Das Kapitel dritte Liga ist für den TSV Rödelsee zu Ende. Nach drei Jahren in der Beletage der hundert großen Handball-Klubs des Landes sind die Rödelseer gleich mehrere Stockwerke nach unten gepurzelt und in der Bezirksoberliga gelandet. Der Klub wollte für die Bayernliga melden, doch plötzlich liefen ihm die Spieler davon. Vorsitzender Dietmar Chrischilles und Geschäftsführer Tobias Demel sind über das Verhalten einiger Akteure arg enttäuscht. Im Interview beschreiben sie, wie diese Entwicklung zustande kam, was sie aus den Jahren hochklassigen Handballs mitnehmen, und wie der Neuaufbau beim TSV vonstatten gehen soll: mit einer Mannschaft, die bis auf Torhüter Thomas Paul und Moritz Reichhard wohl sämtliche Drittliga-Akteure verloren hat.
Tobias Demel: Das sehe ich nicht so. Sicher war es kein schönes Ende. Zwei Faktoren sind zusammengekommen: einmal, dass wir kurz vor Ende der Hinrunde entschieden, die Klasse aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr anzugehen. Und dass uns die Spieler davongelaufen sind. Wir wollten in der Bayernliga antreten. Unser Budget dazu stand ja bereits.
Nach etlichen Gesprächen mit den Spielern über Wochen und Monate sagten viele: Nein, das wollen wir nicht. Das traf uns so überraschend, dass wir gleich für die Bezirksoberliga planten. Was für uns grundsätzlich nicht das Problem war.
Demel: Klar dachten wir, wenn du Bayernliga oder Landesliga spielst, ist das immer noch das Höchste im Landkreis. Die Bezirksoberliga war nicht das Problem, weil uns die Atempause mal ganz gut tut. Dann bauen wir eben von unten wieder was auf. Der größere Schrecken war eher die Absage von sechs bis sieben Spielern.
Demel: Die Abgänge spannten sich auf einmal wie eine rote Schnur: Wenn der oder der nicht bleibt, dann bleibe ich auch nicht, und so weiter.
Dietmar Chrischilles: Es gab ein paar ganz komische Aussagen von Spielern. Einer sagte, er hat keine Freunde mehr hier, weil drei oder vier aufhörten. Der nächste will nicht mehr so hochklassig spielen, wieder welche wollten das. Es zog sich hin, letzten Endes wollte aus der ersten Mannschaft fast keiner mehr bleiben. Das war wirklich wie ein Brett vor dem Kopf, wir hatten schon damit gerechnet, dass der Großteil bleiben würde. Danach sprachen wir manche noch einmal persönlich an, aber es sollte nicht sein.
Demel: Das Enttäuschende für mich ist, dass die Spieler keine Identifikation zeigen. Einige haben es diesem Verein zu verdanken, dass sie mal so hoch spielten, und das über Jahre hinweg. Dass keiner bereit ist, in so einer schwierigen Phase mitzuhelfen, gibt uns umso mehr das Gefühl, dass es einigen nur um die Kohle ging.
Demel: Das stimmt, das merkten wir auch im Vereinsleben seit Längerem. Wir dachten, das sei der hohen Klasse geschuldet. Wenn du in der Woche drei-, viermal trainierst und dann am Wochenende ein Spiel hast, kannst du die Leute nicht zwingen, sich für den TSV zu engagieren. Einige haben ganz klar die Loyalität zum Verein verloren, obwohl sie viel von ihm profitierten.
Crischilles: Wir haben doch in den letzten Spielen gesehen, dass wir mit dem Stamm der Mannschaft locker in der Bayernliga antreten können.
Demel: Bei Julius Weinhardt und Dennis Orf war klar, dass sie eventuell wegfallen. Andere sagten, wir wollen den Aufwand für die Bayernliga wegen Studium, Kind oder was auch immer nicht bringen – das ist so weit in Ordnung. Aber wenn sie nicht einmal beim Heimatverein bleiben: Wie kommst du dir dann vor? Manch einer sagte heute zu und morgen wieder ab.
Demel: Natürlich hat er sich gelohnt. das war beste Werbung für den Handballsport in der Region, auch für Rödelsee. Und es hat ja Spaß gemacht, auch wenn es eine Herausforderung war.
Demel: Die Spielweise im Osten kam uns gar nicht entgegen, die Gegner waren körperlich oft sehr stark. Wir hatten mehr spielerische Typen, Julius Weinhardt, Marko Sokicic oder Bostjan Hribar.
