Dass im Sport gerade für einen Torwart die Rolle zwischen Unglücksrabe und Held nahe beieinander liegt, musste Abtswinds Irnes Husic erst vergangenen Samstag wieder erfahren. Beim Auftritt in Stegaurach hatte es lange nach einem ungefährdeten Sieg ausgesehen. 81 Minuten hielt Husic mutig die Stellung, und er machte kaum etwas falsch, dann fiel der 1:2-Anschlusstreffer. Nach einem Durcheinander im Strafraum legten sich Torwart und Abwehr den Ball im unfreiwilligen Zusammenspiel selbst ins Netz.
„Das sah wohl etwas komisch aus, den hätten wir klären müssen“, sagte der 25 Jahre alte Versicherungskaufmann später. Als kurz vor Spielende auch noch der 2:2-Ausgleich per Elfmeter drohte, schlug Husics Stunde. Obwohl sich der Torwart schon in die eine Ecke geworfen hatte, erwischte er den auf die Mitte gezielten Ball noch knapp. Mit einem Fuß, genauer, mit den Zehen, wehrte er den Schuss tatsächlich ab. „Es war ein Reflex“, sagt Husic, „der Ball war nicht so hoch geschossen, also bin ich noch herangekommen.“ Natürlich sei ein bisschen Glück dabei gewesen. „So was kostet schon Nerven, aber ich stehe ja im Tor, um ab und zu auch mal einen zu halten. Allerdings muss man auch sagen, würden wir nicht ganz oben stehen, dann hätte ich den Ball wahrscheinlich nicht mehr erwischt und pariert.“
Von der Stadt ins Fußballdorf
Fast vier Jahre hält der aus der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina stammende Spieler schon die Bälle für den TSV Abtswind. Der damalige Trainer Carsten Weiß hat den in Schweinfurt beheimateten Husic einst ins Fußballdorf im Steigerwald gelotst. Dort kickten damals in Frederik Weiß, Daniel Hey und Sascha Cä-sar schon weitere Akteure, die Husic aus gemeinsamen Jugendzeiten beim FC Schweinfurt 05 kannte. Bei den Nullfünfern kam er später nur in der damals ungeliebten Reserve zum Zuge, über den Umweg DJK Schweinfurt stieß Irnes Husic wieder zu den alten Freunden.
Früh war der Junge im Tor gelandet. Als Kind diente der Fußball ihm auch als Integrationshilfe. Als er fünf Jahre war, musste die Familie in den Wirren des Balkankriegs flüchten. Sie kam nach Schweinfurt. Dort wurden die Husics anfangs abgeschoben, nur der Vater durfte bleiben. Nach zehn Monaten kehrte Irnes mit der Mutter und dem Bruder nach Deutschland zurück – und wurde ebenfalls aufgenommen. An seine Kindheit in Bosnien hat er wenig Erinnerungen, wie er sagt.
Ab und an geht noch das südländische Temperament mit dem Bosnier durch – auch auf dem Fußballplatz. Aber die Ausbrüche sind seltener geworden. „Ja, es stimmt. Ich bin schon ruhiger geworden, auch erfahrener“, sagt der 25-Jährige über manche Episode von früher.
In Schweinfurt kam er schließlich in die Schule, er lernte relativ schnell Deutsch in der neuen Heimat, auch indem er auf dem Bolzplatz Fußball spielte. „Wir hatten dort einen roten Kleinfeldplatz“, erinnert er sich. „Da war immer was los.“ Husic stellte sich dort öfters ins Tor, immerhin hatte er auch in der U9-Jugend diese Position inne. Schon nach kurzer Zeit landete er beim FC Schweinfurt 05, wo er die Juniorenmannschaften durchlief. Bis in die B-Jugend-Regionalliga schaffte er es einst.
