Diesen Fußball-Sommer wird Philipp Freudinger wohl nie vergessen. Nicht nur, weil seine Idole kürzlich in Brasilien Weltmeister wurden. Sondern eher, weil der eben erst 16 Jahre alt gewordene leidenschaftliche Kicker als Spieler der deutschen Auswahl das Trikot bei den Europameisterschaften in Portugal trug. Ein Nationalspieler aus Obernbreit also. Das dürfte es auch noch nicht gegeben haben.
Um den Titel, wie die Großen, spielte seine Mannschaft nicht mit. Auf Rang neun landeten die Deutschen mit Philipp, was seinen Ehrgeiz aber erst recht angestachelt hat. „Für mich ist es eine riesige Motivation für die Zukunft. Nächstes Jahr ist WM. Es ist noch nicht sicher, ob wir die Teilnahme schaffen. Aber ich bin ja noch jung, eine Weltmeisterschaft wäre schon ein Ziel“, blickt er schon einmal voraus. Zumal sich die besten der WM für die Paralympics qualifizieren, dem höchsten sportlichen Wettbewerb in dieser Sparte.
Aber der Reihe nach. Philipp Freudinger ist Fußball-Nationalspieler der deutschen CP-Auswahl. Die Abkürzung CP bedeutet Cerebralparese. Ein Nachschlagewerk benennt es als „bestimmte Bewegungsstörungen, die entstehen, wenn die Bereiche des Gehirns, die diese Bewegungen kontrollieren, nicht richtig arbeiten“. Philipp hatte als Säugling einen Schlaganfall und ist seitdem auf der rechten Körperseite beeinträchtigt. Dabei wird die Behinderung in verschiedenen Klassen unterschieden, von fünf, der schwersten, bis acht. Philipps Klasse ist sieben. Er hat Schwierigkeiten mit der Hand, die er durch eine Spastik unnatürlich verkrampft hält. Das wiederum schränkt seine Motorik etwas ein.
Nicht zu stark, denn Philipp spielt auch bei den Junioren-Fußballern der FG Marktbreit/Martinsheim ganz normal mit. Wegen seines Handicaps ist er eine Jahrgangsstufe zurück gesetzt. Zuletzt spielte er in der C-Jugend als Innenverteidiger. „Das geht schon, stürmen und Tore schießen macht aber mehr Spaß“, sagt er über seine Rolle. In der deutschen Auswahl darf er, übrigens als jüngster im Team, im Mittelfeld ran.
Dass es eine deutsche Auswahl für seine Sparte gibt, darauf stießen die Freudingers im Winter 2013 durch Zufall beim Skifahren, als sie einen Referenten der DBS (Deutsche Behindertensport)-Akademie kennenlernten. Es folgte eine Einladung zu einem Lehrgang in die Sportschule nach Hennef für den Realschüler, wonach er gleich für ein internationales Turnier im August 2013 in Wien nominiert wurde.
Singapur, Österreich und Holland hießen die Gegner dort. Beim 3:0 gegen Österreich erzielte ein Tor selbst und bereitete die anderen beiden vor. Gegen Holland verloren die Deutschen unglücklich mit 0:1. Dennoch wurde Philipp später zum besten Spieler des Turniers gewählt.
Im Herbst folgte ein Spiel in Holland (0:0), danach bildeten die Deutschen eine richtige Nationalmannschaft und meldeten sich für die Europameisterschaft an. Als Trainer stieg der Ex-Profi Thomas Pfannkuch ein, der Philipp und die anderen ab April 2014 regelmäßig zu Trainings-Wochenenden nach Braunschweig bat.
Philipp Freudinger wurde für die EM nominiert, die Ende Juli in Portugal, in der Nähe von Porto, ausgetragen wurde. Gespielt wurde, wie bei allen Turnieren der CP-Fußballer, auf einem Kleinfeld mit sieben Spielern. Jede Mannschaft muss einen Spieler der Klasse 5 (schwerster Behinderungsgrad) oder 6, und einen der Klasse 8 (leichte Probleme mit der Koordination) in den Reihen haben.
Zum Auftakt setzte es gleich eine klare Niederlage gegen den Weltranglisten-Ersten Russland (0:7), wo es seit rund 30 Jahren eine eigene Liga für CP-Mannschaften gibt. Auch gegen Schottland hatten die Deutschen das Nachsehen mit 0:3. Im Spiel um den Einzug ins Viertelfinale gegen Holland verloren die Deutschen unglücklich mit 0:1.
Also mussten die deutschen Kicker um die Plätze neun bis zwölf ran, wo es Siege gegen Finnland und Dänemark gab. Philipps Bilanz mit zwei Toren und zwei Vorlagen konnte sich sehen lassen. „Hätten wir im Vorfeld mehr zusammen gespielt, wäre sicher mehr möglich gewesen“, ist er rückblickend überzeugt.
Nach den zwei Wochen Portugal ist er nun wieder zu Hause. Dort steht für den Schüler der zehnten Klasse an der Realschule regelmäßiges, gezieltes Training nach einem Programm an, das er von den Physiotherapeuten für sich zusammengestellt bekam. Im Herbst geht's dann weiter auf Philipps Weg zu seinem großen Traum, der Weltmeisterschaft.