Seit vielen Jahren gehört der Kanuslalom-Weltcup zu den wichtigsten Terminen auf dem Augsburger Eiskanal. Regelmäßig wird dieser internationale Wettbewerb von Kanu SchwabenAugsburg ausgerichtet, so auch 2023. Trotzdem ist in diesem Jahr alles anders. Auf den routinierten Gastgeber-Verein und sein Helfer-Team kommt ein neuer Zeitplan zu, da der ICF, der Internationale Kanuverband "International Canoe Federation", mit Blick auf die Olympischen Spiele 2024 tiefgreifende Änderungen in seinem Programm vorgenommen hat. Das hat schon Auswirkungen auf den Weltcup, der von 1. bis 4. Juni in Augsburg stattfindet.
Grundlegendste Neuerung: am Sonntag werden keine Entscheidungen mehr im Kanuslalom stattfinden. Der Sonntag ist exklusiv für die neue olympische Sportart Kajak Cross reserviert. Allerdings nur der Vormittag, denn bereits um 12.15 Uhr sind die Finalläufe angesetzt, danach ist Schluss. Die Medaillen-Entscheidungen im Kanuslalom sind stattdessen auf Freitagnachmittag (Kajak Frauen und Männer) und Samstagvormittag (Canadier Frauen und Männer) vorgezogen worden. Damit werden am Samstag und Sonntagnachmittag künftig keine Rennen mehr in der olympischen Sportart stattfinden.
Unattraktiver Zeitplan ist für Schwaben-Präsident Hans-Peter Pleitner ein "Unding"
Für Schwaben-Präsident Hans-Peter Pleitner, zu dessen Verein Kanu Schwaben gehört, ein Unding. "Für uns ist das ärgerlich. Auch aus Sicht des Augsburger Besuchers. Die Leute kommen in der Regel am späten Vormittag, essen eine Bratwurst und wollen dann Wettkämpfe sehen. Wir als Veranstalter haben nun das Problem, uns zu überlegen, was wir am Nachmittag machen, um das Publikum gegebenenfalls noch zu unterhalten. Das ist für die Darstellung des Sports vor Ort richtig problematisch."
Für die Veranstalter, die sich über einen gewissen Teil auch über das Publikum finanzieren, ist der neue Zeitplan extrem unattraktiv. Bei Kanu SchwabenAugsburg hat man sich nun dafür entschieden, am Samstag um 14 Uhr zumindest noch einen Rafting-Wettkampf anzusetzen, um wenigstens ein paar Zuschauerinnen und Zuschauer an der Strecke zu halten. Pleitner weiß, dass der Zeitplan auch an den anderen Weltcup-Stationen in Europa mit Sorge gesehen wird. "Wir Veranstalter wollen schon immer beim Verband mit einer Stimme vertreten sein, denn uns erschließt sich der Grund nicht wirklich", so der Schwaben-Präsident und ehemaliges Organisationsmitglied der Kanu-WM 2022.
Internationaler Kanu-Verband will mit neuem Zeitplan die olympische Sportart "Kajak Cross" fördern
Doch was hat die ICF-Funktionäre dazu bewogen, das bisher funktionierende System so umzustrukturieren? "Indem wir den Kajak Cross zum einzigen Wettkampf am Sonntag machen, setzen wir einen Schwerpunkt auf diese neue Disziplin vor ihrem olympischen Debüt im Jahr 2024. Wir sind zuversichtlich, dass Sportfans, die diese Sportart noch nicht entdeckt haben, sich schnell über unser Angebot freuen werden", begründete der Franzose Jean-Michel Prono, der Vorsitzende des ICF-Kanu-Slalomkomitees, diese Entscheidung. Außerdem sei man bei der ICF überzeugt, die Entscheidung, die Kajak-Finals am Freitag durchzuführen, habe viele Vorteile für den Sport. Aktive, die in allen drei Bootsklassen starten, hätten so mehr Zeit zur Erholung.
