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Lokalsport
Die Straßbergers - eine Familie mit Pfiff
Engagiert im Ehrenamt: Die Straßbergers treiben nicht nur selbst Sport, sondern dienen ihren Klubs auch als Trainer. Was Vater Burkhard einst ohne Aufhebens begonnen hat, leben die beiden Söhne und die Tochter in ihrer weltoffenen Art weiter.
Foto fürs Familienalbum: Carolin (22), Anette (45), Felix (17), Burkhard (47) und Benedikt Straßberger (20) kommen auf der heimischen Couch nur selten gemeinsam zur Ruhe.
Foto: Andreas Stöckinger | Foto fürs Familienalbum: Carolin (22), Anette (45), Felix (17), Burkhard (47) und Benedikt Straßberger (20) kommen auf der heimischen Couch nur selten gemeinsam zur Ruhe.
Von unserem Redaktionsmitglied Eike Lenz
 |  aktualisiert: 07.09.2017 20:11 Uhr

Carolin ist als Erste weg. Nahezu unbemerkt hat sie das Haus verlassen, um noch rechtzeitig zum Training der Handballerinnen zu kommen. Benedikt wird der Nächste sein. Er hockt im Wohnzimmer, hat die gelben Laufschuhe angezogen und ist auf dem Sprung zu den Fußballern Bayern Kitzingens. Vater Burkhard ist in ein Telefongespräch verwickelt. „Ein Wunder“, sagt Mutter Anette, „dass es nicht schon eher geklingelt hat.“ Es ist ein ganz normaler Abend im Hause Straßberger. Hätten die Fußball-Junioren der Bayern die Vorbereitung für die Rückrunde schon wieder aufgenommen, wäre auch Felix Straßberger zu dieser Zeit aus dem Haus. So kann er sich das muntere Kommen-und-Gehen ganz unbefangen vom Sofa aus ansehen.

„Früher“, erzählt Burkhard Straßberger, vor wenigen Tagen 47 geworden, „sind wir öfter sonntags zusammengesessen.“ Aber seitdem die Söhne Benedikt (20) und Felix (17) in Sachen Fußball unterwegs sind und Tochter Carolin (22) Handball-Berichte für die Zeitung schreibt, spielt sich das Familienleben in eng begrenzten Zeiträumen ab. Unter der Woche kommt es schon vor, dass Mutter Anette (45) Essen kocht, das sich dann jeder selbst warmmacht, wenn er zu Hause ist. „Gemeinsam zu essen ist in einer normalen Woche fast nicht möglich“, sagt Burkhard Straßberger. Was der über die Maßen engagierte Jugendleiter Bayern Kitzingens als „normal“ empfindet, ist in einer mehr und mehr individualisierten Gesellschaft, in der viele bloß noch den eigenen Vorteil im Blick haben, keineswegs die Regel. Müsste der Klub die ehrenamtlichen Stunden vergüten, die Straßberger und seine Sprösslinge in der Vergangenheit geleistet haben, der Verein wäre längst pleite. Benedikt absolviert bei den Bayern gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), ist dort wöchentlich 38,5 Stunden im Einsatz, aber schon vorher betreute er am Bleichwasen diverse Juniorenmannschaften. Während er sich der U17, U15 und U11 des Vereins annimmt, kümmert sich Bruder Felix um die U13, und Vater Burkhard trainiert die U19. „Das wird es in dieser Konstellation vermutlich nie mehr geben, dass von der U11 bis zur U19 der Trainer Straßberger heißt“, sagt der 47-Jährige, und er muss lächeln bei dieser Vorstellung.

