hallenmeisterschaft über 60 Meter in 6,56 Sekunden, was Platz 20 auf der Weltrangliste bedeutet. Dabei verletzte er sich aber und musste seinen Start bei der Hallen-EM ein paar Wochen später absagen.
Auch in der Freiluftsaison hatte er immer wieder gesundheitliche Probleme. Bei den deutschen Meisterschaften Mitte Juli entschied er sich, vor dem 100-Meter-Halbfinale abzubrechen. Den Start bei den Mannschafts-Europameisterschaften in Polen in der deutschen 4x-100-Meter-Staffel sagte er Ende Juli angeschlagen ab, um seinen Start bei der Universiade im August nicht zu gefährden. Dort schied er im Halbfinale aus.
Aleksandar Askovic ist auf der Suche nach Sponsoren
Seine Verletzungsanfälligkeit hoffte er mit einer intensiveren medizinischen Betreuung in den Griff zu bekommen. Dazu hätte der Student der Materialwissenschaften, der in München an seinem Master arbeitet, gerne die Vorteile des Perspektivkaders genutzt. Dies wären ein einfacher Zugang zur Infrastruktur, wie Sportstätten an Stützpunkten, zur Physiotherapie, zu Sportpsychologen oder zur Leistungsdiagnostik. Zur Förderung gehören aber auch 700 Euro Zuschuss monatlich von der Sporthilfe plus 300 Euro als Student. Askovic hätte gerne davon profitiert. Daraus wird nichts. „Jetzt wäre der eine oder andere Sponsor hilfreich“, sagt Askovic, der zwar von seinem Verein und dem Bayerischen Leichtathletik-Verband unterstützt wird, aber sich eben nicht nur auf seinen Olympia-Traum konzentrieren kann, sondern sich auch um seinen Lebensunterhalt kümmern muss.
DLV-Beurteilung fällt negativ aus
Er ist kein Einzelfall, steht aber exemplarisch für die neue Marschroute des DLV nach den zuletzt enttäuschenden internationalen Leistungen. Es rumort im Talentschuppen. Warum Askovic nicht in den Kader aufgenommen wurde, erklärte die stellvertretende Mediendirektorin des DLV, Silke Bernhart auf Anfrage: „Bei den Athleten, die über den Staffelwert als Perspektivkader in das Staffel-Team aufgenommen werden, bedarf es einer spezifischen Begründung durch den verantwortlichen Bundestrainer und eines Nachweises der besonderen Fähigkeiten des Athleten im Kurvensprint und der Wechselkompetenzen.“ Beurteilt werden neben der Leistungsfähigkeit der Athleten ihre Fähigkeiten auf den unterschiedlichen Positionen, ihre Wechselfähigkeit und die gesammelten Erfahrungen bei internationalen Wettkämpfen und Staffeleinsätzen. Entscheidend bei der Bildung des Staffelteams für das Jahr 2024 sei die Absicherung des Ergebnisses bei den Olympischen Spielen, welche zudem ein erfolgreiches Abschneiden beim Qualifikationswettkampf „World Relays in Nassau“ beinhalte. Bernhart weiter: „In der zusammenfassenden Bewertung aller Faktoren für einen Staffel-Einsatz konnte sich Aleksandar im Vergleich mit seinen nationalen Konkurrenten leider für die Kaderberufung nicht durchsetzen.“
Dass ausgerechnet Sprint-Teammanager Julian Reus, sein ehemaliger Trainingspartner aus Erfurt, diese negative Beurteilung in Vertretung des schwer erkrankten Sprint-Bundestrainer Ronald Stein vornahm, nimmt ihm Askovic nicht übel: „Wir waren vor seinem Rücktritt als Aktiver in Erfurt zusammen in einer Trainingsgruppe und haben uns immer gut verstanden und verstehen uns immer noch gut. Er macht auch nur seinen Job.“
Gina Lückenkemper versteht die DLV-Entscheidung auch nicht
Die Entscheidung kann er trotzdem nicht nachvollziehen. „Ich hatte schon das Gefühl, dass ich mich bewiesen habe bei verschiedenen Staffel-Maßnahmen in diesem Jahr. Zudem war ich für die 4x-100-Meter-Staffel bei der EM in Polen nominiert. Da musste ich leider verletzt absagen. Aber die Nominierung zeigt, dass der Verband durchaus Potenzial in mir gesehen hat. Aber es hilft nichts, ich muss es akzeptieren und zeigen, dass es die falsche Entscheidung war.“ Das findet auch die derzeit deutsche beste Sprinterin Gina Lückenkemper. Die Doppel-Europameisterin postete auf Instagramm: "Ich komme aus dem Kopfschütteln echt nicht mehr heraus."
Askovic hat nach dem Tiefschlag seine Motivation wiedergefunden. Mit seinem LG-Team absolvierte er vor Kurzem ein erstes Trainingslager auf Teneriffa. „Die Nichtnominierung hat mich enttäuscht, gibt mir aber jetzt auch den Antrieb zu zeigen, dass viel Potenzial noch in mir ist. Den Traum von den Olympischen Spielen habe ich nicht aufgegeben.“