Am Ort des größten Triumphs zündete der Dortmunder Doppelpacker Donyell Malen eine neue Stufe der Oranje-Party. In München, wo Bondscoach Ronald Koeman vor 36 Jahren als Spieler Europameister geworden war, schoss sich die niederländische Fußball-Nationalmannschaft durch das 3:0 (1:0) gegen Rumänien zurück in den Kreis der Turnierfavoriten. „Unsere Mission hier ist, Europameister zu werden. Wir sind ein starkes Team, wir haben die Qualität”, sagte Verteidiger Denzel Dumfries.
„Naar links! Naar rechts!” - die Fans auf der Tribüne wurden durch die Tore von Cody Gakpo und vom BVB-Stürmer aus der Tristesse nach dem 2:3 gegen Österreich gerissen. Sie hüpften ausgelassen ihren EM-Tanz. „Das ist unser Niveau”, sagte Koeman nach einer „außerordentliche Leistung” seines Teams. „Wenn man bei dem Niveau aber nachlässt, kommt man nicht ins Finale.” Viertelfinal-Gegner ist am Samstag im Berliner Endspielstadion die Türkei, die Österreich mit 2:1 besiegte.
„Großartige Zeit” - Wiederholung gewünscht
Der Traum vom zweiten Nationalmannschaftstitel des dreimaligen WM-Zweiten lebt. „Wir haben großartige Talente in der Mannschaft”, sagte der 61-Jährige. „Klar, man muss dann auch etwas gewinnen.” Das tat die Elftal eben nur einmal: Am 25. Juni 1988 schossen Ruud Gullit und Marco van Basten die Auswahl um den gefürchteten Defensivspieler Koeman zum 2:0 gegen die damalige Sowjetunion.
„Es war eine großartige Zeit”, sagte Koeman. Damals habe man auch das nötige Glück gehabt. Diesmal durfte Koeman zumindest im Achtelfinale einen Brief und ein gemaltes Bild seines Enkels als Glücksbringer für das Jetzt werten.
Am damaligen Endspielort Olympiastadion, aus dem der Verband rund um das Achtelfinale kleine Filmchen mit Fotos von damals verbreitete, starteten die Anhänger ihren stimmungsvollen Fanmarsch vor dem Rumänien-Match. „Die Leute vergleichen mit 1988, aber das war ein anderer Fußball”, betonte Koeman. Heute sei es physischer, schneller und auch das technische Niveau sehr hoch. Man sehe in der laufenden Endrunde auch, dass jede Mannschaft ihre Probleme beim Weiterkommen in der veränderten Fußball-Welt habe.
Chancenverwertung als Problem
„Das ist großartig, weil dadurch sieht man gute Fußballspiele”, sagte Koeman. Ein Problem der Niederländer: Die Chancenverwertung. Bevor Joker Malen in der Schlussphase - und mitten in die Aufräumarbeiten von Rumäniens Torwart Florin Nita wegen eines Paars Sneaker auf dem Rasen - traf, hatten Gakpo & Co. zahlreiche Torchancen ausgelassen. „Wir sind noch nicht ganz da, wo wir sein wollen”, sagte Liverpool-Angreifer Gakpo nach dem ersten Viertelfinale für sein Land seit 2008.
Einen Weltklassestürmer à la van Basten hat die aktuelle Generation um den nicht in diesem Turnier nicht eingesetzten Bayern-Verkaufskandidaten Matthijs de Ligt trotz einer erlesenen Offensive nicht. Die Chancenverwertung bleibt ein Knackpunkt. Wie Xavi Simons, Gakpo oder Malen am früheren Arbeitsplatz ihres oft bestaunten Flügel-Kollegen Arjen Robben auf der Seite wirbeln, macht beim Zuschauen aber viel Spaß.
Lob für Koeman
„Meine Mannschaft hat das sehr gut gemacht”, sagte Koeman. Er selbst wurde nach viel Kritik auch gelobt. „Ronald Koeman gibt den Niederländern wieder Halt”, schrieb das Fußball-Magazin „Voetbal International”. „Das Endergebnis ist natürlich immer das wichtigste”, sagte Koeman „Aber wir sind Niederländer und in Holland müssen wir schön spielen und Angriffsfußball zeigen. Aber zu gewinnen, ist das schwierigste.” Seit Januar 2023 ist Koeman als Nachfolger von Louis van Gaal Trainer der Nationalmannschaft.
Eine Umstellung sei nie einfach, sagte Gakpo, der als Spieler des Spiels geehrt wurde. „Jeder Trainer hat einen anderen Stil. Wir arbeiten daran seit anderthalb Jahren. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem man sagen kann, dass es gut läuft.” Wird's noch besser? Koeman hofft das - und nimmt den Liverpool-Stürmer nach einer für ihn schwierigen Saison als Maßstab für die Mitspieler.
Gakpo als Maßstab
„Er spielt das Turnier auf einem großartigen Niveau. Vielleicht ist er bis jetzt der wichtigste Spieler. Ich hoffe, dass die anderen auf sein Niveau kommen”, sagte der Bondscoach. Zumindest beim Toreschießen übertraf Malen den Offensivkollegen diesmal. Er feierte im Stadion des großen Bundesliga-Konkurrenten FC Bayern. Beim 2:0 des BVB im März hatte Malen verletzt gefehlt.
„Er ist ein super Typ. Aber ich denke, alle Reservespieler haben bei uns die Qualität, so ein Spiel zu drehen”, sagte Inter-Mailand-Profi Dumfries. „Jetzt konzentrieren wir uns auf das nächste Spiel - aber es gibt noch ein größeres Ziel.” Auf dem Weg dahin sind die Fans in der Heimat auch wieder happy. „Die niederländische Mannschaft hat die Maske der Ohnmacht gegen ein frisches, errötendes Gesicht getauscht”, formulierte es die Tageszeitung „de Volkskrant”.