Demel: Da spielte mit, dass er die Woche vor Saisonbeginn ein Angebot zum Wechseln bekam und er um Vertragsauflösung bat. Wir redeten darüber mit der Mannschaft. Sie sagte: Ohne Hribar schaffen wir das sportliche Ziel nicht. Heute muss man sagen, wir hätten ihn ziehen lassen sollen. Im Winter meinte mancher: Gehen wir eben mit wehenden Fahnen unter.
Demel: Außer bei Julius Weinhardt und And-reas Wieser wussten wir nicht, wer alles geht. In der Rückrunde, nach dem Schnitt, war es dennoch ein homogenes Team, das Spaß verbreitet hat.
Demel: Wir mussten zur vergangenen Runde einen Schnitt machen: Rok Ivancic weg, Gabor Csorba weg, Radovan Suchy (als Spieler) weg, das heißt, die ganze Erfahrung war weg. Ein Tonar oder ein Hribar brauchten anfangs auch Zeit. Man muss sagen, dass wir immer Spieler holten für Positionen, auf denen wir keine eigenen hatten. Drei Ausländer und der Rest von uns, das ist in Ordnung. Wir haben die Einheimischen nicht vernachlässigt – im Gegenteil. Wir haben sie auf Biegen und Brechen gehalten, als Angebote von auswärts für sie kamen. Im Nachhinein betrachtet, hätten wir sie gehen lassen sollen – weil sie dir jetzt auch nicht die Stange halten, wo du sie dringend bräuchtest.
Chrischilles: Die Rückrunde hat bewiesen, dass es mit den eigenen Kräften ganz gut hinhaut. Alle bekamen ihre Einsatzzeit, das war auch schon so, als die Ausländer noch da waren.
Chrischilles: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Marktstefter das gewollt hätten. Sie haben kein Interesse, eine SG zu gründen. Sie werden mit den Männern bald mal Landesliga spielen, da bin ich mir sicher. Eine Spielgemeinschaft wäre nur mit Kitzingen möglich gewesen. Aber wir wären der vierte beteiligte Verein gewesen.
Demel: Wir hatten ja bis März gedacht, dass wir selbst eine Bayernligamannschaft stellen würden.
Chrischilles: Da sind wir bemüht, es wieder hinzubiegen. Wir hatten mit Marktsteft eine sehr gute Jugendarbeit, warum das aufgekündigt wurde, kann ich nicht sagen. Jetzt haben wir alle Mannschaften mit dem TV Großlangheim gemeldet, wir sind da wieder auf gutem Weg.
Demel: Es gibt Leute, die über alles meckern. Der Großteil unserer Mitglieder will natürlich wissen, wie das zustande kam. Ich denke, wir haben es in der Jahresversammlung plausibel erklärt.
Chrischilles: Es geht nicht auf die Schnelle. Wir wollen eine spielfähige Mannschaft, mit dem Ziel obere Tabellenhälfte. Dann müssen wir weitersehen. Wir haben keinen Fünf-Jahres-Plan, wann wir wieder in die Landesliga wollen.
Demel: Damals war es schlimmer, wir holten Dusan Suchy, der ein Glücksgriff wurde. Jetzt ist einfach eine Ära beendet. Das liegt daran, dass Dusan nicht mehr da ist. Dazu ist mein Vater (Wilfried) in Ruhestand, auch was den Verein betrifft – das kannst du nicht eins zu eins ersetzen. Wenn alles glatt gelaufen wäre, hätten wir jetzt eine gute Bayernliga-Mannschaft. Das hat uns kalt erwischt. Sechs, sieben sind Spieler weg, die wir nicht ersetzen können. Das ist auch finanziell nicht zu bewältigen. Ansonsten kann man nicht sagen, dass wir grobe Fehler gemacht haben, weil es nun von der dritten Liga in die Bezirksoberliga geht.
Chrischilles: Der Bezirk hätte uns ablehnen und sagen können: Ihr spielt Bezirksliga. Ich habe mich bei Gerd Schäfer (dem Vizebezirksvorsitzenden) bedankt, dass es so gelaufen ist und dass Volkach nicht wegen uns absteigen musste.
Demel: Man muss fairerweise sagen, dass der BHV auch froh war, mit uns eine Mannschaft zu haben, die ihn in der dritten Liga stets gut vertreten hat. Wir haben ja noch eine zweite Mannschaft, wo sollte die denn antreten? Mit der jetzigen Lösung sind alle Parteien zufrieden.
Chrischilles: Ja, das stimmt. Das Gerüst der Mannschaft steht. Beim Trainer sind wir zuversichtlich.
Demel: Ja, nicht nur für uns. Für den ganzen Landkreis.