Gelchsheim, ein Dorf mit 950 Einwohnern in den Weiten des Ochsenfurter Gaus. Was das Fußballspielen angeht, hielt es Joachim, Steffen und Simone Barthel nicht in der Heimat – nur Volker, den zweitjüngsten der vier Geschwister. Aber zum Musizieren und Spaßhaben kommen alle vier immer wieder gerne hierher zurück. Grund genug, sie mal zu Hause in Gelchsheim zu besuchen – ein herrlich bodenständiges Quartett – und mit ihnen zu plaudern: über Fußball und die Talente jedes einzelnen, aber auch über Heimat und darüber, was junge Menschen daran lieben. Zwischendurch klinkte sich auch Mutter Maria Barthel ins Gespräch ein.
Steffen Barthel: Am Wochenende öfters. Unter der Woche bin ich meistens weg, weil ich in Bayreuth studiere.
Simone Barthel: Wir drei wohnen ja noch daheim, da läuft man sich schon häufig über den Weg.
Joachim Barthel: Das ging schon mit zwei, drei Jahren los – da haben wir im Garten gekickt. Unser Vater war selbst Fußballer, dazu Jugendtrainer in Gelchsheim, er hat uns mitgenommen.
Simone Barthel: Als wir klein waren, hat er uns trainiert. Er begleitete uns von der E-Jugend an.
Steffen: Das Esszimmer hier war eher das Fußballstadion.
Simone: (zeigt auf eine Wand) Da waren mal Scheiben drin, die haben wir mit der Zeit alle rausgeschossen. Unser Garagentor musste als Fußballtor herhalten. Und bei unserer Oma im Hof stand ein Tor. Da haben wir öfter gebolzt.
Steffen: Nein, nein. Volker war bis zur D-Jugend im Tor.
Volker: Ja, aber nur die erste Zeit. Als es in der Spielgemeinschaft zu viele Torhüter gab, ging ich ins Feld.
Joachim: Durch den Altersunterschied nicht ganz. Anfangs hatte das in Gelchsheim nicht viel mit Fußball zu tun.
Simone: In unserem ersten F-Jugendjahr bekamen wir über hundert Gegentore, und wir haben keines geschossen. Da war schon mal ein 0:23 dabei.
Steffen: Wir waren alle in der Jugend nicht so erfolgreich. Da hätte keiner gedacht, dass das mal was wird.
Joachim: Einmal habe ich geheult, als wir in der E-Jugend in Gülchsheim verloren. Aber deswegen aufzuhören hätte mein Vater nicht zugelassen.
Maria Barthel: Anspornen selten, trösten schon eher. Wenn es fair zuging, akzeptierten sie auch Niederlagen. Aber wehe, sie fühlten sich betrogen. Sie sind nach dem Leitsatz erzogen: Ehrlich währt am Längsten. So haben sie auch gespielt.
Simone: Nein! Fußball war immer angesagt. Unsere Kindheit spielte sich größtenteils auf dem alten Sportplatz ab. Der lag ja fast neben unserem Haus.
Joachim: Nach der Schule waren wir jeden Tag auf dem Sportplatz. Das ging so bis zum Abendessen.
Simone: Ja, so war es auch. Heute gibt es das hier nicht mehr. Es sind allerdings auch weniger Kinder.
Steffen: Wir hatten damals weniger andere Sachen, Playstation und andere Dinge gab es kaum.
Simone: Wir spielten auch selten am Computer.
Steffen: Wenn jetzt was geht in Gelchsheim, sind wir oft die Initiatoren. Im Winter treffen wir uns mit unserer Clique mal zum Bolzen in der Halle. Das ist schön, wir sind dann bis zu 15 Leute.
Simone: Ja, wir unternehmen sowieso vieles gemeinsam. Dadurch dass viele in der Musikkapelle Gelchsheim sind, sehen wir sie auch dort. Es gibt auch keinen Stress, weil wir jetzt woanders Fußball spielen – im Gegenteil, sie gönnen es einem.
Maria Barthel: Ich bin ja selbst fußballverrückt. Man muss sich als Mutter damit abfinden, dass man öfters die dreckigen Fußball-Sachen wäscht. Die Fahrerei hat mich in der Jugend schon ab und zu genervt. Viermal die Woche!
