Bei den Bob-Weltmeisterschaften in Altenberg im Erzgebirge, die an diesem Freitag eröffnet werden, dreht sich aus deutscher Sicht alles um Francesco Friedrich. Mit seinem zehnten WM-Titel würde Friedrich zum alleinigen Rekordweltmeister aufsteigen. Bisher muss sich der Lokalmatador die Bestmarke mit jeweils neun Erfolgen mit dem Italiener Eugenio Monti teilen, der zwischen 1957 und 1966 seine Triumphe im Zweier- und Viererbob eingefahren hatte.
Doch in diesem Winter präsentierte sich der 29-jährige Friedrich nicht mehr so unantastbar wie in den vergangenen Jahren. Der Sachse gewann zwar erneut die Weltcup-Gesamtwertung im Zweier- und im Viererbob, musste aber auch ungewohnte Niederlagen einstecken. So wittert die Konkurrenz für die WM Morgenluft. Vor allem der Kanadier Justin Kripps, aber auch der Lette Oskars Kibermanis können dem Sachsen mit beiden Schlitten gefährlich werden. Aus dem eigenen Lager backt der Sachse Nico Walther nach seinen Verletzungsproblemen kleinere Brötchen und wäre schon mit einer Medaille zufrieden. Dagegen hat sich das Team von Johannes Lochner insgeheim einiges vorgenommen.
"Die Favoriten sind andere, aber wir haben gutes Material und gute Anschieber ", sagt Christian Rasp, der seit Jahren engster Mitstreiter des Oberbayern ist, selbstbewusst. Der 30-Jährige aus Mainbernheim (Lkr. Kitzingen) ist nach einem Muskelfaserriss nun wieder bereit für Maximalbelastung. Nach einer zweijährigen Durststrecke war der Winter bisher eigentlich sehr erfolgreich für Lochner & Co, nicht nur aus Anschieber-Sicht ("Unsere Startzeiten haben sich tendenziell verbessert"). Ein Weltcup-Sieg und vier zweite Plätze im Viererbob brachten den silbernen Pokal in der Gesamtwertung knapp hinter Friedrich. Sogar Zwei Weltcup-Siege und ein zweiter Platz sprangen für Lochner im Zweierbob heraus, obwohl er nur drei Weltcups fahren durfte.
Lochners Ego war durch Zwangspause angekratzt
Weil Lochner bei der internen Selektion in Altenberg Schwierigkeiten mit der WM-Bahn gezeigt hatte, gab Bundestrainer Rene Spies Nachwuchspilot Richard Oelsner für drei Zweier-Weltcuprennen den Vorzug. Doch mit einem großen Sieg in St. Moritz sicherte sich Lochner doch noch den WM-Start in zwei Schlitten und Oelsner qualifizierte sich als Junioren-Weltmeister im Zweier ebenfalls. "Mein Ego war angekratzt, weil der Verband kein Vertrauen in mich hatte. Dass ich es noch kann und dass ich gewinnen kann, war ganz, ganz wichtig fürs Selbstvertrauen", sagte Lochner in St. Moritz. Mit der Zwangspause war ihm im Zweier-Weltcup auch finanziell einiges entgangen.
Was die Trainingseindrücke angeht, scheint Lochner mittlerweile seinen Frieden mit der Altenberger Bahn gemacht zu haben. "Schon im zweiten Lauf der Selektion hat er es in Kurve 9 viel besser gemacht", sagt Rasp. Im Zweier-Wettbewerb am Samstag und Sonntag - bei der WM gibt es anders als im Weltcup vier Wertungsläufe in zwei Tagen - schiebt nun Christian Weber für Lochner an, das Duo des Sieges in St. Moritz. Florian Bauer und Rasp, mit denen Lochner zuvor ebenfalls erfolgreich unterwegs gewesen war, müssen sich auf den Viererbob konzentrieren, der am Wochenende darauf (29. Februar/1. März) folgt.
In Berchtesgaden wieder in Schuss gebracht
Rasp schied auf Beschluss der Trainer für den Zweierbob aus, weil er sich beim Weltcup in Innsbruck-Igls am dritten Januar-Wochenende eine Oberschenkelzerrung zugezogen hatte und danach ausgefallen war. Während die Kollegen schon in Altenberg trainierten und zwischendurch mal ein paar Tage in Dresden frei machten, brachte sich Rasp im heimischen Berchtesgaden am Leistungszentrum langsam wieder in Schuss. "Alles ist nach Plan gelaufen", sagt er. An diesem Freitag reist auch er nach Altenberg, "um die Kollegen anzufeuern". Ab Dienstag wird es für ihn dann mit den Viererbob-Trainingsläufen ernst. 2017 holten Lochner und Rasp in der Königsdisziplin die Weltmeisterschaft, ihr bisher größter Erfolg. Drei Jahre später ist der Tatendurst groß.