Der wahre Grund aber sollen die TV-Übertragungszeiten bei Olympia sein, von denen sich der Verband mehr Öffentlichkeitswirksamkeit erhofft. "Wir richten uns da nach völlig verrückten Fernsehzeiten bei Olympia, die vielleicht in der Slowakei oder in Slowenien interessant sind, aber man sollte das doch absprechen", sagt hingegen Pleitner. "Ob Kanuslalom nun mittags live übertragen wird oder abends in einer Sportsendung, ist dem Veranstalter relativ egal, solange es überhaupt im Fernsehen kommt." Gerade Augsburg sei eben ein absoluter Veranstaltungsort. Und die TV-Übertragung ist seit jeher immer wieder ein Stein des Anstoßes. "Wir als Veranstalter müssen die komplette Infrastruktur dafür aufbringen, müssen teilweise sogar dafür zahlen, erhalten dann aber keinerlei Wertungsrechte für die Bilder", so Pleitner. Darum sei die Augsburger Bevölkerung wichtig. "Wir leben von unseren Zuschauern und Zuschauerinnen. Wir wollen ihnen einen Erlebnistag am Eiskanal bieten."
Den Kanuten und Kanutinnen bleibt nur mehr ein kurzes Zeitfenster zur Vorbereitung
Auch die Aktiven müssen sich umgewöhnen. Ganz große Probleme erwartet der Augsburger Kajak-Bundestrainer Thomas Apel dabei allerdings nicht. "Das ist eine Einstellungssache, so ungewöhnlich ist der Zeitplan nicht." Er sieht eine andere Sache etwas kritischer. "Am Freitag wird nach der Qualifikation noch mal die Strecke umgehangen. Da hat dann die Disziplin, die am Freitagnachmittag Semifinale und Finale bestreitet, ein relativ kurzes Zeitfenster, um sich die Strecke noch einmal anzuschauen und sich vorzubereiten." Bei einem Verbandsmeeting sei zuletzt darauf hingewiesen worden, dass das Kurs-Design deshalb so angepasst werden soll, dass nur bestimmte Punkte in der Finalstrecke erschwert werden dürfen. "Der Schwierigkeitsgrad soll erhöht werden, aber viele Elemente aus der Qualifikationsstrecke bleiben erhalten. Damit das kurze Zeitfenster vielleicht doch nicht so schwer ins Gewicht fällt", sagt Apel.
"Es wird anders, aber ich weiß nicht, ob es besser ist", sagt Apel mit Blick auf die noch fehlenden Erfahrungswerte vor dem Weltcup in Augsburg. Allerdings wird die gesamte Saison im Kanuslalomsport nun so ablaufen. "Der Weltcup in Prag findet mit demselben Zeitplan statt. Beim dritten Weltcup in Tacen werden dann die Disziplinen getauscht. Dann starten am Freitag die Canadierdisziplinen." Der Verband wolle so wohl ausloten, was besser zu den Bedürfnissen der Medien passe.
Apel will die Veränderungen zwar nicht bewerten, räumt aber ein: "Ich persönlich sehe jetzt keinen großen Vorteil in dem neuen Zeitplan." Ein Argument sei natürlich, dass man für den Streckenaufbau im Kajak Cross am Sonntag weniger Aufwand habe, weil nicht mehrmals umgehängt werden muss. "Das kann ich nachvollziehen. Aber ob es medientechnisch ein Vorteil ist, dass man Freitagabend eine Medaillen-Entscheidung hat, möchte ich bezweifeln", sagt der erfahrene Kajak-Trainer.
Zeitplan Kanuslalom-Weltcup
Donnerstag, 1. Juni 14 Uhr Qualifikation Kajak
Freitag, 2. Juni 8.30 Uhr Qualifikation Canadier, 13.45 Uhr Semifinale Kajak, 16.45 Uhr Finale Kajak
Samstag, 3. Juni 9 Uhr Semifinale Canadier, 11.30 Uhr Finale Canadier, 14 Uhr Rahmenprogramm Rafting
Sonntag, 4. Juni 9 Uhr Kajak Cross Time Trials, 11 Uhr Kajak Cross Heats, 12.15 Uhr Kajak Cross Finals