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FUSSBALL: A-KLASSE
Die tiefe Krise des Ochsenfurter FV
Kabil Jabiri nimmt als Trainer des Ochsenfurter FV kein Blatt vor den Mund.
Foto: Hartmut Hess | Kabil Jabiri nimmt als Trainer des Ochsenfurter FV kein Blatt vor den Mund.
Steffen Forstner
 |  aktualisiert: 24.09.2019 02:10 Uhr

Es ist gerade zwei Monate her, da herrschte rund um den Ochsenfurter FV eitel Sonnenschein. Pünktlich zum Jubiläum „100 Jahre Ochsenfurter Fußball“ hatte der Verein im Rahmen seiner Sommervorbereitung die Stadtmeisterschaft gewonnen und damit große Hoffnungen auf eine erfolgreiche Saison geweckt. Aber schon nach den ersten drei Spielen in der A-Klasse 2 Würzburg ist diese Euphorie grenzenloser Ernüchterung gewichen. Noch ohne Punkt und mit einem katastrophalen Torverhältnis von 1:18 ist der OFV derzeit Tabellenletzter. Negativer Höhepunkt der sportlichen Demütigungen war am vergangenen Wochenende ein 0:10 zu Hause gegen den FC Kirchheim.

Fragt man Trainer Kabil Jabiri, was seine Mannschaft an diesem Tag geritten habe, verfällt er sofort in einen Redeschwall. Es scheint, als hätte er endlich ein Ventil gefunden, sich seinen ganzen Frust von der Seele zu reden. „Ich habe mich selbst nach dem Spiel gefragt: Was ist hier gerade passiert?“, beschreibt Jabiri sein Kopfkino nach der Klatsche. Weder als Aktiver noch als Trainer habe er zuvor im Herrenbereich schon mal zweistellig verloren.

„Ich kann nicht so handeln, wie ich es gerne möchte.“
Kabil Jabiri, Trainer Ochsenfurter FV

Gegen Kirchheim hatten die Ochsenfurter die erste Hälfte beim Zwischenstand von 0:3 noch erträglich gestaltet. Nach dem Wechsel wurden sie von den Gästen aber in ihre Einzelteile zerlegt und kassierten weitere sieben Tore. „Wenn man beim Stand von 0:5 oder 0:6 immer noch nach vorne läuft, anstatt hinten dicht zu machen, muss ich an der Intelligenz mancher Spieler zweifeln“, sagt Jabiri über das taktische Verhalten seiner Elf. Wegen akuten Personalmangels hatte der 38-Jährige nach vierjähriger Pause selbst in der Startelf auflaufen müssen. Im Vergleich zu der so verheißungsvollen Vorbereitung fehlt dem Trainer derzeit – ob verletzungs- oder urlaubsbedingt – eine komplette Elf.

Dies ist aber – daraus macht Jabiri keinen Hehl – längst nicht der einzige Grund, warum der Ochsenfurter FV sportlich so tief in die Krise gedriftet ist. Die Mängelliste, die der Trainer aufmacht, ist lang: „Zu viele individuelle Fehler, zu wenig Kommunikation auf dem Platz, fehlende Kondition und Führungsspieler – und zu schlechter Letzt nullkommanull Selbstvertrauen.“ Was ihm aber viel bitterer aufstößt, ist die Einstellung von Teilen seines Teams.

„Manche, und das sage ich ganz unverblümt, haben einfach keinen Bock. Denen ist es völlig egal, für welchen Verein sie gerade spielen, und sie wissen überhaupt nicht zu schätzen, was die vielen ehrenamtlichen Helfer hier im und um den Verein Woche für Woche leisten.“ Einmal in Rage, legt Jabiri nach: „Neben dem Platz verstehe ich mich super mit den Jungs, aber auf sportlicher Ebene könnte ich vielen den Hintern aufreißen.“

Nach dem Erfolg Mitte Juli bei der Stadtmeisterschaft habe so mancher Akteur an Selbstüberschätzung gelitten und geglaubt, er sei ein Superstar. Fünf, sechs Mann aus dem Kader der ersten Mannschaft würden sich seitdem teilweise nur noch zu den Trainingseinheiten verirren. Zudem sei das Samstagabend-Programm meist wichtiger als das Fußballspiel am Folgetag. „Mir fehlt der Ehrgeiz“, erklärt der Coach angesichts solcher Gegebenheiten. Man könne da nur an die Vernunft der Spieler appellieren, so Jabiri. Potenzielle Störenfriede wegzuschicken kann sich ein A-Klassist mit dünner Personaldecke nicht so ohne Weiteres leisten. Das weiß der Trainer, der deshalb sagt: „Ich kann nicht so handeln, wie ich es gerne möchte.“

Und was wäre, wenn er selbst Konsequenzen zöge? „Meine Motivation hat stark nachgelassen“, sagt Jabiri, dessen Bruder Adam für den Regionalligisten FC Schweinfurt 05 stürmt. Was ihn im Amt halte, sei sein Wort, das er der Vereinsführung im Winter vorigen Jahres gegeben habe, für diese Spielzeit zur Verfügung zu stehen. Sollte der Verein aber der Meinung sein, die Mannschaft brauche einen neuen Impuls, stehe er dem nicht im Weg.

Noch vor dem Punktspiel an diesem Sonntag beim SV Tückelhausen sollte es einen runden Tisch mit den Kluboberen, der sportlichen Führung und der Mannschaft geben. Den hat es am Donnerstag gegeben – mit dem Ergebnis, dass Jabiri bis auf Weiteres im Amt bleibt. Ihm sei von Seiten des Vereins das Vertrauen ausgesprochen worden. „Der Ball wurde ganz klar in Richtung Mannschaft gespielt.“ Von den Spielern seien laut Trainer allerdings etwa zehn entschuldigt ferngeblieben.

Ob das Gespräch zu einem Selbstreinigungsprozess oder einer neuen Eskalationsstufe führt, wird sich auf dem Platz zeigen. Jabiri, der auf der Maininsel längst den Abstiegskampf ausgerufen hat, sagt: „Ich erwarte von der Mannschaft auf jeden Fall eine deutliche Leistungssteigerung und eine Reaktion. Wenn man die Dinge schon nicht spielerisch lösen kann, kann man wenigstens rennen und kämpfen.“

 
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