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FUSSBALL: KREISLIGA 1 WÜRZBURG
„Am Spielfeld kann nur einer Chef sein“
Vier Augen sehen mehr als zwei: Wolfgang Schneider (vorne) und Jan Hinrichs betrachten mit Wohlwollen ihr Werk in Schwarzach.
Foto: Stöckinger | Vier Augen sehen mehr als zwei: Wolfgang Schneider (vorne) und Jan Hinrichs betrachten mit Wohlwollen ihr Werk in Schwarzach.
Eike Lenz
 und  Andreas Stöckinger
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:06 Uhr

Trainingsabend in Stadtschwarzach, die Straße ist zugeparkt, das Vereinsheim auch weit nach 21 Uhr gut besetzt mit den Alten Herren auf der einen Seite und den Spielern des SC Schwarzach auf der anderen. Gerade ist die Teambesprechung für das Kreisligaspiel an diesem Samstag ge-gen den Würzburger FV II zu Ende gegangen. Holen die Schwarzacher im Heimspiel mindestens einen Punkt, sind sie vorzeitig Meister, schon wie-der und wider alle Erwartungen, wie die Trainer Wolfgang Schneider (55) und Jan Hinrichs (32) unisono versichern.

Frage: Herr Schneider, haben Sie schon Urlaub gebucht?

Wolfgang Schneider: Ja, habe ich. Warum?

Vor einem Jahr waren Sie beim entscheidenden Meisterschaftsspiel im Familienurlaub.

Schneider: Ja, das stimmt. Ich werde auch diesmal an Pfingsten weg sein. Aber der Termin ist später und würde nur mit einer möglichen Relegation kollidieren.

Derzeit spricht alles dafür, dass Schwarzach als Meister durchs Ziel geht. Sind Sie eigentlich überrascht, wie souverän Ihre Mannschaft auch in dieser Saison wieder auftritt?

Schneider: Die Wahrscheinlichkeit, Meister zu werden, war im vergangenen Jahr natürlich höher, wobei man nicht unterschätzen darf, dass es eine Zeit lang dauerte, bis neben der Spielidee auch die Ergebnisse passten. Wir sind letzte Saison nur deswegen noch Meister geworden, weil Sonderhofen zum Ende hin eine längere Niederlagen-Serie hingelegt hat. Diese Saison war unser Abschneiden umso überraschender, weil ich nicht mit den Ergebnisschwankungen von Teams wie Reichenberg oder Dettelbach gerechnet hätte.

Bekommt man schon in der Vorbereitung eine erste Ahnung, wie die Saison laufen wird?

Jan Hinrichs: Man sieht, ob und wie die Rädchen ineinander greifen. Das hat gut geklappt. Dazu hatten wir das Glück, dass sich während der Saison keiner unserer Spieler schwer verletzt hat. Dettelbach etwa hatte sehr viele Ausfälle.

Schneider: Wir haben in der Kreisliga schnell gesehen, dass alle nur mit Wasser kochen und wir gegen Mannschaften wie Sulzfeld und Dettelbach taktisch hundertprozentig im Spiel sind. Da war mir klar, dass wir – bei weiterhin konstanter Leistung und wenig Personalsorgen – eine gute Rolle spielen können.

Man hatte von außen oft den Eindruck, dass sich die Mannschaft weniger nach dem Gegner richtet, sondern einfach ihr Ding durchzieht.

Schneider: Dieser Eindruck täuscht nicht. Wir wollen agieren und nicht reagieren, möchten unsere Spielidee durchziehen, weil wir sicher sind, in der Kreisliga die Mannschaft zu sein, die das Spiel dominieren kann. Dies hat dazu geführt, dass uns kaum ein Gegner mal richtig offensiv angeht. Mit zunehmender Spieldauer rücken wir jetzt aber von der Vorwärtsverteidigung etwas ab, um nicht neunzig Minuten den hohen Aufwand betreiben zu müssen. Denn man hat auch gesehen: Wenn es uns nicht gelingt, ein Spiel deutlich für uns zu entscheiden, fangen wir am Schluss an zu wackeln.

Sie lassen sehr modern spielen. Wie aufwändig war es, die Idee den Spielern beizubringen?

Schneider: Diese Spielidee wurde ja völlig auf den Kopf gestellt. Vor zwei Jahren hat Schwarzach versucht, die Abstiegsrelegation in die A-Klasse zu vermeiden. Vereinfacht gesprochen, war die Idee bis dahin, defensiv kompakt aufzutreten und lange Bälle auf Nihad Celic in der Spitze zu schlagen. Als dann im ersten Jahr Nico Eichelbrönner, Florian Soldner, Bernd Keilholz und Rene Schnur zu uns kamen, war unser Anspruch, das Spiel in die Hand zu nehmen, den Gegner vorne zu attackieren, das Spiel über die Innenverteidiger aufzubauen und auch die beiden Außenverteidiger mit einzubinden. Das hat jede einzelne Trainingseinheit bestimmt, war aber ein Risiko.

