Die Frühgeborenen werden sich erinnern an die Fußball-WM 1954 in der Schweiz: an das Wunder von Bern natürlich, mit Deutschland als Weltmeister – vielleicht aber auch an das Viertelfinalspiel der Gastgeber gegen Österreich. Die Schweiz verlor mit 5:7, und dass so viele Tore fielen, war, wie sich erst später herausstellte, einer einfachen Tatsache geschuldet: Beide Torhüter hatten einen Sonnenstich. Vierzig Jahre später kollabierte bei der Weltmeisterschaft in den USA ein Spieler der Iren auf dem Platz: Er sah wegen „Schauspielerei“ die Gelbe Karte.
Die Hitze schreibt zuweilen kuriose Geschichten, auch wenn die Sache einen ernsten Hintergrund hat. Beim Tennisturnier in New York brach am Wochenende die Weißrussin Victoria Asarenka bei Temperaturen von rund 35 Grad im Schatten zusammen. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht. Das Beispiel zeigt: Auch vermeintlich durchtrainierte Sportler sind vor der Hitze nicht gefeit. Wenn die Sonne so unerbittlich vom Himmel sticht wie am Sonntag und die Atmosphäre auf bis zu 37 Grad erhitzt, wünscht mancher sich eine Pause oder zumindest eine Verlegung des Wettkampfs vom Nachmittag in die kühleren Abendstunden. „Wir hätten am liebsten gar nicht gespielt“, sagt Helmut Pfaff, der Sportleiter des Fußball-A-Klasseklubs TSV Nordheim.
Dirk Dorbath, ehemaliger Zweitliga-Profi des FC Schweinfurt 05, heute Kreisliga-Spieler des TSV Abtswind II, wunderte sich, dass die Begegnungen angesichts „gefühlter 50 Grad“ nicht generell in den Abend hinein verlegt worden seien. Sportleiter Rudi Hummel vom TSV Geiselwind klagte: „Der Verband weiß seit einer Woche, dass es am Wochenende heiß wird. Wieso reagiert man da nicht am Donnerstag oder Freitag und verlegt die Spiele auf den Abend?“ Die schärfsten Spitzen kamen von Friedrich Kern. Der Trainer des FV Dingolshausen wurde im Fußball-Portal „Kick-Ticker“ mit den Worten zitiert: „Bei 40 Grad Fußball spielen zu müssen ist eine bodenlose Frechheit. Wir haben beim Verband angefragt und bekamen zur Antwort: Es ist ein bisschen warm, aber es wird nicht so heiß.“
Während im Frühjahr und Herbst immer wieder ganze Spieltage wegen Schlechtwetter abgesetzt werden, hat der Fußball-Bezirk Unterfranken erst ein einziges Mal der Hitze Tribut gezollt: Im „Jahrhundertsommer“ 2003 entschied sich ein Gremium mit dem damaligen Bezirksspielleiter Christof Hille an der Spitze, die Samstags- und Sonntagsspiele des 9./10. August auf 18.30 Uhr zu verschieben. Für Hilles Nachfolger, Dieter Carl, war dies am vergangenen, bislang heißesten Wochenende des Jahres „kein Thema“. Angesichts des von vielen Seiten beschworenen Klimawandels mag Carl nicht ausschließen, dass der Fußball-Verband sich in absehbarer Frist mit der Problematik befassen müsse. Bis dahin bleibt es den Klubs freigestellt, ihre Spiele bei allzu großer Hitze von sich aus zu verlegen – kostenfrei, wie Carl sagt.
Der Bezirksspielleiter aus Mömbris war am Sonntagabend selbst auf dem Fußballplatz – und er hatte nicht den Eindruck, dass es viel kühler gewesen sei als am Nachmittag. Für Wolfgang Beischmidt, den Trainer des SV Sonderhofen, und Claus Hoh, Sportleiter des TSV Biebelried, war der Effekt dagegen spürbar. „Es ist in der zweiten Halbzeit deutlich kühler geworden“, sagt Beischmidt. Hoh und auch Carl verweisen allerdings auf eine andere Problematik: Würden die Partien der ersten Mannschaften auf den Abend verlegt, müssten die zweiten Mannschaften in der prallen Nachmittagssonne spielen. Aber gerade in diesen Teams sind vielfach ältere und weniger fitte Spieler zu finden. Trainer Jan Hinrichs vom FV Schwarzenau/Stadtschwarzach äußert sich pragmatisch. „Um 18 Uhr zu spielen ist nicht besser als um 15 Uhr“, sagt er. „Wir sind alle Sportler.“
Wenn der Körper heiß läuft, ist es wichtig, ihn entsprechend zu kühlen und mit genügend Wasser zu versorgen. „Mindestens einen Tag vor dem Spiel sollten die Spieler damit anfangen, die Körperdepots zu füllen, und zwar mit reinem, kohlensäurefreien Wasser“, erklärt Sportwissenschaftler Ingo Froböse in der Online-Ausgabe der „Welt“. Ausreichend Reserven zu schaffen ist deswegen so wichtig, weil ein Fußballer bei der Hitze rund doppelt so viel Flüssigkeit brauche – zwei Liter –, als er zuvor in der Kabine aufnehmen und verarbeiten könne. Um den Körper zudem vor dem Überhitzen zu bewahren, helfe reichlich Eiswasser.
Die Profis unter den Kickern überhitzen nach Angaben des Mediziners deutlich langsamer als Amateure, da sie „viel besser schwitzen“ könnten. Der Körper eines Profis verliert zwar normalerweise mehr Flüssigkeit, aber sein Schweiß ist dünnflüssiger als der eines Amateurspielers. Dies führt dazu, dass weit weniger Mineralien ausgeschwemmt werden. Zudem besitzt ein Profispieler mehr Schweißdrüsen. Er kann Hitze also leichter loswerden als der Kollege aus dem Amateurlager und bis zu 15 Prozent mehr Leistung bringen.
Spielleiter Carl sind am vergangenen Wochenende nach eigener Auskunft keine Fälle bekannt geworden, bei denen Fußballer kollabiert seien. Die Schiedsrichter hielten sich in der Hitze des Gefechts offenbar an die je 45 Minuten empfohlene eine Trinkpause. Ansonsten verweist Carl eher auf Allgemeinplätze. „Wir sind eben ein Freiluftsport“, sagt er. Dazu passt die Aussage des Mönchengladbacher Trainers Lucien Favre: „Wir können schließlich nicht im Schatten Fußball spielen.“