Der US-Milliardär Warren Buffett soll dem deutschen Schlagerstern Helene Fischer 100 Millionen Dollar dafür geboten haben, dass sie mit ihrem „fürchterlichen Geplärre“ aufhöre. Respekt, dachte ich. Der Mann hat Geschmack. Aber dann musste ich lesen, dass es sich nur um eine Satiremeldung der US-Online-Zeitung Huffington Post handelte.
In einer deutschen Zeitung las ich, Helene Fischer dürfe nicht mehr in der Halbzeitpause des DFB-Pokalendspiels singen. Der DFB-Präsident Reinhard Grindel wird zitiert, selten habe er so einfallslose und eintönige Musik gehört. „Ich bin froh, dass ich die Songtexte von ihr nicht verstehe. das würde das Ganze bestimmt noch schlimmer machen.“ Wie bitte? Ach so, Grindel hat das gar nicht gesagt. Hat Buffett gesagt. Also, jetzt nicht in echt, sondern bloß in besagter Satire.
Es ist ein bisschen kompliziert. Man weiß heute gar nicht mehr, wer was gesagt hat und wann und wo er was gesagt hat – und vor allem, ob er es so gemeint hat, wie er es gesagt hat. Die AfD ist berühmt darin, etwas zu sagen, was sie so angeblich gar nicht gemeint hat, aber das ist ein anderes Thema.
Nachdem Helene Fischer zuletzt aufgrund eines „hartnäckigen Infekts“ mehrere Konzerte abgesagt hatte, war sie nun mit den Worten zu vernehmen, sie wolle wieder singen. Ich dachte zuerst, es sei Satire. Leider nicht. Sie meinte es wohl ernst. Eins aber scheint seit dieser Woche doch sicher zu sein: In der Pause deutscher Fußball-Pokalendspiele wird man sie nicht mehr erleben.
Ich halte das für keinen Verlust. Man entkommt dieser Frau ja sonst gar nicht mehr. Der DFB-Präsident, Herr Grindel, will in Zukunft „ausschließlich den Fußball in den Mittelpunkt des Pokal-Finals stellen“. Das ist vernünftig und darf als Zugeständnis an all jene gewertet werden, die den Auftritt der Fischer im vorigen Jahren mit lauten Pfiffen quittierten. Für die Schlagersängerin war das eine neue Erfahrung – auch wenn sie an diesem Tag wohl nur als Projektionsfläche der Fans herhalten musste.
Die Pfiffe, so erklärte ein Experte der Universität Hamburg, seien als „generelle Kritik an den Funktionären des DFB und der DFL zu verstehen“ – weil die aus dem Fußballspiel ein Event machen wollen. Also ging es den Leuten letztlich gar nicht um die so trivialen Texte und mediokren Melodien der Sängerin? So sieht das der Soziologe. „Helene Fischer stand an jenem Samstag als Symbol für die Politik der DFL, den Fußball kommerziell weiter auszuschlachten, und das Pfeifen steht für die Kommerzialisierung mit allen vom Fan ungeliebten Facetten.“
Der Experte dringt in seiner Analyse noch ein Stück tiefer in die Seele deutscher Stadionbesucher vor. „Die Fans wollen, dass ihre Stars gearbeitet und gekämpft haben, bis der Arzt kommt. In diesem Szenario ist kein Platz für Helene Fischer.“ Die Schlagerqueen wird das sicher nicht gerne hören, aber ich nehme an, sie kann es verschmerzen. Und der DFB darf von sich behaupten, dass er sich mit dieser kleinen Geste (die ihm in keiner Weise wehtut) ein Stück weit auf die Fans zubewegt, von denen er sich die letzten Jahre immer weiter entfernt hat.
Merkwürdig fand ich in diesem Zusammenhang nur den Satz Reinhard Grindels: „Wir gehen davon aus, dass die Fans das würdigen.“ Wie hat er das gemeint? Erwartet er, dass sie ihm jetzt alle Montagsspiele protestlos durchgehen lassen? Dass sie sagen: Och, wie nett, du ersparst uns Helene Fischer, dafür verzichten wir in Zukunft auf Spruchbänder mit „Fick dich, DFB“? Nein, nein, so läuft das nicht.
Ein Leser schrieb mir, den wirklichen Fan interessiere das viele Geld im Profifußball nur am Rande. Das glaube ich nicht. Ich denke, gerade weil der Fußball sich mehr und mehr Richtung Kommerz entwickelt hat, erhebt sich diese Protestwelle im Land. Man muss diese Proteste nicht in all ihren Formen gutheißen, aber sie treffen den Kern. Stünde ich vor der Wahl, montags eine Bundesligapartie zu besuchen oder ein Schlagerkonzert, ich würde zu Helene Fischer gehen.