zurück
Das Pfeifen liegt in der Familie
Gerolzhofen Wenn bei der Familie Brand der Fernseher läuft und Fußball übertragen wird, freuen sich Vater Helmut und die Söhne Bernd und Benjamin nicht nur über präzise Flanken, gelungene Dribblings und schöne Tore. Sie haben besonders den Schiedsrichter und seine Assistenten im Auge.
Von unserem Redaktionsmitglied Alfred heim
 |  aktualisiert: 17.10.2017 14:39 Uhr
Die Brands sind mit Leib und Seele Schiedsrichter - und auch mit beachtlichem Erfolg. "So außerordentlich engagierte Familien findet man selten", sagt Horst Schatz (Bergtheim), der Schiedsrichter-Obmann der Gruppe Gerolzhofen. Vor allem Helmut Brand, Bankkaufmann in Würzburg und seit fast 40 Jahren aktives Mitglied der Schiedsrichtergruppe, sei "das Aushängeschild", weil er viele Jahre als ranghöchster Schiedsrichter der ganzen Gruppe in der Landesliga und Bayernliga pfiff und Linienrichter in der zweiten Bundesliga war.

Einsatz im Olympiastadion

Im September 1967, mit 14 Jahren, pfiff Helmut Brand sein erstes Spiel, ein Schülerspiel (C-Jugend) in Dingolshausen. Zu dieser Zeit spielte er selbst Fußball beim FC Gerolzhofen. Weil ihm die Schiedsrichterei aber Spaß machte, absolvierte er 1968 einen Lehrgang. Mit 18 Jahren hörte er dann das Fußballspielen auf, weil die Doppelbelastung zu groß wurde. 22 Jahre lang leitete er Spiele in der Landesliga und der Bayernliga, in der damals der TSV 1860 München, der FC Augsburg, der TSV Vestenbergsgreuth und die SpVgg Fürth spielten. 1988 war Helmut Brand ein Jahr Linienrichter in der zweiten Bundesliga. Gern erinnert er sich an einen Einsatz im Berliner Olympia-Stadion, als Blau-Weiß 90 Berlin gegen den FSV Mainz 05 spielte. Aber auch im Grünwalder Stadion der "60-er" hat er 1989 gepfiffen.

18 Jahre lang leitete er die Schiedsrichtergruppe Gerolzhofen, bei der er zum Ehren-Obmann ernannt wurde. Zur Zeit ist er Schiedsrichter-Beobachter in der Bezirksliga und Bezirksoberliga und als stellvertretender Bezirk-Schiedsrichterobmann im Bezirks-Schiedsrichterausschuss. In der nächsten Runde will er wieder selbst Spiele bis zur Kreisliga pfeifen.

Fast jedes Jahr ein Aufstieg

Auch Sohn Bernd (21), der als Erzieher in einem Heim für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche in Schweinfurt arbeitet, ist schon beachtliche 16 Jahre als Fußballer und Schiedsrichter aktiv. Mit fünf Jahren begann er nicht in der F-Jugend des FC Gerolzhofen, sondern gleich in der E-Jugend, die eine dünnere Spielerdecke hatte. Bernd Brand spielte bis 18 Fußball. Seit März 1998 ist er Schiedsrichter und holte sich fast jedes Jahr die Lizenz für die nächst höhere Gruppe. Schon mit 18 Jahren wurde er in der Bezirksliga eingesetzt. Jetzt pfeift er im zweiten Jahr Landesliga und ist in der Bayernliga Schiedsrichter-Assistent. Und seit einigen Tagen weiß er, dass er in der neuen Spielzeit in der Junioren U 19-Bundesliga an der Linie assistieren darf. "Da kann es schon mal sein, dass ich in Dortmund oder Hamburg eingesetzt werde." Rund 50 Spiele hat er im Jahr. In der Schiedsrichtergruppe hat er dazu den Posten von Vergnügungswart Hugo Markert übernommen.

Eine Gruppe tiefer als sein Bruder Bernd - in der Bezirksoberliga - durfte Benjamin Brand Spiele leiten. Aber er ist erst 16 Jahre alt und ein Talent, auf das die ganze Schiedsrichtergruppe stolz sein kann. Benjamin, der die elfte Klasse am Gymnasium in Gaibach besucht, pfiff am 17. Mai das unterfränkische Pokal-Endspiel zwischen Landesligist FC 05 Schweinfurt und Bayernligist TSV Großbardorf vor 600 Zuschauern in Schweinfurt.