Simone: Mitspielen musste ich nicht, ich bin gerne mit zum Bolzen. Manchmal haben sie gemeckert, wenn ich nicht so gut war wie die anderen – oder wenn ich den Ball nicht gekriegt habe, mich keiner in der Mannschaft haben wollte. Meine Brüder hielten meistens zu mir. Gefoult haben sie mich nie. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns deswegen mal gestritten haben.
Steffen: Auf dem Platz ging es harmonisch zu, da waren wir alle glücklich. Bloß Mutter schimpfte, wenn wir wieder mit total dreckigen Klamotten heimkamen. Das Wetter war uns egal – selbst wenn Schnee lag, wurde gekickt.
Joachim: Wir spielten ab der E- oder D-Jugend mit Hopferstadt und Sonderhofen zusammen.
Simone: Ich habe nach der E-Jugend aufgehört und fing später wieder in Marktbreit an, in der B-Jugend. Meine Cousine spielte dort. Ich hätte nicht gedacht, noch mal mit Fußball anzufangen.
Steffen: Die Überlegung gab es, aber es kam bloß Kitzingen oder Würzburg in Frage. Und uns dorthin zu fahren ging für unsere Eltern zeitlich nicht.
Simone: Das war ja so schon krass. Die Eltern mussten einen jeden Abend zum Training fahren nach Marktbreit, Hopferstadt und so. Das zu koordinieren war gerade am Wochenende bei den Spielen nicht einfach.
Joachim: Irgendwann waren wir mal beim Probetraining an einem Talentstützpunkt. Da wurde viel darauf geschaut, wer wo spielte. Mit SV Gelchsheim hattest du eher schlechte Karten.
Steffen: Ich war der erste, weil ich in Marktbreit zur Schule ging. Dort sprach mich mein Sportlehrer Josef Nusko auf einen Wechsel an. Gelchsheim war gerade abgestiegen, und ich dachte, es sei Zeit, es mal höherklassig zu versuchen.
Joachim: Ein Jahr später folgte ich meinem Bruder nach Marktbreit. Der Joachim Hupp wollte mich bereits früher, ich bekam das gar nicht mit, weil das unser Trainer gleich abblockte. In Gelchsheim ging es nicht mehr vorwärts, ich war fünf Jahre dort, habe Relegation und Aufstieg mitgemacht. Es machte mir Spaß. Ich dachte anfangs nicht an einen Wechsel.
Volker: Nein, dazu hatte ich nicht den Ehrgeiz der beiden.
Simone: Einer von uns musste ja in Gelchsheim bleiben.
Simone: Immer wenn es möglich ist. Ich fahre ab und zu nach Abtswind, den Eltern ist es am Samstag zu weit.
Joachim: In Gelchsheim schauen wir immer dann zu, wenn wir nicht selbst mit unseren Vereinen spielen.
Simone: Nein, zum Frauenfußball gehen die nicht.
Joachim: Doch, da waren wir auch schon! In Hopferstadt haben wir ihr auch öfters zugeschaut.
Simone: Ich spiele ja jetzt nicht so viel, in der Bayernliga ist das viel schwieriger. Meist sitze ich auf der Bank und komme für ein paar Minuten rein.
Steffen: Es waren verschiedene Aspekte. Ich dachte, dass ich es noch eine Liga höher probieren will, hatte zuvor bereits eine Anfrage von Abtswind. Ich glaubte zuerst selbst nicht, dass ich wechsle, weil ich dachte, dass ich das zusammen mit dem Studium nicht hinkriegen würde. In Abtswind hieß es, das schaffen wir schon. Da ich während der Sommervorbereitung eh ein Praktikum in Fürth machte und beim Training da sein konnte, probierte ich es. Ich muss viel fahren, aber als Student kriege ich es hin.
Joachim: Sicherlich Steffen.
Simone: Ja, er ist ein kleiner Perfektionist, hat hohe Selbstansprüche und befasst sich rund um die Uhr mit Fußball.
Steffen: Ich habe schon den Ehrgeiz, zu sehen, wie hoch ich es schaffen kann. Ich kann vielleicht auch mehr Zeit investieren als die anderen.
Simone: Gibt's so jemanden bei uns?
Joachim: Das ist doch nicht schlimm – Volker!
