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FUSSBALL: KREISLIGA
Von Spielern, die im Porsche vorfahren
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.04.2019 02:10 Uhr

Der Mann spricht gerne Klartext. „Ich beantworte gerne Fragen“, sagt Josef Hitzinger, „wenn man meine Antworten sauber wiedergibt.“ Im vorigen Sommer musste sich Hitzinger immer wieder kritischen Nachfragen stellen, als der mit reichlich Vorschusslorbeeren bekränzte Sportclub Schwarzach nach nur einem Jahr aus der Bezirksliga abstieg. Mit schlechter Stimmung oder einem gescheiterten Projekt gar braucht man Hitzinger nicht zu kommen. Er sieht den SCS, in dem die Fußballabteilungen von SV Stadtschwarzach, SpVgg Münsterschwarzach und SV-DJK Schwarzenau aufgegangen sind, weiter auf einem guten Weg. Josef Hitzinger ist seit 2014 Vorsitzender des SC Schwarzach und seit Juli 2015 auch des SV Stadtschwarzach.

Frage: Einige Jahre ging es mit dem SC Schwarzach nur nach oben. Dann brach 2017/18 die Formkurve ein. Was ist da passiert?

Josef Hitzinger: Was soll groß passiert sein? Ich habe das schon mal mit Ihrem Kollegen besprochen: Wir haben ein gutes Umfeld und leisten vernünftige Arbeit, aber wir waren trotz eines gut besetzten 20-Mann-Kaders nicht vor Verletzungen gefeit. Dieser ganze Personalstress hat uns das Genick gebrochen, weil die Mannschaft ihre Ausgeglichenheit verlor. Am Ende hatten wir 14 Mann auf dem Spielberichtsbogen stehen, waren jedoch, wie in Kahl, effektiv mit einem Auswechselspieler angereist – das war der Ersatztorwart. Den mussten wir auch noch einwechseln, weil zwei andere Spieler angeschlagen ins Spiel gegangen waren.

Als das Meisterstück in der Kreisliga geschafft war, sagte der damalige Trainer Wolfgang Schneider, der SC Schwarzach müsse nun klären, ob er sich „mit dem hohen sportlichen Wert einer Bezirksliga zufrieden gibt oder doch Richtung Landesliga schielen will“. Die Antwort gab die Mannschaft dann ja auf dem Platz, oder?

Hitzinger: Nein. Man geht ja nicht in die Bezirksliga, um im Jahr darauf wieder abzusteigen. Man geht diesen Schritt, um dort Fuß zu fassen und irgendwann den nächsten Schritt zu machen.

Jetzt ging es erst mal wieder einen Schritt zurück.

Hitzinger: Sie müssen auch mal sehen, wie sich die beiden Bezirksligen unterscheiden. In der westlichen habe ich acht Aschaffenburger Vereine, die jede Menge Geld in die Hand nehmen. Ich war immer entsetzt, wenn ich an die Plätze in Hain oder in Kahl kam. Da kamen 19- oder 20-jährige Spieler im Porsche vorgefahren. Einer dieser Spieler sagte mir mal: Uns wurde im Winter das Budget gekürzt. Und ich: Was heißt das? Woraufhin er meinte: Statt 100 000 Euro stehen bloß noch 50 000 Euro zur Verfügung. Für den Spieler bedeutete das: Er bekam jetzt halt statt 500 Euro nur noch 300 Euro im Monat.

Und in der Bezirksliga Ost kommen die Spieler im VW Golf gefahren?

Hitzinger: Das weiß ich nicht. Nach meiner Ansicht ist die Ost-Staffel angenehmer zu spielen. Hinzu kommt: Ich habe im Osten nur die Hälfte der Fahrstrecke wie im Westen. Für einen kleinen Klub wie unseren ist es auch ein finanzieller Aspekt, ob ich in der Saison 2000 Kilometer unterwegs bin oder nur 900.

Dachten Sie vor zwei Jahren nicht auch, dass mit der Bezirksliga das Ende nicht erreicht ist?

Hitzinger: Ich dachte, dass wir uns mit dieser Mannschaft auf jeden Fall in der Bezirksliga halten können. Es war nicht unser Ziel, wieder oben anzugreifen.

Der Verein wirkte damals mitten im Aufbruch. Die Spieler bauten im Sportheim die Kabinen um, von denen Ihr Trainer meinte: „Da kann man eine Bundesligamannschaft reinsetzen, und die ist nicht enttäuscht.“ Was ist geblieben von dieser Stimmung?