Dass er mit der Leitung des wichtigen Spieles betraut wurde, hatte er erst einen Tag vorher bei einer Klassenfahrt nach Weimar von seinem Vater erfahren. Die spannende Partie, die Schweinfurt erst im Elfmeterschießen 7:6 gewann, sei "gut gelaufen", meint Benjamin nach seinem bisher größten Einsatz. "Er hat seine Sache gut gemacht", bescheinigt auch Schiedsrichter-Obmann Horst Schatz (50), der bei dem Spitzenspiel des unterfränkischen Fußballs mit Jürgen Pfau (30) vom SV Frankenwinheim Linienrichter war.

Lassen sich wesentlich ältere Spieler, ohne zu murren, von einem so jungen Schiri kommandieren? "Ja, die akzeptieren das", sagt Benjamin Brand, "aber man muss sich auch durchsetzen können."

Jüngster Lehrwart Bayerns

Sich auf dem Spielfeld durchzusetzen, hat Benjamin Brand nicht nur als Fußballspieler zehn Jahre beim FC Gerolzhofen in den Jugendmannschaften gelernt, sondern auch in seiner erst drei Jahre dauernden Schiedsrichter-Karriere. Diese ist allerdings rekordverdächtig. Ab September 2003 durfte Benjamin Jugendspiele leiten, ab 2004 schon Spiele erster Mannschaften bis zur Kreisliga, ab 2005 schon bis zur Bezirksliga. Im Herbst 2005 schaffte es Benjamin als einziger von 38 Schiedsrichtern in Unterfranken unter 26 Jahren, schon nach einem halben Jahr Bezirksliga in die Bezirksoberliga aufzusteigen.

"Er ist ein richtiger Senkrechtstarter. In drei Jahren von Null in die Bezirksoberliga und vielleicht schon demnächst Landesliga, das ist enorm", freut sich auch Obmann Horst Schatz. Dass er in der nächsten Runde in der Landesliga pfeifen darf und wie sein Bruder auch Schiedsrichter-Assistent in der Bayernliga wird, hat Benjamin zwar noch nicht schriftlich. Aber seit der Bekanntgabe der Qualifikation der unterfränkischen Schiedsrichter steht fest, dass er von 21 Bezirksoberliga-Schiris mit seinen Spielleitungen Platz eins belegte und somit erneut aufsteigen darf. Damit sind die Brands das einzige Bruder-Paar der Landesliga in Bayern.

Mit bis zu 90 Spielen pro Saison hat Benjamin Brand zurzeit die meisten Einsätze in der ganzen Schiedsrichtergruppe Gerolzhofen, der 101 Schiedsrichter, davon 82 Aktive, angehören. In der Schiri-Gruppe Gerolzhofen übernahm er im Januar noch einen wichtigen Job. Er ist Nachfolger von Schiedsrichter-Ausbilder Ludwig Bauer (Gerbrunn), mit 40 Amtsjahren dienstältester Lehrwart Deutschlands. Und Benjamin Brand ist mit 16 Jahren der jüngste Lehrwart von 82 bayerischen Schiedsrichtergruppen.

Nicht mehr als Schiedsrichterin aktiv ist das vierte Familien-Mitglied im Brandsch'en Schiedsrichter-Bund: Tanja. Die 24-Jährige studiert in Frankfurt im 9. Semester Psychologie. Mit 14 Jahren hatte sie schon Frauenfußball gespielt, mit 15 Mädchen-Fußballspiele gepfiffen. Auch bei den männlichen Kollegen war sie eingesetzt: bis zur A-Jugend als Schiedsrichterin und außerdem als Assistentin bei Erste-Mannschafts-Spielen bis Bezirksoberliga.

So lange die Füße tragen

Freude an der Schiedsrichterei haben alle in der Familie, auch wenn sie manchmal Kritik von Spielern, Trainern oder Zuschauern einstecken müssen. "Allein die Tatsache, dass ich es seit fast 40 Jahren mache, ist Beweis genug dafür, dass die Schiedsrichterei Spaß macht," meint Helmut Brand. "Man kommt in die unterschiedlichsten Stadien, lernt viele Trainer, Schiedsrichter und Spieler kennen oder trifft bei Lehrgängen Prominente wie Berti Vogts", nennt Helmut Brand einige Gründe dafür, dass er weitermachen will - "so lange die Füße tragen".

Und dankbar sind Helmut Brand und die Söhne Bernd und Benjamin ganz besonders ihrer Mutter bzw. Ehefrau. Inge Brand unterstützt ihre Schiedsrichter tatkräftig, wo es nur geht: bei den vielen Anrufen, die im Haus eingehen, bei der richtigen Verpflegung der Sportler und natürlich auch durch das Waschen und Bügeln der Trikots, Hosen und Stutzen, die das Jahr über mit ihren Trägern bei jedem Wetter im Einsatz sind.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top