Straßberger genoss in der Jugend selbst das „Glück“, in den Fittichen engagierter Trainer aufzuwachsen. „Für mich stand es außer Frage, mitzuhelfen, wenn ich gebraucht werde.“ Als Benedikt 1996 in der F-Jugend der Bayern anfing, sah Vater Burkhard dies als gute Gelegenheit, sein Versprechen einzulösen. Wenig später trug man ihm die Rolle als Jugendleiter an, und Straßberger griff beherzt zu, während Ehefrau Anette ihm daheim den Rücken freihielt und stets hinter seinem Tun stand. Dass die Jungschar am Bayernplatz heute auf mehr als 200 Kinder und Jugendliche gestiegen ist, kann er nicht exklusiv für sich beanspruchen, aber er hat die rasante Entwicklung mit ungebremstem Eifer beschleunigt. Heute sind die Söhne nicht nur als aktive Fußballer der Kitzinger bei der Sache, sondern assistieren auch als Ausbilder nach Kräften. Straßberger senior nahm sie gelegentlich mit, wenn ein Trainer ausfiel. So wuchsen die beiden in die Rolle hinein. „Das wird einem schon vorgelebt“, sagt Benedikt, der zwischendurch eine dreijährige Ausbildung zum Physiotherapeuten in Erfurt absolvierte und währenddessen sein Engagement bei den Fußballern ruhen ließ. Mittlerweile sitzt er auch noch bei den Heimspielen der Etwashäuser Handballer auf der Bank, um medizinischen Beistand zu leisten – noch so ein Posten für den umtriebigen Jüngling, vermittelt von Schwester Carolin. Ihrem unverhohlenen Wunsch damals konnte er einfach nicht widerstehen.

Benedikts doppelter Einsatz ist die Schnittmenge von Fußball und Handball im Hause Straßberger. Carolin spielt seit der D-Jugend, also seit ihrem zwölften Lebensjahr, Handball beim TV Etwashausen, ist heute in ihrer unprätentiösen Art Spielführerin der Bayernliga- Frauenmannschaft – und auch sie ist gewillt, dem Klub etwas von jener Zuneigung zurückzugeben, die sie selbst einst erfahren hat, derzeit als Trainerin der C-Juniorinnen. Gefragt ist die Studentin der Sportwissenschaften, die gerade mit ihrer Diplomarbeit kämpft, auch in der Bayerischen Sportjugend. Ein Pensum, das sie mit einem Lächeln erfüllt. „Es macht Spaß“, sagt sie. Dass bei Straßbergers der Fußball zur Domäne werden würde, lag nicht unbedingt in den Genen. Adam Straßberger war ein ebenso begeisterter wie talentierter Handballer, bevor er in die Kommunalpolitik ging, und auch Sohn Burkhard spielte, bis er fünfzehn war, Handball bei der TG Kitzingen. Die Kontakte aber verliefen sich, und die jüngste Generation der Straßbergers entwickelte sich in die vorgezeichnete Richtung. „Bei Jungs ist Fußball immer ein Thema, wenn sie sportlich nicht total unbegabte Eltern haben“, erklärt Burkhard Straßberger. Erst später entdeckten Söhne und Tochter ihre Leidenschaft für Tennis: auf den Plätzen der Familie direkt vor der Haustür.

Heute ist das bloß noch ein gelegentlicher Freizeitspaß, weil vielfach die Zeit dafür fehlt. Ohnehin stellt sich die Frage, wie alles weitergeht, wenn der Nachwuchs einmal beruflich Fuß gefasst hat. Felix muss schon jetzt sehen, wie er Ausbildung und Training koordiniert. Carolin wird ihr Studium bald abgeschlossen haben, und auch Benedikts Soziales Jahr geht irgendwann zur Neige. Sie wollen und sie wer-den sich weiter engagieren, wenn es ihre Zeit zulässt – nicht aus einem Zwang heraus, sondern weil sie von ihrem Tun überzeugt sind. „Man muss auch dahinterstehen, wenn man Trainer ist“, sagt Carolin. Vermutlich braucht es diese Überzeugung, um die Aufgabe überhaupt bewältigen zu können. Denn bisweilen kommen einem in diesem Job Selbstzweifel. Lob und Anerkennung sind selten. Das größte Lob ist, wenn die Kinder regelmäßig zum Training kommen, weil es ihnen Freude bereitet. „Manchmal“, sagt Burkhard Straßberger, „hat man Eltern, bei denen man sich schon fragt: Lohnt sich das Ganze überhaupt?“ Eltern, die oft gar nicht wüssten, wann ihre Kinder zum Training müssen, oder die zu schnell nachgäben, wenn ihr Kind keine Lust mehr hat. „Als Trainer musst du über diesen Dingen stehen. Früher war es leichter, da war die Motivation der Kinder höher. Heute sind sie mehr gefordert, auch in der Schule, durch Nachmittagsunterricht. Du hast Probleme, dass du sie bis 16.30 Uhr auf den Platz kriegst. Aber manche Eltern sind auch nicht konsequent genug. Sie geben zu schnell nach.“ Auch Carolin hat da als Trainerin ihre Erfahrungen gemacht. „Es nervt, wenn du Spielerinnen hinterhertelefonieren musst. Da fehlt das Verantwortungsbewusstsein.“ Mutter Anette ergänzt: „Das Mitdenken.“

