Guardiola müsse nur noch sein Gehalt eintragen und unterschreiben. Ein Scherz, aber eigentlich eher ein Liebesbeweis. Guardiola lachte, als er verstand. Aber er unterschrieb nicht, weder auf der Bühne noch im richtigen Leben. Fans, Profis, Verein – jeder hatte in den letzten Monaten mit seinen Mitteln den Trainer davon zu überzeugen versucht, über die vereinbarten drei Jahre hinaus in München zu bleiben. Der allseitige Wunsch ist verständlich.
Mit seinen taktischen Ideen und seiner intensiven Arbeit hob der Katalane die Münchner auf ein neues, zuvor unerreichtes Niveau. Immer wieder sagte Guardiola, wie zufrieden er in München sei. Doch irgendwann reifte bei allen die Erkenntnis, dass er dennoch nicht bereit sein würde, die zweite Episode seines jungen Trainer-Lebens nach dem FC Barcelona mit dem FC Bayern zu einer Epoche zu machen. Wohl selbst dann nicht, wenn ihm Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge für die Zukunft auch noch ein spanisches Ärzteteam zugesagt hätte.
Beim letzten Vorrunden-Spiel in Hannover gab es aus dem Münchner Fanblock Sprechchöre für den sich nach langer Leidenszeit wieder herantastenden Holger Badstuber und für die mit 1:0 (1:0) siegreiche Mannschaft („Superbayern, Superbayern“) – aber keine für Guardiola. Thomas Müller, der einen von Hannovers Christian Schulz verursachten Handelfmeter sicher zum einzigen Tor verwandelt hatte (40.), sagte nüchtern, für die Ziele, die man in dieser Saison zu erreichen gedenke, spiele es keine Rolle, wer in der nächsten Saison Trainer sei.
Rummenigge ließ sich nach dem Spiel nicht in Reichweite von Journalisten sehen. Guardiola versicherte, natürlich werde er mit Rummenigge noch einmal reden, „im Bus, im Flugzeug“, wie er das immer tue. Aber derartige Entscheidungen werden natürlich nicht zwischen Tür und Angel getroffen. Die Lage war längst geklärt vor der für Sonntag anberaumten Erklärung. Sie kam per Mail um 12.02 Uhr, als Guardiola schon auf dem Weg in den Weihnachtsheimaturlaub war – Nachfragen bei ihm sind also leider, leider erst im neuen Jahr möglich.
Der FC Bayern hat ausnahmsweise mal nicht erhalten, was er wollte, aus der Situation aber das Beste gemacht und wird einen nahtlosen Übergang hinbekommen. Nachfolger von Guardiola wird erwartungsgemäß zum 1. Juli 2016 Carlo Ancelotti.
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Der 56-jährige Italiener erhält wie sein Vorgänger einen Dreijahresvertrag. Rummenigge hielt sich kurz in der Erläuterung. Man sei Guardiola „dankbar für alles, was er unserem Verein seit 2013 gegeben hat. Ich bin überzeugt, dass Pep und unsere Mannschaft jetzt noch intensiver daran arbeiten werden, die großen sportlichen Ziele zu erreichen – gerade, weil nun feststeht, dass Pep den FC Bayern verlassen wird“.
Der Nachfolger ist der bestmögliche, den der Markt hergibt – da davon auszugehen ist, dass der inzwischen ebenfalls freie Exzentriker José Mourinho für den FC Bayern nie ein Thema wäre. „Ancelotti hatte als Trainer überall Erfolg und drei Mal die Champions League gewonnen.
Carlo ist ein ruhiger, ausgeglichener Fachmann, der mit Stars umgehen kann und einen variantenreichen Fußball spielen lässt – das haben wir gesucht, das haben wir gefunden“, sagte Rummenigge, der mit dem zuletzt mit Real Madrid im Champions-League-Halbfinale 2014 gegen den FC Bayern siegreichen Trainer dank seiner Inter-Jahre fließend Italienisch parlieren kann. Ancelotti wiederum fühlt sich „sehr geehrt“, Trainer „des großen FC Bayern zu werden".
Sechs Monate lang ist das noch Guardiola. Der nahm sich in Hannover die Zeit, zusammen mit Manel Estiarte, dem ihm kaum von der Seite weichenden Freund und Berater, vor einem Fernseher zu studieren, wie sich Borussia Dortmund in den letzten Spielminuten die 1:2-Niederlage in Köln eingehandelt hatte. Das war einfach zu erstaunlich, um es nicht anzusehen. Erst dann fuhr der Bayern-Bus ab. Der Ausrutscher des einzigen Verfolgers sei natürlich „das Sahnehäubchen“ gewesen, bekannte Thomas Müller ohne Umschweife. Der Vorsprung des Tabellenführers ist zum Vorrundenschluss damit auf satte acht Punkte angewachsen, für entspannte Feiertage ist gesorgt.
Was Dortmund noch nicht wieder gelingt, hat der FC Bayern im dritten Guardiola-Jahr perfektioniert. Zwischen spektakulären Spielen wie gegen Wolfsburg und Dortmund gibt es manche Alltagsauftritte, die jedoch fehlerfrei abgearbeitet werden. Im Pokal gegen Darmstadt musste ein Tor reichen, nun auch bei Kellerkind Hannover. Der Ausfall fast aller Flügelspieler wirkte sich negativ aus. Durch die zahlreichen Verletzten war auch die Rotation nicht mehr im üblichen Umfang möglich, die nur noch mit 14 Feldspielern nach Niedersachsen gereisten Münchner gehen müde in die Winterpause.
Für die langweilige zweite Hälfte war auch Guardiola verantwortlich, weil er in der Kabine ein Minimalprogramm verordnet hatte: „Ich habe gesagt: Bitte viel Kontrolle.“ Das funktionierte, ohne in Gefahr eines Punktverlustes zu geraten. Der FC Bayern sei eben „bei eigenem Ballbesitz kaum zu stellen“, musste 96-Trainer Michael Frontzeck erkennen.
Guardiola hofft, dass er am 6. Januar mit nahezu komplettem Kader ins Trainingslager nach Katar fliegen kann. Einmal mehr lobte er die Einstellung seiner Profis. Es sei ungewöhnlich, „wenn man nach drei Jahren deutscher Meister noch mal so eine tolle Vorrunde spielt“ – mit nur einer Niederlage und nur acht Gegentoren. Vielleicht geht er im Juni mit dem Triple, aber er geht. Wohin, ist die noch unbeantwortete Frage. Ziemlich sicher nach England, wahrscheinlich zu Manchester City, wo zwei Freunde aus Barcelona-Tagen im Management arbeiten.