Hitzinger: Alles. Sie müssen nur mal sehen: Als wir aus der Bezirksliga abgestiegen sind, hatten wir einen Abgang: Florian Soldner, der zurück in die Heimat ist. Alle anderen sind geblieben.

Das sagt noch nichts über den Geist der Mannschaft.

Hitzinger: Nein, aber ich sage Ihnen was: Als der Abstieg aus der Bezirksliga absehbar war, kam Ihr Kollege auf mich zu und meinte: Ihr könnt doch unmöglich zufrieden sein – so, wie es gerade läuft. Und ich sagte: natürlich nicht. Wer ist schon zufrieden, wenn er auf einem Abstiegsplatz steht? Ihr müsst euch aber mal über die anderen Vereine im Landkreis schlau machen, nicht immer bloß stundenlang bei Bayern Kitzingen umschauen und auf einer Dreiviertelseite darüber berichten. Bei uns standen damals im Training 15 Spieler auf dem Platz. Einige kamen extra aus Würzburg rausgefahren – nur um zu laufen und bei der Mannschaft zu sein. In Kitzingen standen sie zu fünft auf dem Platz. So viel nur zu Moral und Charakter der Mannschaft.

Und wie sieht es heute aus?

Hitzinger: Wir haben immer noch eine Riesenstimmung, trainieren mit 16, 17 Mann.

Wenn man böse ist, könnte man sagen, die Mannschaft steckt gerade im grauen Mittelmaß.

Hitzinger: Ja, könnte man, und dennoch zieht die Mannschaft voll mit. Nach dem Abstieg aus der Bezirksliga war es nie das Ziel, sofort wieder aufzusteigen. Das wäre Blödsinn. So ein Abstieg steckt erst mal in den Köpfen der Spieler fest. Der SSV Kitzingen hat auch ein Jahr gebraucht, um sich neu aufzustellen. Uns fehlen auch immer noch ein paar Leistungsträger aus der Kreisliga-Aufstiegssaison. Wir haben einen wichtigen Schritt gemacht, indem wir einen neuen Trainer gewonnen haben.

Den dritten binnen neun Monaten: Thomas Redelberger hat in der Winterpause Frank Wettengel abgelöst. Sie sagten im vergangenen Jahr, Sie kennen Wettengel seit Längerem. Haben Sie sich so in ihm getäuscht?

Hitzinger: Nein. Er war in Schwarzach ja schon Stützpunkttrainer in der Jugend, und ich schätze ihn. Dass es nicht funktioniert hat, hat nichts mit der Mannschaft oder der sportlichen Situation zu tun. Wir haben uns über verschiedene Dinge unterhalten, die ich jetzt nicht öffentlich ausbreiten werde. Frank bat uns, den Vertrag vorzeitig zu lösen; dem sind wir nachgekommen.

Und die Mannschaft . . .

Hitzinger: . . . muss sich wieder auf einen neuen Trainer einstellen. Dass das nicht spurlos an den Spielern vorbeigeht, ist klar. Das sind ja keine Roboter, die auf Knopfdruck funktionieren. Deswegen bin ich froh, dass Thomas Redelberger schon jetzt bei uns ist. Wir haben damit ein halbes Jahr gewonnen.

Ist die Gleichung aufgegangen, aus drei eigenständigen Klubs eine starke Kraft zu entwickeln?

Hitzinger: Wir haben zunächst nur die Fußball-Abteilungen der drei Vereine zusammengeführt – das andere Projekt läuft noch. Schwarzenau hat angekündigt, den Schritt einer Komplettfusion vorerst nicht zu machen. Mit Münsterschwarzach sind wir in guten Gesprächen. Das alles hat aber nichts mit irgendwelchen Auf- oder Abstiegen zu tun. Es ging darum, den Fußballbetrieb am Laufen zu halten. Für Schwarzenau und Stadtschwarzach wäre es 2008 sehr schwer geworden, eigenständige Mannschaften zu stellen. Später kam Münsterschwarzach dazu.

Und wie schwer ist es heute, Nachwuchs zu gewinnen?

Hitzinger: Schwerer als vor 20 oder 25 Jahren. Die größeren Klubs ziehen die guten Spieler ab. Deshalb wollen wir – gemeinsam mit unserem Partner Dettelbach – die Jugendarbeit so stabilisieren, dass aus unseren Klubs kein Jugendlicher mehr Gründe hat, nach Würzburg oder Schweinfurt zu gehen.

 
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