Im besten Fall werden Körper und Geist geschult, wenn die Straßbergers mit ihrer Mission erfolgreich sind. „Wir sind alles Typen, die auf Leute zugehen und mit Leuten umgehen können“, sagt Benedikt und beschreibt den Charakterzug der Geschwister vielleicht am besten. Weltoffen, hilfsbereit, unkompliziert, bescheiden: So hat sich im Verein schon Vater Burkhard rasch Freunde gemacht. 1997 hat ihm der Bayerische Fußballverband einen Ehrenamtspreis verliehen, zu früh, wie er findet. „Zu der Zeit hatte ich das noch gar nicht verdient.“ Der damalige Geschäftsführer der Kitzinger Bayern, Hartmut Stiller, wusste aber damals schon um die Fähigkeiten des jungen Straßberger, der seit 1974 Mitglied des Klubs ist. „Er verfügt über außerordentliches pädagogisches Gefühl, um Kinder zu begeistern“, schrieb Stiller seinerzeit in einer Laudatio. Die eigenen Kinder bestätigen das indirekt. „Ich habe bei ihm am meisten gelernt“, sagt Benedikt. „Aber auf der Heimfahrt von manchem Spiel wollte ich im Auto auch mal meine Ruhe.“ Burkhard Straßberger sagt, er habe keine Ausnahmen gemacht, wenn es auf dem Platz um seine Söhne ging. „Wenn ich ausgewechselt habe, haben eher mal die eigenen Kinder gelitten.“

Jetzt stehen sie selbst in der Verantwortung, ziehen ihre eigenen Kreise. Manches hat sich entspannt im Hause Straßberger, auch wenn die vielen unterschiedlichen Termine ein geregeltes Familienleben kaum zulassen. „Zum Teil werden halt Zettel geschrieben“, sagt Carolin. Oasen der Ruhe schafft sich die Familie bei den jährlichen Urlauben im Schnee. „Die Kinder sind heute alle in einem Alter, wo sie uns Eltern nicht mehr unbedingt brauchen“, sagt Burkhard Straßberger, „aber wenn es im Winter zum Skifahren geht, sind sie alle drei dabei.“

Doppelter Straßberger: Das Foto von 1998 zeigt Bayern Kitzingens meisterhafte F-Junioren mit Trainer Burkhard Straßberger (hinten rechts) und Sohnemann Benedikt (vorne rechts). Mit im Bild sind (hinten von links) Betreuer Michael Warschecha, Tolga Arayici, Rudolf Bott, Florian Warschecha, Mathias Brunsch, Tobias Herrling (sowie vorne) Sven Endres, Nico Sauer und Daniel Gotthold.
Foto: Ralf Weiskopf | Doppelter Straßberger: Das Foto von 1998 zeigt Bayern Kitzingens meisterhafte F-Junioren mit Trainer Burkhard Straßberger (hinten rechts) und Sohnemann Benedikt (vorne rechts).
Bodenständige Sportlerin: Carolin Straßberger spielt Handball in Etwashausen und betreut noch eine Jugendmannschaft.
Foto: Michael Kämmerer | Bodenständige Sportlerin: Carolin Straßberger spielt Handball in Etwashausen und betreut noch eine Jugendmannschaft.
 
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