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Fußball
Latteiers Rücktritt vom Rücktritt
Das Gespräch führte Eike Lenz
 |  aktualisiert: 07.09.2017 21:13 Uhr

Thomas Latteier war in der vergangenen Saison bereits als Trainer Bayern Kitzingens zurückgetreten. Unmittelbar nach dem 1:8-Debakel in Hollfeld hatte er sein Team in der Kabine wissen lassen, dass er dessen Auftritte in der Landesliga nicht länger begleiten werde. Erst das intensive Werben des Vereins um ihn stimmte den 43 Jahre alten Scheinfelder noch einmal um. Nun wird Latteier wie geplant seinen Posten zum Ende dieser Saison aufgeben – nach fünf bewegten Jahren, in denen er den Klub von der Bezirksliga in die Landesliga führte, mit ihm abstieg und wieder an der Spitze der Bezirksoberliga etabliert hat. Im Interview spricht er über seinen Fehler als Trainer, den Rücktritt vom Rücktritt, und die Motive für den endgültigen Abschied.

Frage: Erinnern Sie sich an den 15. Mai 2011?

Thomas Latteier: Der Tag, an dem wir mit Bayern Kitzingen abgestiegen sind?

Nicht ganz. Der Tag, als Bayern Kitzingen 1:8 in Hollfeld verlor. Aber für viele war das wie der vorgezogene Abstieg aus der Landesliga.

Latteier: Ja, ein bitterer Moment für uns alle.

Der bitterste Moment Ihrer Trainerlaufbahn?

Latteier: Das würde ich nicht sagen. Aber das war natürlich eine Leistung, die man so nicht akzeptieren konnte und die auch Folgen hatte. Was viele nicht mitgekriegt haben: Ich war damals für kurze Zeit kein Bayern-Trainer mehr.

Wie darf man das verstehen?

Latteier: Gleich nach dem Schlusspfiff teilte ich der Mannschaft in der Kabine meinen Entschluss mit. Nach diesem Auftritt war für mich klar: Es würde so keinen Sinn mehr machen. Die Mannschaft hatte an diesem Tag eine Leistung abgeliefert, die Bayern Kitzingen in keiner Weise gerecht geworden war.

War dieser Rücktritt ein Prozess, der gereift ist und nur noch eines Auslösers bedurfte?

Latteier: Natürlich hatte ich mir zuvor schon meine Gedanken gemacht, gerade weil ich merkte, dass manche in der Mannschaft sich nicht mehr so präsentierten, wie das notwendig gewesen wäre, und Ausfallerscheinungen zeigten. Der Trainer ist da immer der Erste, der seinen Kopf hinhalten muss. Nach diesem Spiel war der Zeitpunkt erreicht, an dem ich mir sagte: Jetzt musst du als Trainer reagieren. Und das habe ich dann ja auch getan. Ich hatte allerdings nicht mit so einer Welle an Sympathie und Emotionen gerechnet.

Wie sahen diese Emotionen aus?

Latteier: Die Vereinsspitze der Bayern war am nächsten Tag geschlossen bei mir in Scheinfeld, auch Vertreter des Mannschaftsrats, und alle sagten mir, dass ich weitermachen solle. Sie versicherten mir, dass es am Allerwenigsten an mir liege. Also war ich bereit, noch mal mit ganzer Kraft anzupacken.

Konnten Sie gleich wieder zur Tagesordnung übergehen?

Latteier: Ich war betroffen, weil mir die Mannschaft und auch der Verein ans Herz gewachsen waren. Mich rief damals auch noch unser zweiter Vorsitzender Robert Brandl an – und dieser Anruf ging mehr sehr nahe, denn ich merkte, dass ich in all den Jahren ein wichtiger Bestandteil Bayern Kitzingens geworden bin, nicht nur als Trainer.

Beschleichen einen als Trainer da auch Selbstzweifel? Waren Sie womöglich zu weich?

Latteier: Ja, ich sagte ja schon nach der Runde, dass ich die Spieler in gewissen Situationen zu sehr geschützt hatte. Das war sicher ein Fehler, und das muss ich mir auch vorwerfen lassen. Aber es war auch der Personalnot geschuldet. Ich hatte keine Alternativen – das gilt gerade für das Spiel in Hollfeld. Da standen fünf Spieler im Kader und auf dem Feld, die sonst für die Reserve in der A-Klasse aufliefen. Das hatte in der zweiten Halbzeit zur Konsequenz, dass wir abgeschlachtet wurden.

Was gibt einem als Trainer die Kraft, in so einer Situation noch einmal durchzustarten? Tagt in solchen Fällen sogar der Familienrat?

