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WÜRZBURG
Welche Tücken der Datenschutz für Vereine birgt
Seit Mai gelten auch hierzulande strengere Richtlinien im Umgang mit persönlichen Daten. Viele Betroffene haben sich inzwischen mit den Regeln arrangiert, doch Unsicherheiten bleiben.
Datensammler: Verbraucher haben ein Informationsrecht       -  _
Foto: Andrea Warnecke (dpa-tmn)
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:30 Uhr

Ein Schild auf einem Fest irgendwo in Deutschland, eine Botschaft im Telegrammstil und mit insgesamt drei Ausrufezeichen versehen, darunter eine Folie mit kleinen Klebepunkten. „Achtung! Hier wird fotografiert! Bitte tragen Sie jederzeit einen roten Punkt auf der Stirn, wenn Sie nicht fotografiert werden möchten! Sie werden dann auf den Bildern unkenntlich gemacht.“ Man könne sich den Punkt gerne auch mit einem roten Lippenstift auf die Stirn pinseln.

Natürlich steckt hinter diesem Appell eine geballte Portion Ironie. Wobei: So genau lässt sich das gar nicht sagen in einer Entwicklung, bei der es schwerfällt, den Durchblick zu behalten und zu unterscheiden: Was ist Realität, was ist Übertreibung? Einem Vorgang, der die Welt in zwei Zyklen zu teilen scheint: in ein Leben vor dem 25. Mai 2018 und ein Leben danach. Seit jenem Freitag im europäischen Frühling muss auch in Deutschland die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) angewendet werden. In Kraft getreten ist sie bereits zwei Jahre zuvor, damals jedoch scherte sich kaum jemand darum. Man hatte ja noch Zeit.

Fünf Buchstaben mit Sprengkraft

Ein halbes Jahr ist seit dem Stichtag vergangen, die erste Aufregung hat sich gelegt. Aber noch immer ist die Verunsicherung groß, wie mit der Verordnung umzugehen sei, auch innerhalb der Vereine. Fast jeder von ihnen hat heute eine eigene Homepage. Aber was kann, was darf darauf noch veröffentlicht werden, ohne mit der DSGVO in Konflikt zu geraten? Fünf Buchstaben, eine Chiffre – doch die hat das Potenzial und die Sprengkraft, Verbände und Vereine in Aufruhr und in ein Chaos zu stürzen.

Spricht man Martin Geißler auf das Thema an, atmet er erst einmal tief durch. Geißler ist Vorsitzender des FC Eibelstadt, eines Vereins mit etwa 400 Mitgliedern. Der Aufwand, den die EU-Novelle im Frühjahr mit sich brachte, sei schon „relativ groß“ gewesen: Die Homepage und die Facebook-Seite mussten aktualisiert, sämtliche Mitglieder informiert werden. Als selbstständigem Versicherungsmakler war Geißler das Thema Datenschutz nicht fremd. Dennoch hätte er sich für seinen Verein mehr Unterstützung von der Politik und vom Verband gewünscht. Auch bei den Würzburger Kickers bilanziert Pressesprecher Nico Eichelbrönner „nicht unerheblichen Aufwand“. So mussten Mitarbeiter geschult und Satzungen ergänzt werden. Eine externe Anwaltskanzlei half bei der Umstellung. Die Unterstützung der Verbände sah Eichelbrönner in dieser Zeit als hilfreich.

Problematischer Umgang mit Bildern

Der Bayerische Landessportverband (BLSV) als Dachorganisation des Sports im Freistaat bietet Mitgliedsvereinen nach eigenen Angaben „umfassende Unterstützung“ sowie „praxisnahen Service“ an. Präsident Jörg Ammon spricht auf Anfrage der Redaktion von einer „großen Herausforderung“ – eine eher milde Beschreibung, die der Diplomatie des Amtes geschuldet sein dürfte. Für die Vereinsverantwortlichen liege die Problematik im zusätzlichen Zeitaufwand und in der „Besorgnis, den rechtlichen Anforderungen nicht gerecht zu werden“. Der Umgang mit Bildern im Verein oder die datenschutzgerechte Gestaltung der Webseite seien „Dauerbrenner“. Inzwischen habe sich „die anfängliche Unsicherheit“ innerhalb der Vereine „deutlich reduziert“, sagt Ammon.