Wieso ein Risiko?

Schneider: Weil wir anfangs anfällig

waren für Mannschaften, die ihr Abwehrbollwerk stehen haben und lange Bälle nach vorne spielen. Mittlerweile haben wir das gut im Griff. Wir können mit dem Ball und gegen den Ball locker zwei oder drei verschiedene Grundsysteme spielen und auch während eines Spiels reagieren, aber wir reden immer noch von Kreisliga-Niveau.

• Der Schwarzacher Wolfgang Schneider und der Wahl-Würzburger Jan Hinrichs, der vor elf Jahren aus Schleswig-Holstein nach Franken kam, bildeten bereits bei Bayern Kitzingen ein Trainerduo. Beide sind Pädagogen: Schneider am Gymnasium Gaibach, Hinrichs an einer Grundschule im Würzburger Stadtteil Heuchelhof. •

Was zeichnet Ihr Verhältnis untereinander aus?

Hinrichs: Ich denke, wir können uns voll aufeinander verlassen, sind aufrichtig zueinander und verfolgen die gleichen Ziele.

„Momentan bin ich lauter, als es Sinn macht.“
Wolfgang Schneider, Trainer des SC Schwarzach
Liegen Sie auch mit Ihrer Idee vom Fußball auf einer Linie?

Hinrichs: Absolut, da passt kein Blatt zwischen uns.

Schneider: Wir vertrauen einander, sonst würde es nicht funktionieren. Während des Spiels coache ich, und Jan ist das dritte und vierte Auge. Er weist mich auf bestimmte Dinge hin, aber am Spielfeld kann nur einer der Chef sein.

Sind Sie ein Trainer, der auch mal laut wird und wütend?

Schneider: Selten.

Haben Sie ihn schon mal so erlebt?

Hinrichs: Nein, seitdem ich mit ihm arbeite, hat er noch nie die Fassung verloren.

Schneider: Das ist nicht mein Naturell. Ich versuche zu erklären und die Leute mitzunehmen. Aber ich kann am Spielfeldrand schon laut werden. Momentan bin ich lauter, als es Sinn macht und als es mein Ziel ist. Aber die Mannschaft ist einfach noch zu ruhig.

Sie waren Vereinsvorsitzender, sind jetzt Trainer hier. Ist der SC Schwarzach für Sie so etwas wie eine sportliche Lebensaufgabe?

Schneider: Es geht wahrscheinlich in diese Richtung, weil ich von Kindheit an in verschiedensten Funktionen im Verein aktiv bin. Aber das hat sich oft so ergeben. Als Lebensaufgabe sehe ich das nicht. Ich habe mich nie verschlossen, hier beim SV etwas zu machen, war aber immer einer derer, die sich dafür stark machten, in Schwarzach übergreifend etwas anzuschieben.

Das ist ja dann auch gelungen. Hat der Zusammenschluss den Erfolg beschleunigt?

Schneider: Es ist nicht ganz auszuschließen. Ich denke aber nicht. Wir planten damals ja mit zwei Vereinen und zwei Mannschaften. Dann kam der kurzfristige Vorstoß aus Münsterschwarzach, sich noch einzuklinken, was ich super fand. Die Aufgabe war nun, drei Mannschaften aus drei Vereinen zusammenzukriegen, auch abseits des Trainings- und Spielbetriebs. Es war also nicht so sehr die Initialzündung für einen erfolgreichen Aufbruch, sondern eher eine zusätzliche Aufgabe, in die wir nach wie vor viel investieren müssen, weil sie wichtig und richtig ist.

• Der SC Schwarzach ist gerade vielleicht das interessanteste Fußballprojekt rund um Kitzingen – nicht nur weil hier viele Kräfte aus einst drei Klubs wirken, sondern auch weil die Mannschaft in einer erstaunlichen Evolution steckt und man nicht weiß, wo dieser Weg einmal enden wird. 

Sie wollten nach Ihrem Ausstieg bei den Kitzinger Bayern eine Zeit lang ausspannen, haben sich dann aber entschieden, in Schwarzach einen schlafenden Riesen wachzuküssen.

Schneider: Die Absicht, einfach mal nichts zu machen, war nicht bloß so dahergesagt. Ich hatte den Schwarzachern Bedingungen für meinen Einstieg gestellt und gesagt: Ihr müsst als Erstes einen neuen Vorsitzenden suchen, weil ich das nicht mehr mache. Als Zweites musste klar sein, dass der Verein sich sportliche Ziele setzt und Rahmenbedingungen dafür schafft. Und das Wichtigste war mir damals, dass alle Vereine mich wollen – und zwar so, wie ich mir meine Arbeit vorstelle. Es gibt nichts Schlimmeres, als im eigenen Ort, 100 Meter vom Fußballplatz entfernt zu wohnen und auf Widerstände zu stoßen. Tatsächlich hat sich dann ganz viel im Verein bewegt. Derjenige, der das Ganze so beharrlich angeschoben hat, war Bernd Keilholz.

