Seit Mitte Oktober rauschen die Bobs wieder die Eiskanäle hinunter. Am Wochenende beginnt die neue Wettkampf-Saison mit der deutschen Meisterschaft in Altenberg. Dort und eine Woche später am Königssee im zweiten Selektionsrennen werden die deutschen Starter im Welt- und Europacup ermittelt. Nur einer ist gesetzt: Francesco Friedrich, der Superstar seiner Zunft. Der Sachse kann sich in beiden Veranstaltungen auf Materialtests konzentrieren. Sollte Friedrich bei seiner Heim-WM in Altenberg Mitte Februar 2020 den sechsten Titel im Zweier hintereinander schaffen, würde der 29-Jährige den Italiener Eugenio Monti als Rekordhalter ablösen und wohl eine Bestmarke für die Ewigkeit aufstellen. Das ist seit langem sein großes Ziel.
Zwischendurch legte ein Magen-Darm-Virus die Crew für drei Tage matt
Zwischen dem heimischen Königssee, dem Olympischen Trainingszentrum Kienbaum östlich von Berlin und dem in Erzgebirge liegenden Altenberg gependelt ist in den letzten Wochen das Bobteam von Johannes Lochner. Zwischendurch legte ein Magen-Darm-Virus die Crew für drei Tage matt. Christian Rasp, seit Jahren Anschieber-Stammkraft vor allem auf der letzten Position im Viererbob, erinnert sich mit Schaudern daran. Aber mittlerweile ist das verlorene Körpergewicht aufgeholt. "Es passt wieder alles", sagt Rasp.
Nach dem enttäuschenden Ausklang der letzten Saison will der Unterfranke aus Mainbernheim (Lkr. Kitzingen) mit Lochner nun wieder angreifen. Bei der WM im kanadischen Whistler Mountain war die Crew vom WSV Königssee in beiden Disziplinen fernab der Medaillenränge gelandet. Auf der schnellsten und schwierigsten Bahn der Welt kam Lochner im Zweier mit dem Material nicht zurecht. Im Vierer stieß der Weltmeister von 2016 an seine fahrerischen Grenzen. In dieser Saison setzt Lochner auf ein neues Zweier-Modell, wieder aus der deutschen Technologieschmiede FES. Der Wettbewerbsnachteil sollte damit der Vergangenheit angehören, aber Lochner tüftelt noch an der Lenkung: "Das dauert seine Zeit." Im Vierer kommt zumindest vorerst das bewährte Gefährt vom österreichischen Konstrukteur Wallner zum Einsatz.
Auf die Frage nach den Saisonzielen äußert sich Lochner vorsichtig: "Eine WM-Medaille ist immer das Ziel, aber das Abschneiden im Gesamtweltcup ist auch wichtig." Im Vierer hatten Lochner & Co. im letzten Winter Gesamtrang drei geschafft, obwohl das erste Rennen wegen einer Verletzung von Lochner verpasst worden war. Das gelang auch dank des Gewinns der Europameisterschaft vor Heimpublikum am Königssee - vor Francesco Friedrich.
Die neue Weltcup-Saison beginnt in Übersee, aber eine Woche später als geplant. Da Park City wegen eines defekten Kühlsystems absagen musste, geht es nun für zwei Wochen nach Lake Placid (USA). Am 7./8. Dezember werden Zweierbob-Rennen gefahren, am 14./15. Dezember folgen die Viererbobs mit zwei Wettkämpfen. Auf deutschem Boden wird am 4./5. Januar in Winterberg und am 25./26. Januar am Königssee gefahren.
Schon seit 1. April hat sich Christian Rasp am Verbandssitz in Berchtesgaden mit Athletiktraining vorbereitet. Der 30-jährige Polizist hat dabei versucht, seinen Ehrgeiz zu zügeln und mehr Regenerationspausen einzubauen als bisher. "Ich musste mich überwinden, auch mal weniger zu machen. Ein paar Tage raus - und plötzlich war ich wieder schnell", sagt Rasp. Seit seinem Wechsel vom Sprint in den Bob hat er sich als einer der besten Anschieber im Weltcup etabliert. Bis zu den Olympischen Spielen 2022 in Peking will er auf jeden Fall weitermachen. Danach wird er als Polizei-Ausbilder tätig sein, ein erstes Praktikum dafür absolvierte er in diesem Jahr.
Das Team hat derzeit nur die Mindeststärke von drei Anschiebern
Ungewöhnlich: Das Team Lochner hat mit Rasp, Florian Bauer und Christopher Weber derzeit nur die Mindeststärke von drei Anschiebern. Gregor Bermbach hat seine Karriere beendet und wurde nicht mehr ersetzt, weil Lochner den Konkurrenzkampf herunterfahren wollte. Dann zog sich aber Marc Rademacher einen Knorpelschaden im Knie zu. Passieren kann im Bobsport jederzeit etwas (so fällt der Olympia-Zweite Nico Walther derzeit nach einem Sturz aus), aber riskant bleibt die Situation im bayerischen Team nur für die Selektionsrennen. "Die sind Vereinssache, für den Weltcup stellt dann der Verband die Teams auf", erklärt Lochner. Notfalls einen Leih-Anschieber aus einem anderen Team zu bekommen, wäre eine ganz normale Sache.
Lochners Vierer stellt sich also derzeit von selbst auf, im Zweier wird er die Anschieber zunächst durchwechseln. In Altenberg fährt er mit Bauer, am Königsee dann mit Rasp. "Für den Weltcup schauen wir dann, wer die Nase vorne hat", sagt der Teamchef.
Ein Interview mit Christian Rasp aus dem Januar 2019 lesen Sie hier