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Basketball
Der positive Wendepunkt einer Karriere
Von unserem Redaktionsmitglied JÜRGEN HÖPFL
 |  aktualisiert: 07.09.2017 20:26 Uhr

Daran sieht man mal wieder, dass Wikipedia doch nicht alles weiß: Spitzenadressen wie die Frankfurter Skyliners, Paris Basket Racing oder Aris Thessaloniki stehen hervorgehoben als Referenzen im Beitrag der Internet-Enzyklopädie über Gordon Herbert. Doch jenes Team, das er in der Saison 2000/2001 mit spektakulärem Erfolg betreut hatte, dem er die „vielleicht großartigste Zeit meiner Karriere in einer wunderschönen Stadt mit der Burg auf einem Hügel“ verdankte, mit dem der Kanadier seine Karriere als Coach erst fundamentierte – jenes Team wird nur in der Rand-Statistik erwähnt. „Was damals dort passiert ist, war etwas ganz Seltenes“, erinnert sich „Gordie“ Herbert an diese schöne Stadt mit der Burg auf einem Hügel: „Wir hatten eine junge und entwicklungsfähige Mannschaft mit einigen ziemlich guten deutschen Jungs, die noch den Geist von Dirk Nowitzki gespürt haben, konnten eine ziemlich starke Saison spielen und sogar Alba Berlin besiegen, und alles war noch voller Leidenschaft. So wie damals wird es nie mehr sein!“

52 Jahre ist der Ex-Trainer der vormaligen DJK s. Oliver Würzburg mittlerweile alt, das Haupthaar, nun ja, sichtbar ergraut. Doch der ganze Kerl wirkt unverändert drahtig und smart wie einst vor zehn Jahren – auch wenn er die eigene Gentleman-Ausstrahlung skeptisch bestreitet: „Man wird älter, was soll man tun?“, fragt er rhetorisch und legt die Hand auf den minimalen Bauchansatz: „Zum Glück geht es ja uns allen so.“ Der Rücken ist malad, ein Bandscheibenvorfall der heftigen Art hat trotz der im Sommer 2009 erfolgten Operation und entsprechenden Zwangspause Schmerzen hinterlassen. Im feinen Trainerbüro der Frankfurter Skyliners steht sogar ein orthopädischer Ledersessel, auf dem sich Gordon Herbert während unseres Nostalgietreffens in Schonhaltung legt.

Die ständigen Umzüge, Orts- und Vereinswechsel haben ihre Spuren gezeitigt. Auf Würzburg folgten Frankfurt und Paris, dann Pau-Orthez in den Pyrenäen, Thessaloniki in Griechenland, Toronto in Kanada, Espoo in Finnland, zwischendurch parallel zwei Jahre lang die georgische Nationalmannschaft und schließlich wieder Frankfurt. „Ich liebe, was ich tue, liebe meinen Job“, sagt Herbert: „Auch wenn es zur Natur dieses Jobs gehört, dass er bisweilen schwierig ist“.

Es sind eher leise Untertöne, die er im Blick auf die vergangenen Jahre anklingen lässt. Gattin Sari, mit der er seit 1985 verheiratet ist, lebt nebst den Söhnen Daniel und Mikael nach wie vor in ihrer Heimat Uusihaupunki bei Turku in Finnland, das war schon zu DJK-Zeiten nicht anders. Sein 17- und sein 16-Jähriger gehen dort aufs Gymnasium und sehen ihren Vater zwei- bis dreimal pro Jahr. „Auch das ist Teil meines Jobs“, sagt dieser: „Doch es ist nicht erstrebenswert, glauben Sie mir, nachts nach dem Training oder Spielen in eine kühle, dunkle Wohnung zu kommen und zu wissen, keiner ist da.“

In Frankfurt indessen, mag er die Stadt als solche trotzdem nicht für die schönste seiner Laufbahn halten, hat er's sportlich durchaus gut, trifft er auf vornehme Verhältnisse – eine Grundausstattung auf NBA-Niveau. In einem Einkaufszentrum der Nordweststadt – optisch eher unattraktiv, aber effizient – verfügt der erst 1999 gegründete Klub, ein klassischer Retortenverein, über eine Geschäftsstelle und ein beinahe luxuriöses Trainingszentrum, das den deutschen Meister von 2004 adelt und schier der Konkurrenz enthebt. Gordon Herbert ist als Coach der Chef, die Zahl der Videos und DVDs und Analyse-Akten in seinem Schrank so umfangreich wie das Archiv mancher Bibliothek. Aktuell rangieren die Frankfurter im Bundesliga-Tableau auf Platz zwei hinter Bamberg, ihren Meistertitel holten sie vor sieben Jahren während der ersten Amtszeit von Gordon Herbert, der deshalb in der Bankenstadt am Main ein hohes Ansehen und gute Freunde hat, darunter den Arzt, der ihn nach dem missglückten Erst-Eingriff in Toronto ein zweites Mal am wehen Rücken operierte und zur zweiten Amtszeit animierte.

