Der letzte Test vor dem Saisonstart an diesem Samstagabend hat Drittliga-Aufsteiger TSV Rödelsee eine 28:33 (12:15)-Niederlage gegen den russischen Erstligaklub Dynamo Astrachan beschert. Mit fünf Treffern Abstand zu verlieren gegen ein Team, das in der Anfang September beginnenden russischen Liga „um die Medaillen spielen will“, wie Astrachans Manager Oleg Maslakov bemerkte, das kann sich für die Rödelseer durchaus sehen lassen.
Sichtlich ausgelaugt waren sie, die russischen Bären. Kein Wunder, das Treffen mit Rödelsee stellte die dreizehnte Partie und damit den Schlusspunkt einer vierzehntägigen Europareise dar. Ein Turnier in Polen mit sieben Spielen gegen Erstligisten aus der Ukraine und Polen, drei Auftritte in der Schweiz und zwei in Deutschland hatten die Hünen bereits in den Knochen. Noch am Samstag hatte Astrachan beim Zweitligisten HC Erlangen mit 24:27 verloren. „Sie sind etwas müde, aber sie müssen lernen, in jedem Zustand ihre Leistung abzurufen“, beschrieb Manager Maslakov den eigenen Anspruch.
Imponierend für den Betrachter blieb die Physis der Gäste. Fast alle Akteure hatten eine Größe von 1,90 Meter oder mehr, waren robust, athletisch, aber auch flink, und sie packten auch mal ordentlich zu, wenn es geboten schien. Kühl, weniger auf Show ausgerichtet, aber mit mancher handballerischen Finte und Finesse, so zogen die Russen ihr Spiel durch.
Nach Blitzstart und 4:0-Vorsprung Astrachans legten die Gastgeber den Respekt etwas ab. Zwei Tore Christian Häckners, der am Kreis den verreisten Radovan Suchy ersetzte, zeigten den Rödelseern, dass da mehr möglich ist. Bis zur Pause blieben sie dran, Astrachan zog vorerst nicht weiter als auf drei Tore davon. Bei Drittliganeuling Rödelsee standen im Kroaten Marin Vavrodic auf der Mittelposition und dem Slowenen Bostjan Hribar auf der halbrechten Flanke zwei Novizen in der Startformation. Vor Torwart Thomas Paul, der sich mit Max Deußen abwechselte, tummelten sich in Andreas Paul (Linksaußen), Jan Kästner (halblinks), Christian Häckner (Kreis) und Gabor Csorba (rechtsaußen) immerhin vier bewährte Recken aus der Meistersaison.
Den Test nutzte Rödelsees Trainer Dusan Suchy, um später einiges auszuprobieren. Licht und Schatten sah er bei seinen Akteuren, die erst zum Ende hin noch einmal näher kamen. So traf Andreas Paul vier Minuten vor Schluss nach einem Konter und verkürzte auf vier Tore (26:30). Sein Bruder Thomas im Tor hatte zuvor einen Konter und einen Siebenmeter Astrachans abgewehrt. Am Ende trennten die beiden Rivalen fünf Tore.
Bei TSV-Trainer Suchy hinterließ das Treffen „gemischte Gefühle, weil mehr drin war. Gute und schlechte Abschnitte haben sich abgewechselt, noch fehlt uns die Konstanz.“ Es gebe noch viel zu tun in den vier Trainingseinheiten dieser Woche bis zum Saisonstart am Samstag in Hochdorf. Seine Mannen hätten sich gerade am Anfang nicht an die Vorgaben gehalten, allerdings habe man nicht auf Ergebnis gespielt, sondern eben manche Variante ausprobiert.
Staat sponsert den Klub
Bei den Russen habe man gesehen, „dass sie richtig müde sind. Sie haben unsere leichten Fehler kalt bestraft.“ Über ihre körperliche Präsenz habe er sich nicht gewundert, „die spielen ja nicht umsonst in diesem Klub“. Entscheidende Unterschiede sah Rödelsees Thomas Paul in den Würfen der Gegner. „Die hatten schon ein gutes Händchen von außen. Wenn du sie nicht an der Neun-Meter-Linie attackierst, schweißen sie dir den Ball in den Winkel.“ Dabei hatte Astrachan einige Akteure aus seinem Kader geschont, unter anderem den aktuellen russischen Nationalspieler Sergej Kudinov.
Achtzehn Spieler plus die Torhüter umfasst das Aufgebot der Russen, die nach Worten von Manager Maslakov über einen Etat von rund zwei Millionen Euro verfügen. Gut die Hälfte des Geldes stamme vom Energiekonzern Lukoil, der Rest vom Staat. „Das ist“, wie Maslakov sagt, „nicht viel für den ganzen Verein.“ Schließlich brauche man in der russischen Liga schon einiges allein für die Unkosten, um zu den Spielen gegen die meist mehrere Tausend Kilometer (und bis zu neun Flugstunden) entfernten Gegner zu gelangen.
Von 2002 bis 2009 hatte Astrachan seine besten Zeiten mit regelmäßiger Teilnahme am Europapokal. „Es gab danach Probleme im Klub, Präsident und Trainer wechselten, das hat uns zuerst nicht gut getan“, schildert der Manager. Nachdem vor dieser Saison der lange Zeit dominierende Spitzenklub Medwedi Tschechow wegen finanzieller Probleme eine Art Ausverkauf zu verkraften hatte, erwarte man nun eine interessante Meisterschaft, so Maslakov.
Unter den ersten Drei würde er mit seiner Mannschaft gerne landen. Der eigene Kader werde vorwiegend mit Kräften aus dem eigenen Nachwuchs verstärkt, für die Jugend betreibt man mit dem Staat eine Sportschule, die zweite Mannschaft spielt zweite Liga. Das sind dann doch etwas andere Voraussetzungen, wie sie der TSV Rödelsee hat.
Das Spiel in der Statistik
TSV Rödelsee – Dynamo Astrachan 28:33 (12:15)
Rödelsee: Thomas Paul, Max Deußen; Jan Kästner (9/4), Andreas Paul (5), Julius Weinhardt, Sebastian Vogt, Bostjan Hribar (5), Simon Weigand, Christian Häckner (2), Gabor Csorba (1), Marin Vavrodic (1), Lukas Demel (1), Andre Deis, Maximilian Häckner (4).
Astrachan: Eduard Maksutov, Alexandr Ustinov; Viktor Pokelyakov, Dmitry Bogdanov, Andrey Demchenkov, Yuriy Pishchukhin, Alexej Poljakov, Dmitry Artamonov, Aleksandr Krioshin, Dmitry Kontemikov, Georgy Zaikin, Sergej Kudinov, Ruslan Parschudin, Alexandr Ustin.
Schiedsrichter: Stefan Walter/Florian Weinig (TV Gerolzhofen).
Zuschauer: 200 (geschätzt).
Spielfilm: 0:4 (6.), 4:6 (10.), 6:9 (12.), 9:12 (23.), 11:14 (28.), 12:15 – 13:18 (34.), 22:26 (49.), 25:30 (56.), 28:33.