Latteier: Ich sprach mit meiner Frau und später auch mit meinem Schwiegervater, der auch Fußball spielte. Ich kam immer wieder zum Ergebnis: Es wäre schade nach der tollen Zeit bei Bayern Kitzingen, wenn es so zu Ende ginge.

Viele meinen, mit der Mannschaft, über die Sie in dieser Saison verfügen, wären Sie nie und nimmer aus der Landesliga abgestiegen.

Latteier: Ja, dieser Meinung bin ich auch. Wir sind in der Breite deutlich besser aufgestellt. Aber man muss die Situation der vergangenen Saison sehen: Unsere ganzen Planungen, auch in personeller Hinsicht, waren allein auf die Bezirksoberliga gerichtet. Unser Bestreben war es, junge, hungrige Spieler zu holen. Und auf einmal bist du Erster und steigst in die Landesliga auf. Dann sind mit Mark Leißing, Stefan Güntner oder Stefan Röser reihenweise Korsettstangen weggebrochen.

Mancher nahm es Ihnen übel, dass Sie dem Team die Landesliga-Tauglichkeit absprachen.

Latteier: Lieber so, als wenn ich im-mer wieder sage: alles wunderschön, und die Spieler klopfen sich selbst auf die Schulter. Man sieht jetzt, dass die, die in der Landesliga am Limit waren, in der Bezirksoberliga wieder zu den Leistungsträgern gehören. Aber man muss auch aufpassen, dass sie nicht denken, sie seien Superstars, wenn sie mal fünf, sechs gute Spiele gemacht haben.

Hätten Sie sich am Ende der Saison verabschiedet, wenn es Ihnen gelungen wäre, mit den Bayern in der Landesliga zu bleiben?

Latteier: Nein, ich hatte ja schon im Winter meine Zusage für ein weiteres Jahr gegeben. Aber es war klar, dass es meine letzte Saison sein würde, weil ich privat und beruflich zu stark eingebunden bin. Mein elfjähriger Sohn spielt seit kurzem beim 1. FC Nürnberg, und für mich hatte die Fußballwoche im letzten halben Jahr keine sieben Tage mehr, sondern acht. Ich war vormittags bei meinem Sohn am Platz, nachmittags bei Bayern Kitzingen, und das wird nächste Saison sicher noch intensiver. Deshalb werde ich als Trainer zunächst ein Jahr pausieren.

Was würden Sie Ihrem Sohn denn raten, wenn er käme und sagte, er wolle unbedingt Profi werden?

Latteier: Erst einmal muss er wissen, dass die Chance, Profi zu werden, bei 1:100 liegt, egal ob in Nürnberg oder in Fürth. Man muss den Kindern klar machen, dass das nur als Ausbildung zu sehen ist. Wichtig ist in erster Linie die Schule. Das gibt auch der Verein vor, und davor habe ich großen Respekt.

Sie waren Halbprofi in der Regionalliga beim TSV Vestenbergsgreuth. Ist die Zeit schwieriger geworden für junge Talente, weil die hohen schulischen Anforderungen kaum noch mit dem Fußball zu vereinbaren sind?

Latteier: Mein Sohn ist elf und trainiert in Nürnberg teils unter Profibedingungen, dreimal die Woche, und am Wochenende geht es quer durch Deutschland zu Turnieren. Da ist es nicht leicht, die Schule zu schultern. Wenn man nach ganz oben kommen möchte, gibt es nur noch Schule und Fußball und so gut wie keine Minute Freizeit mehr.

Gehören Sie noch zu der Generation von Spielern, die mit dem Fahrrad kilometerweit zum Fußballplatz gestrampelt sind, um zu trainieren?

Latteier: Ich spielte früher in Markt Bibart in der Jugend, und unser Fußballplatz lag vier Kilometer weiter in Altmannshausen. Da mussten wir in der C-Jugend immer mit dem Fahrrad hinfahren. Das sind so Geschichten, über die man leise lächelt. Auch über unseren damaligen Trainingsplatz in Vestenbergsgreuth würde man heute schmunzeln.

Sie sind mit den Kitzingern zweimal aufgestiegen, einmal abgestiegen, und nach dem Stand der Dinge werden Sie in dieser Saison erneut aufsteigen. Sie übergeben Ihrem Nachfolger eine Fahrstuhlmannschaft.

Latteier: Ich denke, das ändert sich, wenn wir am Ende die Landesliga erreichen. Die Klasse wird nicht mehr so stark sein nach der Reform, außerdem kann sich der Verein schon jetzt auf die Situation einstellen. Wenn die Bayern zu den Leistungsträgern, die alle nicht älter als 23 Jahre sind, noch zwei bis drei Spieler holen, haben sie über Jahre eine ordentliche Landesligamannschaft.

 
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