Elfmal hat sich Marika Heinlein schon beim Spartathlon, jenem legendären 246 Kilometer langen Klassiker des Ultralaufs, auf den Weg gemacht und dabei so manches erlebt. Doch was sich in diesem Jahr bei diesem Rennen zugetragen hat, ist für die 56-Jährige neu gewesen. Mitten in das schwere Sturmtief Sorbas hinein, das Ende September über die griechischen Inseln hinwegfegte und dabei sogar die Fährverbindungen lahmlegte, wurden die Läufer geschickt. Etwa 14 Kilometer vor dem Ziel – Sparta bereits vor Augen – war Schluss für die Athletin des FC Geesdorf.
„Ich bin mitten in den Orkan gekommen. Er hat mich voll erwischt und fast von der Straße geblasen. Ein Lkw hätte mich fast überfahren“, erzählt Marika Heinlein Tage danach ihre bewegende Geschichte. Die Strecke von Athen nach Sparta müssen die Athleten in etwa 36 Stunden zurücklegen. Bruno Heinlein, der seine Frau als Betreuer begleitet hatte, entschied daraufhin mit ihr zusammen, das Rennen abzubrechen. Zu gefährlich für Leib und Leben erschien ihm eine Fortsetzung. Zumal die Athleten gerade auf der letzten langen Passage vor der Stadt Sparta am Rande einer starkbefahrenen Bundesstraße unterwegs sind und sich die Strecke teilen müssen.
Der Sturm habe vor allem in dieser Zeit so getobt, „dass sogar mein Auto richtig durchgerüttelt wurde“, schildert Bruno Heinlein die Naturgewalt. Bereits Kilometer davor und auch danach bis zum Ziel seien keine Kontrollstände der Rennleitung mehr gestanden, weil es die Schirme und Tische weggeblasen habe. Zuschauer an der Strecke gab es bei dem Sauwetter nicht einmal an den Metern vor dem Ziel wie sonst. Passiert sei am Ende keinem der Teilnehmer etwas Ernsthaftes. Aber, so sagt Marika Heinlein: „Ich fand das sehr leichtsinnig vom Veranstalter, das Rennen nicht abgebrochen zu haben.“ Im Vorfeld war der Sturm, ein so genannter Mecon, schon gemeldet gewesen. Trotzdem war das Rennen am Freitag in Athen gestartet worden – bei strömendem Regen. „Die ersten vier Stunden hat es nur geregnet, das ging noch. Dann hörte es auf. Bei Kilometer 100 fing es dann richtig an zu schütten und es hörte nicht mehr auf“, beschreibt es die 56-Jährige.
Ein Albtraum im Regen
Für Heinlein, die nach zahlreichen Rennen einiges gewohnt ist, war es heftig. „Ein echter Albtraum. Umziehen zwischendurch hätte nichts gebracht. Du wärst sofort wieder tropfnass gewesen. Die Straßen waren total überflutet, die Wege teilweise weggeschwemmt.“ Sie habe stellenweise nichts gesehen, sei durch braune Bäche gewatet. Einmal fiel das Leichtgewicht beim Ausweichen eines mit Regenwasser vollen Schlaglochs hin und prellte sich die Schulter. Trotzdem lief Marika Heinlein, irgendwie ging es schon, sogar am Tsangas, der Passhöhe, die es nachts auf recht unwegsamen Pfaden zu passieren gilt. „Ich dachte: jetzt erst recht. Irgendwann merkst du nicht mehr, dass dir was weh tut.“
Später, als der Wind immer stärker wurde, lief sie zeitweilig sogar rückwärts. Aber auch das half nichts, das Ganze wurde zu gefährlich, sie brach das Rennen ab. Später wurde sie bei der Siegerehrung aufgerufen, als ob sie den Lauf bis zum Ende durchgestanden hätte. Sogar die Urkunde bekam sie.„Für mich gilt das wie ein Finish, es waren nur ein paar Kilometer weniger.“
Das Rennen gewann übrigens der 30-jährige Japaner Yoshihiko Ishikawa in knapp 23 Stunden. Als Zweiter kam der Tscheche Radek Brunner mit über 30 Minuten Rückstand an. Bei den Frauen siegte die 47-jährige Un-garin Zuzanna Marasz in 27:05 Stunden vor Katarina Kasparova (Tschechien, 27:47), 25 Teilnehmerinnen erreichten das Ziel in Sparta. Bei den Männern schafften es etwa 220 Hartgesottene.
Was Marika Heinlein aus dem griechischen Wetter-Chaos für sich mitnimmt? „Dass ich viel mehr aushalte, als ich gedacht hatte. Es war dreißig Stunden lang nur nass und kalt“, sagt sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das hier durchstehen würde.“ Nicht einmal einen Schnupfen habe sie bekommen. Und nächstes Jahr? Will sie in Athen wieder am Start des Klassikers stehen.