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Fußball
Als der FC Bayern den Sickergrund füllte
Ein Schrein voller Erinnerungen: Vorsitzender Mathias Rumpel posiert im Sportheim vor den Memorabilien der Partie gegen den FC Bayern im Jahr 1995.
Foto: Andreas Stöckinger | Ein Schrein voller Erinnerungen: Vorsitzender Mathias Rumpel posiert im Sportheim vor den Memorabilien der Partie gegen den FC Bayern im Jahr 1995.
Andreas Stöckinger
Andreas Stöckinger
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:49 Uhr

Ob das Stadion im Kitzinger Sickergrund noch einmal eine solche Kulisse sieht wie am Sonntag, 30. Juli 1995? Vor 20 Jahren pilgerten knapp 10 000 Fußballfans und Neugierige zu dem Sportgelände, als der große FC Bayern München zum Spiel gegen den SSV Kitzingen antrat. „Gesprächsstoff für die Ewigkeit“, schrieb diese Zeitung am Tag danach. Und weiter: „Ein friedliches Fußballfest, das es in Kitzingen noch nie gegeben hat.“

In der Tat war es für die Teilhabenden der wohl größte sportliche Moment in ihrer Zeit als Spieler oder als Funktionär, ein Ereignis, um das sich Anekdoten und Geschichten ranken. Schließlich traten die Bayern damals mit nahezu allen ihren Stars an, trainiert von Otto Rehhagel. Nur die damals verletzten Lothar Matthäus, Oliver Kreuzer, Christian Ziege, Thomas Helmer und Jean-Pierre Papin waren in Kitzingen nicht dabei. Der Anlass des legendären Duells war das Jubiläum „1250 Jahre Stadt Kitzingen“. Die Sparkasse mit ihrem damaligen Werbeleiter Adi Rieß hatte die Kontakte geknüpft, wie der damalige SSV-Vorsitzende und heutige Kitzinger Oberbürgermeister Siegfried Müller weiß. „Das war ein absolutes Top-Ereignis. Wir hatten damals großes Glück, dass es damals über die Sparkasse und die Bayerische Landesbank gelaufen ist.

Heute wäre so etwas undenkbar.“ Für Müller war die Partie „das Highlight in meiner Zeit als Vorsitzender neben dem Sportheimbau“.

Bis zum Anpfiff gab es alle Hände voll zu tun, viele Besprechungen und Sitzungen waren vorher beim Verein nötig. Zusätzliche Absperrgitter wurden von der Bereitschaftspolizei geholt und aufgebaut, ein Verkehrskonzept musste eigens für die Besucherströme erstellt werden, die Parkplätze am E-Center und am Aldimarkt wurden mitgenutzt. Rund 180 Freiwillige sorgten dafür, dass alles reibungslos ablief.

Tore gab es reichlich zu sehen: Mit 15:1 siegten die Münchner seinerzeit. „Die Zuschauer sind auf ihre Kosten gekommen, und bei uns hat sich niemand verletzt“, sagte Bayern-Trainer Rehhagel. Ein großes Lob spendete Bayern-Manager Uli Hoeneß den Organisatoren. Ein dermaßen gut organisiertes Freundschaftsspiel habe er selten erlebt, meinte dieser hinterher beim Bankett in der Turnhalle. Nach dem Spiel ließen sich die Münchner gut eine Stunde Zeit für ihre Gastgeber.

Für die Spieler des SSV Kitzingen, damals in der Bezirksliga angesiedelt, wurde das Treffen auf dem Spielfeld mit den Stars wie Oliver Kahn, Jürgen Klinsmann oder Mehmet Scholl „ein einmaliges, überragendes Erlebnis“, wie nicht nur Mathias Rumpel meinte. „Da wurden dir die fußballerischen Grenzen mal so richtig aufgezeigt. Es gibt nichts, was man da negativ sehen kann“, erklärt der heutige Vorsitzende und damalige Mittelstürmer. Den Ball bekamen er und seine Mitspieler eher selten zu sehen, die Unterschiede zeigten sich rasch. „Das ging so schnell! Wir lagen nach wenigen Sekunden schon 0:2 hinten. Damals war ich gut im Kopfball, aber gegen Kuffour oder Babbel hattest du keine Chance“, musste Rumpel feststellen.

Den vielleicht undankbarsten Job an diesem Tag hatte der Torwart. Das war zu dieser Zeit Andreas Lang, der aus Gülchsheim in die Siedlung gewechselt war. Er selbst sieht das nicht so. „Ich konnte doch nur gewinnen.“ Unvergesslich blieb für ihn vor allem „der Moment, wenn du mit der Musik ins Stadion einläufst und du die Masse an Zuschauern siehst. Das war schon ein erhebendes Gefühl.“ Seine ganz persönliche Story erlebte Lang, als er nach 55 Minuten ausgetauscht wurde.