Manch anderer Verein hätte vermutlich gesagt: Das können wir dir so nicht garantieren.

Schneider: Ja, aber ich hatte wenig Lust, Spieler zum Trainieren zu motivieren. Mein Gefühl war: Da stehen 15, 16 Spieler auf dem Platz, die Lust auf Training haben und auch willens sind, hier etwas zu bewegen und zu erreichen.

„Man geht immer mit einem Lächeln zum Training.“
Jan Hinrichs, Co-Trainer des SC Schwarzach

Damit sprechen Sie ein Problem an, das die meisten Vereine nur zu gut kennen. Sie beide gehören unterschiedlichen Generationen an. Der Fußball, den Sie, Herr Schneider, erlebten, ist sicherlich ein anderer, mit dem Sie, Herr Hinrichs, aufgewachsen sind.

Hinrichs: Ich glaube, ich habe noch die letzte Generation mitbekommen, die noch jeden Tag zum Fußballplatz rannte. Das war knapp vor der Handy- und Playstation-Generation. Als ich klein war, gab es auch noch nicht so viel Mobilität wie heutzutage, zumindest kannte ich es nicht. Ich bin ein Dorfkind, bin in einem Dorfverein aufgewachsen. Außer Fußball gab es da nichts.

Schneider: Ich habe überhaupt kein Problem mit Vereinen, die sagen, sie möchten Fußball auf Dorfniveau und nur zum Spaß spielen. Ich mache das sehr gerne in meinem Beruf: dass ich auch die zu begeistern versuche, die keine Lust auf Sport haben. Aber das eine ist mein Beruf, das andere meine Freizeit. Ich hätte auch gute Lust, die U11 in Schwarzach zu trainieren, in der mein Sohn kickt. Das Alter spielt keine Rolle. Nur die Leistungsbereitschaft muss da sein. Eine Gruppe zu haben, die will und in der man eine Entwicklung sieht – darauf kommt es mir an.

Fordern und fördern, das war schon im-mer Ihre Devise. Aber so viel Ehrgeiz verschreckt heute vermutlich auch manche Spieler.

Schneider: Es ist noch gar nicht lange her, dass Schwarzacher Spieler den Verein verlassen haben, weil sie eine sportliche Plattform haben wollten. Das war auch in Ordnung. Jetzt sind wir zum Glück in einer Situation, in der Spieler zu uns kommen wollen. Wichtig ist, darauf zu schauen, dass Schwarzach drin ist, wo Schwarzach draufsteht.

Wie meinen Sie das?

Schneider: Wir hatten die vergangenen zwei Jahre nur Erfolg, aber dem Verein muss klar sein, dass er jetzt einiges tun muss. Wenn wir in die Bezirksliga West kommen, sind das fast 2000 Kilometer Auswärtsfahrten pro Jahr. Nach Hösbach-Bahnhof fährst du eine Stunde – und wenn du nicht gut dabei bist und eine Mannschaft hast, die keinen Spaß hat, dann wird die Rückfahrt extrem lang. Es braucht ein Umfeld, in dem die Schwarzacher nach wie vor spielen können, gleichzeitig aber ein Bewusstsein dafür, dass es ohne externe Spieler nicht gehen wird.

• Schneider schlägt vor, einen Blick in die Umkleidekabine zu werfen. Die Mannschaft selbst habe sie umgestaltet. „Da kann man eine Bundesliga-Mannschaft reinsetzen und die ist nicht enttäuscht.“ Tatsächlich: Die etwa 25 Quadratmeter sind für einen Kreisligisten reinster Luxus: Jeder Spieler hat seinen eigenen Bereich, von der Decke lässt sich eine Leinwand herunterlassen, der dazugehörige Beamer kommt demnächst. An diesem Abend hantieren ein paar Spieler an den Lautsprechern, die an der Decke hängen. Fast mehr als der äußere Eindruck zählt das Symbolische: Die Mannschaft packt mit an, auch außerhalb des Platzes, sie will den Erfolg. Schneider ist so etwas wichtig. •

Welche Ziele und Perspektiven sind denn hier in Schwarzach für die nächste Zeit denkbar?

Hinrichs: Wir bezahlen keine Spieler und möchten aus dem vorhandenen Potenzial das Bestmögliche herausholen. Wenn wir Neuzugänge holen, müssen sie auch charakterlich zu uns passen. Dann kann eine Mannschaft auch Berge versetzen, die ihr keiner zutraut. Es hätte auch keiner gedacht, dass wir heute mit elf Punkten Vorsprung an der Spitze stehen. Die Herausforderung hier war groß, aber es macht großen Spaß, hier zu arbeiten. Man geht immer mit einem Lächeln zum Training.

Schneider: Wobei wir vereinsintern schon die Frage klären müssen: Gibt man sich mit dem hohen sportlichen Wert einer Bezirksliga zufrieden, oder will man schon Richtung Landesliga schielen? Der Verein muss sagen, wo er hinwill, und das dann auch mittragen. Wir haben hier allerbeste Bedingungen.

 
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