Steffen: Ja, Volker hat schon manchmal andere Prioritäten gesetzt.
Volker: Ich kann nicht sagen, dass Fußball bei mir an erster Stelle steht. Lieber gehe ich mal Feiern oder Radfahren. Ich bin da nicht so verrückt.
Joachim und Steffen: Da nehmen wir beide uns nicht viel.
Simone: Gefühlt gibt es bei uns beinahe kein anderes Thema, Fußball ist Hauptgesprächsstoff.
Simone: Für Bayern München sind wir alle. Also nicht so megaverrückt.
Steffen: In der Champions League sind wir immer für die deutschen Klubs. Wir sind da nicht so auf einen Verein fokussiert, dass wir ständig ins Stadion rennen oder Trikots von denen haben.
Joachim: Die Relegation und die Aufstiegsspiele mit Gelchsheim. Der Sieg gegen Effeldorf mit dem Aufstieg, das war genial, auch wenn ich am nächsten Tag arbeiten musste. Gegen Gollhofen haben wir mal im Elfmeterschießen gewonnen. Da ging es hinterher ab in Gelchsheim.
Simone: Die Verbundenheit ist da, auch die Mädels kommen zu den Spielen oder unsere ganzen Kumpels. In höheren Klassen ist das nicht so.
Steffen: Für mich war die Relegation vorige Saison mit Marktbreit ein Höhepunkt, auch wenn wir es nicht in die Landesliga geschafft haben.
Simone: Also, ich auf keinen Fall. In der Bayernliga gibt es einfach viel bessere Leute. Ich dachte: Wenn nicht jetzt, dann wird das nie mehr. Als Lehrerin weiß ich nicht, wohin ich nächstes Jahr komme, vielleicht nach Oberbayern. Joachim: Ich bin froh, den Schritt gewagt zu haben. Es ist einfach geil, wenn du mit zehn anderen zusammen bist, die Fußball spielen können. Noch eine Klasse höher, das würde mich reizen. Aber ich arbeite als Bäcker, das ist schon vom Schlafrhythmus her nicht so einfach.
Steffen: Mit Abtswind wollen wir schon mal aufsteigen.
Joachim: American Football! Wir sind insgesamt sportbegeistert, Basketball, Handball oder Wintersport. Wenn Sport kommt, dann kommt Sport.
Steffen: Volker flüchtet öfters zum zweiten Fernseher, ihm ist es oft zuwider.
Volker: Ich kann mich nicht stundenlang hinsetzen. Bei mir muss auch mal Action dabei sein.
Simone: Wir haben alle mit Flöte begonnen, dann sind wir gewechselt. In Gelchsheim ist Freitagabend jeweils Musikprobe – da treten wir an.
Steffen: Aber Fußball hat im Zweifel immer Vorrang.
Simone: Die Gelchsheimer Fußballer trainieren freitags. Wer Musik spielt, kommt danach zur Probe.
Simone: Ja klar! Wir hatten alle Unterricht, die Eltern schauten schon drauf, dass wir das durchziehen. Bei den Jungs gab es das früher schon mal, dass sie aufhören wollten. Bei mir nicht.
Joachim: Die Eltern meinten, dass man mit Fußball irgendwann mal aufhört. Aber durch die Musik bleibt man in der Gemeinschaft, im Ort.
Steffen: Simone ist da ehrgeiziger und besser als Jogi und ich. Wir machen mit wenig Aufwand das Beste daraus.
Simone: Ich habe mehr Zeit in die Musik investiert als die anderen, bin aber auch nicht immer bei der Probe.
Steffen: Ja, da sind wir alle zusammen, plus dem Papa. Die Gemeinschaft dort ist einfach cool.
Simone: Ja, wir hängen schon ziemlich an Gelchsheim.
Joachim: Im Ort gibt es ein Gauditurnier der Vereine, die Musik stellt auch Mannschaften. Dort haben schon einmal alle Barthels mitgemacht.
Steffen: Ja!
Simone: Wenn Jogi und Steffen da gemeinsam auftreten, sind sie schon ein bisschen die Stars.
Steffen: Das macht schon Spaß. Vater freute sich auch, einmal mit allen Kindern zusammen zu spielen. Dass wir zusammen beim SV Gelchsheim spielen, ist mittelfristig eher unwahrscheinlich.