
Es war einmal eine Mannschaft, die das Volk mit ihrer Leichtigkeit verzückte und verzauberte, ein Team, das die Herzen der Leute im Sturm eroberte. Es war einmal . . . Das Sommermärchen von 2006 – mit dem Aus bei der WM in Russland ist es endgültig zu Ende. Zwölf Jahre nach der Geburt dieser goldenen Generation ist nicht mal ein Silberstreif am Horizont geblieben, und viele können noch immer nicht glauben, was da gerade passiert ist. Es war ein kleines bisschen Horrorshow, was da in drei Spielen ablief. Im deutschen Team herrschte panische Angst – Angst davor, zu den größten Verlierern in der Historie des deutschen Fußballs zu gehören.
Nun ist es doch geschehen: Der Weltmeister von 2014 ist in der Vorrunde gescheitert. Er hat kapituliert. Nie zuvor hat sich eine deutsche Mannschaft bei einer WM so zeitig verabschiedet. Das Tröstliche: Es war verdient. Sie wirkte wie aus der Zeit gefallen mit ihrem antiquierten Ball- und Tempoverschleppungsfußball. Und Joachim Löw? Der Bundestrainer ist eine tragische Figur, wie die Bundeskanzlerin, mit der ihn dieser Tage erstaunlich viele Parallelen verbinden. Löw hat viel geleistet für den deutschen Fußball, aber den richtigen Zeitpunkt seines Abschieds hat er verpasst. Nicht alle der von uns befragten Trainer aus der lokalen Fußball-Szene plädieren für einen Wechsel an der Spitze des Zirkus Maximus. Einen entschlossenen Neuanfang aber halten sie nach dem Debakel für unvermeidlich.
Jürgen Walter (64 Jahre, zuletzt Trainer des Kreisklassisten TSV Biebelried): Das Spiel gegen Südkorea habe ich im Kreis von Freunden geschaut, und wir alle haben das Aus der Deutschen mit Fassung getragen, ohne große Emotionen. Natürlich waren alle ernüchtert, aber seien wir ehrlich: Das war doch vorhersehbar. Zu viele Spieler waren satt.
Man hatte den Eindruck, diese Millionarios haben es gar nicht nötig, sich zu verausgaben. Da fehlten Begeisterung, Herzblut, Leidenschaft, einfach alles. Der Sieg gegen Schweden, dieser Treffer in letzter Minute, hat die Schwächen eher kaschiert, als einen Bann zu brechen, wie viele gehofft hatten. Das Spiel gegen Südkorea war ein Schritt zurück zu der Mannschaft, die im ersten Spiel so enttäuscht hatte.
Was man Joachim Löw vorwerfen kann? Vielleicht, dass er sich abgewandt hat von den jungen Spielern, die im Jahr zuvor so überragend den Confed Cup gewonnen hatten, und stattdessen lieber auf bewährte Kräfte gesetzt hat. Jetzt muss ein Umbruch her. Ich weiß nicht, ob Löw dafür der Richtige ist. Selbst in der Kreisklasse spürt ein Trainer: Da kannst du jetzt nicht weitermachen.
Thomas Beer (46, Trainer des SSV Kitzingen in der Kreisliga): Ich hatte die Hoffnung, dass wir nach den zum Teil bodenlosen Testspielauftritten den Schalter umlegen können, wie eigentlich immer bei großen Turnieren. Aber dazu hätte es mehr Einsatz, mehr Laufbereitschaft gebraucht und nach vorne mehr Tempo. Die deutsche Elf hatte im ganzen Turnier zwei, drei Situationen, in denen der Ball wirklich mal steil in die Gasse gekommen ist, sonst nur Einzelaktionen. Das hat gegen Südkorea gerade zu zwei Torchancen gereicht. Sie hat keine Balance zwischen Abwehr und Angriff gefunden.
Dieses Ballschleppen, wie das Özil beispielhaft praktiziert, kann die Gegner nicht mehr verblüffen. Die haben unser Spiel doch längst entschlüsselt. Nach dem Last-Minute-Sieg gegen Schweden dachte ich, es würde ein Ruck durch die Mannschaft gehen. In diesem Spiel waren wir die bessere Elf. Gegen Mexiko war die Defensivarbeit desolat. Aber der Bundestrainer hat gar nicht reagiert. Ich hoffe, dass er die richtigen Lehren aus diesem Auftreten zieht. Die Mannschaft braucht jetzt mal eine neue Ansprache. Andererseits sehe ich gerade keinen, der den Job übernehmen könnte.