Mit Michael Hell, Bernd und Rudi Wenkheimer machte er Platz. „Um die Zeit wurden auch Mehmet Scholl und Thomas Strunz ausgewechselt. Wir saßen mit Scholl und Strunz in der Kabine, haben ein Bier getrunken und bestimmt zwanzig Minuten geredet“, weiß Lang noch. Er wird oft an diesen Tag erinnert. „Ich habe daheim ein Riesen-Poster vom Spiel in meiner Wohnung, daran laufe ich jeden Tag vorbei.“

Mit Timo Scheerer schaffte ein anderer Gülchsheimer im Dress der Kitzinger etwas, wovon viele träumen: Er erzielte ein Tor gegen die Münchner, den Ehrentreffer damals zwei Minuten vor Ende. Das und manch anderes hat sich bei Gerd Kristinus, der als Libero auf dem Platz stand, im Gedächtnis eingebrannt. „Du warst aufgeregter als sonst was. Mancher Profi spielt nicht mal in seiner Karriere ge-gen die Münchener. Wenn der Mehmet Scholl aus zwanzig Metern einen Freistoß schoss, war das ja wie ein Elfmeter.“

Ein besonderes Spiel war diese Begegnung auch für Ludwig Bauer, der die Partie als Schiedsrichter leitete. „Für mich war das ein großes Glück. Allein der Einzug ins Stadion war ein erhebendes Gefühl. Aber das Spiel zu pfeifen hätte jeder geschafft“, erzählt Bauer. An eine Situation denkt er besonders: als sich Münchens damaliger Co-Trainer Klaus Augenthaler in der 75. Minute einwechseln mochte. Das Problem: Augenthaler stand gar nicht auf dem Spielbericht und hätte eigentlich nicht einfach mitmachen dürfen. „Da habe ich eben ein Auge zugedrückt“, sagt Bauer und schmunzelt. Den original Spielberichtsbogen dieses 30. Juli 1995 durfte er mit nach Hause nehmen.

Das Jubiläumsspiel am 30. Juli 1995

SSV Kitzingen – Bayern München 1:15 (0:7)

Kitzingen: Andreas Lang (55. Guido Weiglein); Michael Hell (55. Reiner Scherbaum), Elmar Most (64. Silvio Scintu), Christian Hofrichter (70. Jochen Hiller), Gerd Kristinus, Rolf Ott (62. Timo Scheerer), Heiko Kordmann (75. Franz Klügl), Rudi Wenkheimer (55. Martin Bemerl), Mathias Rumpel (75. Philip Koch), Thomas Stumpf (70. Jürgen Wermuth), Bernd Wenkheimer (55. Marcus Müller). – Trainer: Karl-Heinz Fesel.

München: Oliver Kahn (46. Michael Probst); Thomas Strunz (60. Samy Osei Kuffour), Marcus Babbel (46. Dieter Frey), Dietmar Hamann, Alexander Zickler, Andreas Herzog, Ciriaco Sforza (75. Klaus Augenthaler), Christian Nerlinger, Mehmet Scholl, Alain Sutter, Jürgen Klinsmann. – Trainer: Otto Rehhagel.

Schiedsrichter: Ludwig Bauer (Gerolzhofen).

Gelbe Karte: Müller (Kitzingen).

Zuschauer: 9000 (im Sickergrundstadion).

Tore: 0:1 Zickler (1.), 0:2 Sutter (2.), 0:3 Klinsmann (18.), 0:4 Scholl (25.), 0:5 Herzog (28.) 0:6 Nerlin- ger (32.), 0:7 Scholl (36.), 0:8 Nerlinger (48.), 0:9 Scholl (57.), 0:10 Hamann (60.), 0:11 Herzog (68.), 0:12 Klinsmann (72.), 0:13 Kuffour (78., Elfmeter), 0:14 Frey (80.), 0:15 Scholl (83.), 1:15 Timo Scheerer (88.).

 
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  • Ludwig_Bauer@gmx.de
    Man darf der Kitzinger Sparkasse dankbar sein, dass sie vor 20 Jahren dieses Sportereignis ermöglichte. Das war sicher für alle Beteiligte und vor allem den zahlreichen Besuchern "das" Ereignis des Jahrzehnts. Die Bayern live im Sickergrund heute - wäre nicht zu bezahlen. Nochmals danke!
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