Dass es in der neuen Saison ein unerwartetes Wiedersehen mit den Würzburgern geben könnte, freut Gordon Herbert allerdings: Wenn eine solche Basketball-Hochburg wie Würzburg mit ihren vielen Anhängern zurückkehren würde, wäre das sicher nur gut für die Liga!“ Ja ja, die Stadt mit der Burg auf einem Hügel – plötzlich gerät der „Gordie“, wie sie ihn riefen, nochmal ins Schwärmen, erzählt er von seinen Schützlingen Demond Greene und Robert Garrett und Marvin Willoughby und Darko Krezic, mit denen er Bundesliga-Fünfter wurde damals, nachdem sie sich mit Avitos Gießen vier heiße Play-off-Duelle geliefert hatten. Es war ein Team, das von den Namen her heute fast unglaublich klingt, das schon rein finanziell nicht mehr zu halten war – am wenigsten der Trainer, der nach bescheidenen Anfängen in Finnland und Österreich erstmals auf sich aufmerksam machte: „Die Arbeit mit all diesen guten Jungs hatte Sinn, war ein großer Schritt für mich und der positive Wendepunkt meiner Karriere.“

Heute ist er einer der angesehensten und begehrtesten Vertreter seiner Branche. „Aber auch im deutschen Basketball hat sich vieles verändert im letzten Jahrzehnt“, sagt er: „Es würde bei aller berechtigten Freude über ihr Comeback nicht einfacher werden für die Würzburger.“ Wenn Freunde einem derlei sagen, darf man das getrost glauben. Denn wie war das noch gleich? „So wie damals wird es nie mehr sein!“ Eben.

Zu unserer Serie

Der Basketballsport ist in Würzburg wieder aufgeblüht: Lange zwölf Jahre nach Dirk Nowitzkis Abflug in die nordamerikanische Profiliga erlebt die hiesige Korbjäger-Szene eine neue, geradezu ungeahnte Renaissance. Unvergessen bleiben derweil unter den seinerzeit schon mitfiebernden Fans jene Trainer, Spieler und Aktive, die mitgeholfen haben, dass einerseits Nowitzki zum stärksten deutschen Basketballer wurde – und andererseits seine Heimatstadt zu einer namhaften Adresse in der attraktiven Mannschafts-Sportart. In unserer lose erscheinenden Serie „Würzburg und der Basketball“ rufen wir die einstigen Idole in Erinnerung und fragen, was aus ihnen geworden ist. Nach den Trainern Klaus Perneker und Pit Stahl, die in der Bundesliga 1999 die stolze Bilanz von sieben Siegen in Folge feierten, Center-Urgestein Burkhard Steinbach, Ballzauberer Ivo Nakiæ sowie Nationalspieler Robert Garrett widmen wir die heutige sechste Folge jenem Coach, der in Würzburg als noch halbwegs Unbekannter dermaßen viele Komplimente für seine Arbeit einheimste, dass er es bald darauf bei solventeren Vereinen zu reichlich Ruhm und Titelehren brachte: Gordon Herbert.

Gordon Herbert

Er gilt als zurückhaltender Weltenbummler: Geboren am 16. Februar 1959 in Kanada, war der 1,98 Meter große Small Forward als Spieler seit 1982 in Finnland, der Heimat seiner Ehefrau Sari, aktiv und besitzt auch die finnische Staatsbürgerschaft. 1994 startete er dort seine Trainerkarriere, ehe er über ein Einjahres-Intermezzo 1999/2000 bei den Oberwart Gunners im österreichischen Burgenland (später vermittelte er seinen Würzburger Co-Trainer Pit Stahl dorthin!) zur DJK s. Oliver Würzburg kam – dem „positiven Wendepunkt seiner Karriere“, wie er selbst zurückblickt. 2001 warb ihn dann Skyliners-Manager Gunnar Wöbke, sehr zum Leid von DJK-Manager Wolfgang Malisch, zu dem mit der Lizenz des TV Rhöndorf entstandenen Retorten-Konkurrenzklub nach Frankfurt ab, wo er 2004 Meister mit Ex-DJK-Spieler Robert Garrett wurde. Bei Elan Béarnais Pau-Orthez wurde er 2007 französischer Pokalsieger, zwei Jahre lang amtierte er nebenher als georgischer Nationalcoach. Nach weiteren Stationen in Griechenland sowie einer Rückkehr nach Kanada und Finnland landete er 2010 schließlich erneut in Frankfurt. Ob er nach der laufenden Saison dort bleiben wird, ist jedoch auch angesichts möglicher Finanzierungsprobleme des Klubs offen.

Juli 2000: Gordon Herbert bei seinem Amtsantritt in Würzburg.
Foto: Stefan Mantel | Juli 2000: Gordon Herbert bei seinem Amtsantritt in Würzburg.
 
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