Christian Golden (30, bisher Trainer des TSV Frickenhausen in der Frauen-Bayernliga): Nach den letzten Spielen war ich darauf vorbereitet, dass es so kommen könnte. Ich habe zwei Theorien: Entweder die Mannschaft war nach den ganzen Spielen in der Liga und im Pokal überspielt oder müde. Oder die Spieler wussten nicht, wohin sie laufen sollten, und sind dann halt gar nicht gelaufen.
Die Mannschaft war nicht richtig austariert, wie man es etwa von Kroatien gesehen hat. Uns fehlte ein defensiver Mittelfeldspieler, der auch mal die Bälle gewinnt. In Sebastian Rudy hatten wir im Spiel gegen Schweden endlich einen, der als Bindeglied zwischen Offensive und Defensive fungierte – und dann verletzt er sich unglücklich. Der DFB muss diese Situation jetzt aufarbeiten. Ich glaube, Konzept und Kader sind erschöpft.
Das muss nicht zwingend in einen Trainerwechsel münden. Aber ich habe die Entscheidungen eines Herrn Löw seltenst geteilt, weil ich ein ganz anderes Fußball-Gen in mir trage. Für mich zählen Einsatz, Leidenschaft und Balleroberung mehr als sturer Ballbesitz. Am meisten begeistert haben mich als Mannschaft die Kroaten mit ihrer Qualität im Mittelfeld und ihren vielen hungrigen Nachwuchsspielern.
Erwin Klafke (54, zuletzt Trainer des FC Hopferstadt in der Kreisliga): Es war nicht zu erwarten, dass wir ausscheiden, aber mit dieser Leistung musst du froh sein, dass es so gekommen ist und wir uns ein Spiel gegen Brasilien erspart haben. Die Einstellung hat überhaupt nicht gepasst, man hat den Willen vermisst, das Letzte aus sich herauszuholen. Das war viel zu pomadig, kein Elan, keine Laufbereitschaft, kein Spielwitz.
Sonst hat die Mannschaft sich während des Turniers immer von Spiel zu Spiel gesteigert. Aber ihr hat jemand gefehlt, der sie führt und lenkt, gerade gegen Südkorea. Mir ist es vorgekommen, als würde sie ihr Schicksal einfach hinnehmen. Da war kein Aufbäumen erkennbar, nichts. Vielleicht muss man jetzt, um neue Ziele zu erreichen, einfach mal alte Zöpfe abschneiden. Ich wäre für einen radikalen Schnitt. Löw sollte aufhören und mit ihm fünf oder sechs der altgedienten Spieler.
Wolfgang Schneider (56, zuletzt Trainer beim Bezirksligisten SC Schwarzach): Ich gehörte noch zu den Optimisten, die sich die schwachen Auftritte der deutschen Elf vor der WM mit fehlender Motivation erklärten und davon überzeugt waren, dass wir uns in dieses Turnier hineinsteigern würden. An einen solchen Absturz war ja nicht annähernd zu denken.
Ich hätte das nicht für möglich gehalten und glaube, dass es für diese Leistung Gründe gibt, von denen wir als Außenstehende nichts wissen. Im Innenleben der Mannschaft muss etwas gründlich schief gelaufen sein. Bis vor einem halben Jahr schien doch noch alles in bester Ordnung. Die Mannschaft hat in allen drei Spielen dieser WM Sicherheitsfußball gezeigt, wie wir ihn von Deutschland nicht kennen. Man kann jetzt über die Aufstellung diskutieren – ob es richtig war, einen Spieler wie Sané daheim zu lassen, Wagner und Petersen auszusortieren. Für mich entscheidender war die Einstellung. Es wirkte, als seien einige absolut blutleer in diese Spiele gegangen.
Man muss jetzt nicht zwanghaft den Trainer wechseln. Vieles von dem, was Jogi Löw angepackt hat, hat sich nach großer Kritik als richtig herausgestellt. Aber was er jetzt braucht, ist eine plausible Idee und die Motivation, nach einer solchen Enttäuschung weiterzumachen. Löw muss wissen, welche Zeichen er missverstanden oder falsch gedeutet hat. Ich sehe derzeit keinen, bei dem ich sagen könnte: Übernehmen Sie!