Dies mag sogar stimmen, doch die Folgen der Verordnung sind noch allenthalben spürbar. Beim Bayerischen Fußballverband (BFV) etwa gibt es das Problem, dass Spielerprofile auf der verbandseigenen Internetseite für die Allgemeinheit nur noch dann sichtbar sind, wenn der Betroffene zugestimmt hat – vielen sei das so aber nicht bewusst, sagt BFV-Pressesprecher Fabian Frühwirth. „Die beschweren sich, dass sie – zum Beispiel in der Torschützenliste ihrer Liga – nicht mehr genannt werden.“ Um dort zu erscheinen, müssen sie die relevanten personenbezogenen Daten selbst beim BFV freigeben. Tun sie es nicht, bleiben sie für Außenstehende anonym. Dann spuckt der Elektronische Spielberichtbogen (ESB) die Chiffre „k. A.“ (keine Angaben) aus, wie man sie vor allem bei Jugendmannschaften immer häufiger findet.

Nicht immer steckt der Datenschutz dahinter

Bei Kindern und Jugendlichen unter 16 sei die Sache besonders kompliziert; hier braucht der BFV laut Frühwirth die Zustimmung beider Erziehungsberechtigten, um die Daten im Netz sichtbar zu machen. Nicht immer steckt hinter der Verschlüsselung des Namens aber die Sorge um den Datenschutz. Mitunter sind es auch taktische Überlegungen – etwa damit der Gegner nicht „spionieren“ könne, wie ein Insider aus dem Umfeld der Würzburger Kickers sagt.

Für den BFV erweist sich der Datenschutz selbst im eigenen Haus als „riesiges Thema“, wie Frühwirth sagt. Tausende ehrenamtliche Mitarbeiter im gesamten Freistaat musste der Verband abfragen, ob sie mit der Veröffentlichung ihrer Daten, etwa E-Mail-Adresse oder Telefonnummern, einverstanden seien. „Am Ende ergeht es dem BFV nicht anders als den Vereinen, nur dass wir eben ein etwas größerer Verein sind.“

Obwohl der BLSV in München zentral für alle Sportverbände Handlungsempfehlungen erstellt hat, legen die Verbände Datenschutz ganz unterschiedlich aus. Am weitesten geht der Bayerische Fußballverband. Dort sind im ESB in der Regel sowohl die Schiedsrichter als auch Eigentore oder persönliche Strafen wie Gelbe und Rote Karten hinter dem Spielernamen vermerkt. Der Bayerische Handball-Verband verzichtet auf seinem Portal nu.liga in Jugendklassen darauf, Strafen, bei den Jüngeren teils auch Torschützen zu nennen. Aber auch dahinter steckt mehr Kalkül als Datenschutz, wie BHV-Vizepräsident Markus Sikora mitteilt. „Hier sollte nicht im Fokus stehen, wie viele Tore ein Spieler erzielt, sondern die Mannschaft; und einige Spieler finden es toll, wenn sie der Strafenkönig in der Mannschaft sind.“

Eher den Sportler abbilden als das Publikum

Auf der Homepage des Bayerischen Handball-Verbandes findet man den Link zu einem Interview mit Lars Rieck, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht (Hamburg). Kritisch sieht er vor allem den Umgang mit Fotos, die von Vereinen auf allen möglichen Foren veröffentlicht werden. Tenor: „Eher den Sportler abbilden, aber nicht das Publikum. Fotos von Publikum sind künftig sehr schwierig.“ Dies aber galt, wie auch Rieck einräumt, schon in der Vergangenheit. „Die Zuschauer möchten vielleicht gar nicht, dass man weiß, dass sie da gewesen sind.“

Manchen Ehrenamtlichen ist das Risiko zu groß, haftbar gemacht zu werden. So trat der komplette Vereinsvorstand der „Bewegungs- und Rehabilitationssportgemeinschaft Ingelheim“ am 24. Mai von seinen Ämtern zurück: aus „Selbstschutz“, wie es hieß. Die Sache ist ihnen zu heiß. Der 79 Jahre alte Kassenwart wird mit dem Satz zitiert: „Ich kann nicht zu 250 Mitgliedern fahren und mir unterschreiben lassen, dass ich ihnen einen Brief schicken darf.“

Zähne bekommen, aber nicht bissig geworden

„Hysterie“, sagt Thomas Kranig, „ist immer ein schlechter Ratgeber.“ Den Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht in Ansbach treibt die Panikmache mehr um als die Folgen der DSGVO. „Jeder Verein kann sich bei uns auf der Homepage die relevanten Informationen beschaffen, die ihn in die Lage versetzen, die Datenschutzanforderungen in seinem Verein umzusetzen“, teilt er auf Anfrage dieser Redaktion mit. 90 Prozent dessen, was die Verordnung vorschreibt, galt aus Expertensicht in Deutschland schon zuvor. Der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch sieht es so: „Wir haben Zähne bekommen, sind aber nicht bissig geworden.“

 
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