Der Konkurrent entzieht sich
Heute hat Irnes Husic in Abtswind seinen festen Platz im Tor, nachdem Kollege Jan Nirsberger den Verein im Sommer kurzfristig zum TSV Kleinrinderfeld verlassen hat, dem Gegner dieses Samstags. So entzog sich Nirsberger dem Wechselspiel, das Trainer Jochen Seuling bis dato zwischen den beiden führte. Husic störte das kaum, er ist Konkurrenz aus früheren Zeiten gewohnt. „Als Torwart musst du damit umgehen können“, sagt er. „Wir hatten immer drei, vier Torhüter in Schweinfurt.“
In Abtswind gefällt es Husic, nicht nur wegen der sportlich so verlockenden Aussichten. „Die Leute sind toll. Wo gibt es das sonst, dass auch auswärts immer ein Bus voller Fans mitfährt?“, sagt er. Fußballerisch läuft es sowieso bestens, kommende Runde dürfte Husic mit seinem Klub in der Bayernliga Bälle halten – oder? „Das ist noch viel zu früh. Im vergangenen Jahr haben wir gesehen, wie schnell man vorne weg sein kann. Aber wenn es möglich ist, nehmen wir die Bayernliga mit.
Die Mannschaft des TSV habe an Klasse gewonnen, die Qualität zeige sich dadurch, dass man trotz etlicher Verletzter vorne stehe – und das, obwohl die Landesliga nach seiner Ansicht stärker geworden ist. Husic hat weniger Arbeit, weil sich die Defensive der Abtswinder mit 20 Gegentoren in 18 Spielen deutlich stabilisiert hat. Gerade bei den bisweilen wenigen Bällen, die er aufs Tor bekomme, müsse er auf der Hut sein. Das macht einen guten Torwart aus: dass er konzentriert bleibt, auch wenn er wenig Arbeit hat.
Privat hilft der Bayern-München-Fan gern in der elterlichen Gastwirtschaft in Schweinfurt aus. „Als Bedienung“, wie er sagt, „kochen kann ich nicht.“ Vielleicht bedient er dort die Abtswinder mal wieder, sollte es im Sommer mit der Bayernliga klappen. Ein sportlicher Höhepunkt im kommenden Jahr steht für ihn schon fest: Bosniens Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. „Die Qualifikation haben wir ganz schön gefeiert.“
Abtswind will seinem Ex-Torwart „ein oder zwei Tore einschenken“
Das Pech bleibt ein treuer Begleiter des TSV Abtswind. So hat sich beim Training in dieser Woche auch noch Michael Herrmann verletzt: Fingerbruch nach Zusammenprall mit einem Mitspieler. Während Herrmann mit einer Manschette um den Finger womöglich schon nächste Woche wieder spielen kann, wie Sportleiter Gerhard Klotsch sagt, wird die Genesung bei anderen etwas länger dauern.
Sebastian Otto und Sandro Wolf (beide Kreuzbandriss) fallen wohl bis Saisonende aus, und auch Oliver Döring ist nach dem Bruch dreier Backenknochen kurzfristig kaum einzusetzen. Nun zahlt sich der breite Kader aus, den seit Mittwoch nun auch offiziell Mathias Brunsch vom Ligarivalen Bayern Kitzingen verstärkt. Der Innenverteidiger soll aber erst nach dem Winter zu seinem Debüt in Abtswind kommen.
Solange gilt es, die gute Ausgangsposition mit sieben Zählern Vorsprung in der Tabelle zu wahren oder sogar auszubauen. Klotsch gibt zu, dass man nicht mehr davon sprechen könne, bloß vorne mitzuspielen. „Ziel ist es, den ersten Platz so lange wie möglich zu verteidigen.“ Kleinrinderfeld ist es im Hinspiel als einer der wenigen gelungen, Abtswind Punkte abzuluchsen (2:2). Kurz vor diesem Treffen war Torwart Jan Nirsberger völlig unvermittelt von Abtswind nach Kleinrinderfeld gewechselt. Ob das heute noch ein Thema sei? Klotsch sagt: „Wir werden ihm ein oder zwei Tore einschenken. Dann ist das Thema endgültig erledigt.“