Überraschungs-Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye rannte mit der Deutschland-Fahne in die Kurve und weinte ergriffen vor ihren Liebsten. Nach dem Bronze-Coup der Sprint-Staffel setzte die Kugelstoßerin noch einen drauf. Gold für Deutschland im Kugelstoßen - das hatte es seit Astrid Kumbernuss 1996 nicht mehr gegeben.
Im finalen Durchgang landete die Kugel der 25-jährigen Ogunleye bei 20,00 Metern. Die Mannheimerin hielt sich die Hände vor das Gesicht und wusste kurz danach, dass sie Olympiasiegerin ist.
Ogunleye dachte vor letztem Stoß an Gott
„Ich habe einfach so eine unfassbare Ruhe in diesem Moment verspürt, die nicht von dieser Erde ist”, sagte sie im ZDF über den Moment vor dem Stoß. „Ich bin in den Ring gegangen, habe die Hände gehoben und habe gesagt: Gott, das ist ein Moment, den Du mir versprochen hast.”
Im Stade de France erklang kurz „Völlig losgelöst” für die Siegerin, die noch in der Qualifikation bangen musste. Erst mit dem dritten und letzten Stoß gelang der Einzug ins Finale. „Mir fehlen einfach die Worte: Jetzt sind wir Olympiasieger, es ist so unglaublich”, sagte Ogunleye und bezog ihr Team in den Erfolg mit ein.
Staffel-Erfolg inspirierte zum Gold-Coup
Zuvor hatte das Europameister-Quartett von München 2022 seine Ehrenrunde nach der Medaille über 4x100-Meter gerade beendet. „Als die Mädels vorgestellt wurden, hatte ich Tränen in den Augen”, erzählte Ogunleye - und wollte auch unbedingt eine Medaille. Der Deutsche Leichtathletik-Verband feierte auch ihretwegen einen überraschend großen Abend im Stade de France.
Die sehr gläubige Ogunleye schaffte nach Platz zwei bei der Hallen-WM und Rang drei bei der EM nun bei weitem ihren größten internationalen Erfolg. Silber ging an die Neuseeländerin Maddison-Lee Wesche mit 19,86 Metern, über Bronze freuen durfte sich Song Jiayun aus China mit 19,32 Metern.
Zweifel nach Technik-Umstellung
Ogunleye wechselte als Kind vom Turnen zum Siebenkampf. Nach Verletzungen am Knie war fraglich, ob es sportlich überhaupt weitergehen konnte. Da das Knie auch nach dem Wechsel zum Kugelstoßen immer wieder Probleme machte, entschied sich Ogunleye mit ihrer Trainerin Iris Manke-Reimers, von der Angleittechnik zum Drehstoß zu wechseln. Trotzdem stand sie „vor einem Haufen von Zweifeln”, als im Wettkampf die Weiten nicht kamen.
Lückenkemper: „Herz auf der Bahn gelassen”
Eingehüllt in schwarz-rot-goldene Fahnen feierten Alexandra Burghardt, Lisa Mayer, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase mit den deutschen Fans ihre Medaille über 4x100 Meter. „Wir haben es durchgezogen und unser Herz auf der Bahn gelassen”, sagte Lückenkemper.
Haase ergänzte: „Es ist alles andere als selbstverständlich, dass wir hier stehen. Wir haben uns für die vielen Jahre mit Arbeit, Schweiß und Schmerzen belohnt. Alle haben ein Kämpferherz bewiesen.” Auf der Tribüne durfte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz freuen.
Im Finale stürmten Burghardt, Mayer, Lückenkemper und Schlussläuferin Haase in 41,97 Sekunden hinter den USA (41,78) und Großbritannien (41,85) auf das Podest. Für Burghardt ist es schon die zweite Olympia-Medaille. 2022 hatte sie bei den Winterspielen in Peking Silber im Zweier-Bob gewonnen.
Das Quartett sorgte für das erste Olympia-Edelmetall für eine deutsche Staffel seit 1988. Nach Silber durch Zehnkämpfer Leo Neugebauer und Weitspringerin Malaika Mihambo holten die Sprinterinnen und Ogunleye die dritte und vierte Medaille für das deutsche Leichtathletik-Team. Das vom Verband angestrebte Ziel von drei ist damit schon vor den letzten Wettbewerben übertroffen worden.
DLV-Quartett holte bereits den EM-Titel
Die Staffel um Lückenkemper hatte bereits im Vorlauf am Donnerstag überzeugt und angedeutet, dass sie im Kampf um die Medaillen mitmischen kann. Dort startete noch Sophia Junk. Ihren Part übernahm nun Burghardt, weil Junk muskuläre Probleme hatte. Damit war das Quartett vom EM-Triumph vor zwei Jahren in München wieder vereint. Kurz zuvor hatte es - in leicht veränderter Besetzung - überraschend WM-Bronze in Eugene gegeben.