Eines ist sicher: Egal mit welchem Ergebnis am Samstagabend die Partie des TSV Rödelsee mit dem HSC Bad Neustadt enden wird, Julius Weinhardt wird auch danach noch Handball spielen. „Das war doch nur im Scherz, dass ich mal gesagt habe, wenn wir gegen Bad Neustadt gewinnen, beende ich meine Laufbahn“, klärt der gerade 20 Jahre jung gewordene Sportler diese Geschichte auf. Weinhardt, der wahrscheinlich einzige waschechte Bad Neustädter, trägt seit vier Jahren das Rödelseer Trikot.
Schon das Spiel an sich gegen seinen Heimatverein, bei dem er als Fünfjähriger die ersten Tore warf, ist für ihn eine „Riesensache“. Was wäre erst ein eventueller Sieg? „Zu gewinnen, das wäre ein echter Traum. Wenn wir es schaffen, sie richtig zu ärgern, wäre das schon klasse“, sagt der Allrounder, der Rödelsee klar als Außenseiter sieht.
Mit Thomas Paul und Maximilian Häckner kannte er zwei Rödelseer Spieler, die in der Jugend für die Handball-Hochburg in der Rhön am Ball gewesen waren. Und so wagte Julius Weinhardt den Schritt, den er nicht bereut hat. Auch wenn er seither mehrmals in der Woche gut neunzig Kilometer einfach auf der Autobahn zu bewältigen hat.
Die Strecke fahre er inzwischen im Schlaf, „da kann ich den Autopiloten einschalten“, meint Weinhardt. Seit kurzem hat sich die Route geändert. Der 20-Jährige hat diesen Monat ein Studium für Wirtschaftsingenieurwesen in Erlangen aufgenommen. Dort wohnt er nun auch. Seine Heimat ist nach wie vor Bad Neustadt, wo Julius Weinhardt in erster Linie an den Wochenenden sein wird, um die Familie und Freunde zu besuchen. Als Knirps saß er natürlich bei den Heimspielen des HSC auf der Tribüne. Seither hat sich einiges geändert – mit Rödelsees Aufstieg ist auch er in neuen Dimensionen.
„Dritte Liga!“, sagt er „Da muss ich mich kneifen. Als ich in Neustadt zuschaute, dachte ich nie, dass ich das mal schaffen würde. Erst recht nicht, dass ich mal gegen die erste Mannschaft des HSC spielen würde.“ Weinhardt kennt fast alle der HSC-Akteure, gegen die es an diesem Samstag für ihn geht. „Den ein oder anderen habe ich abends mal getroffen oder im Fitness-Studio.“ Er ist zufrieden, dass er sich für die Rödelseer entschieden habe. Vergangenes Jahr hatte der HSC bei ihm noch mal angefragt, ob er zurückkehren wolle – damals steckte er im Abitur, den hohen Trainingsaufwand hätte er nicht bewältigen können, also blieb er in Rödelsee und in der Bayernliga.
Es folgte der Aufstieg, und jetzt, in der dritthöchsten Spielklasse, ist er zu einem fixen Baustein des TSV geworden. „In Rödelsee bekomme ich viel mehr Einsatzzeit, ich habe zuletzt fast 30 Minuten gespielt“, sagt er. „Das ist mehr, als ich mir ausgerechnet habe. In Bad Neustadt wäre das wohl nicht möglich.“ Beim Klub am Schwanberg schätzt Trainer Suchy den 1,82 Meter großen Akteur für dessen Variabilität. Fast alle Positionen kann Weinhardt spielen, am wohlsten fühlt er sich in der Mitte, als Spielmacher, wie er erklärt.
Auf den Halbpositionen ist es in der neuen Liga zusehends schwierig. „Wenn du als relativ kleiner Spieler, wie ich es bin, im Rückraum werfen willst, siehst du manchmal gar nicht das Tor, weil da Schränke von Gegenspielern vor dir stehen“, schildert er einen Unterschied. Hinzu kämen in dieser Spielklasse das Mehr an Härte, und die Ausgeglichenheit der Kontrahenten.
Für wen seine Familie am Samstag die Daumen drücken werde, da ist er sich nicht ganz sicher. Auf der Tribüne werden seine Angehörigen auf jeden Fall sein. „Ich glaube, sie sind da neutral. Sie freuen sich, es ist für sie auch was Besonderes, dass ich dritte Liga spiele“, so Weinhardts salomonische Aussage. Jede Menge Freunde und Bekannte aus Bad Neustadt erwartet er unter den Zuschauern. Die Vorfreude auf den Tag könnte kaum größer sein bei ihm. „Wenn ich über den Samstag und das Spiel rede, muss ich grinsen.“ Hoffentlich kann Julius Weinhardt auch hinterher noch lächeln.
Ein bisschen Widerstand
Auf eine ausverkaufte Halle hoffen die Rödelseer am Samstagabend beim Derby gegen Bad Neustadt. Nach dem Sieg über Friedberg waren sich Spieler und Verantwortliche einig, wenn vom nächsten Spiel die Rede war. „Auf den HSC freuen wir uns alle“, blickte etwa Christian Häckner voraus. Sein Trainer Dusan Suchy zeigte sich ebenfalls gut gelaunt und meinte: „Wir nehmen die Freude mit in die Partie und wollen ein bisschen Widerstand leisten.“ Er sieht sein Team als „krassen Außenseiter“, gibt sich aber auch angriffslustig: „Wir werden die Punkte nicht kampflos abgeben.“