Ihr ehemaliger Gegenspieler und früherer Pantherstürmer Harald Birk hat über Sie als Verteidiger gesagt: Der Christof war ein extremer Beißer. Stimmt das?
Christof Kreutzer: Wenn der Harry das so sagt, dann wird es so sein. Vielleicht hat er ja noch Schmerzen. Ich habe lange mit Robert Sterflinger eine Verteidigung gebildet. Es war nicht so schön, gegen uns zu spielen. Als Hans Zach unser Trainer war, hat er zu uns gesagt, wenn wir zum Beispiel gegen Frankfurt gespielt haben: Nehmt euch den Jiri Lala zur Brust, und ich denke, der hatte nach dem Spiel wirklich Respekt vor uns. Als Dale Derkatch, ein Torjäger in Rosenheim, von der DEG verpflichtet wurde, kam er zu uns in die Kabine und hat zu Sterflinger und mir gesagt: Danke, dass ich endlich mit euch spielen darf.
Und welcher Trainertyp sind Sie?
Kreutzer: Früher konnte man die Trainer vielleicht in Kategorien einteilen. Wie Hans Zach, der als harter Hund bezeichnet wurde, aber in der Kabine durchaus andere Seiten hatte. Diese Zeiten sind vorbei. Heute muss jeder Trainer individuell auf jeden Spieler eingehen. Der eine braucht mehr Streicheleinheiten. Der andere mehr die Peitsche. Ich bin sehr konsequent in meinem Handeln. Ich habe eine Vorstellung, wie ich spielen möchte und wie eine Mannschaft zu funktionieren hat. Die Linie gebe ich vor. Junge Spieler dürfen auch mal Fehler machen, aber sie sollten den gleichen Fehler nicht zehnmal machen. In der Aufarbeitung der Partien bin ich sehr akribisch und selten zufrieden, auch nicht nach Siegen. Denn Zufriedenheit ist der erste Schritt zurück. Das klingt jetzt nach Trainerspruch, aber ich bin der Ansicht, dass man immer lernen kann.
Gibt es ein Trainervorbild?
Kreutzer: Ich habe gewiss von vielen gelernt, zuletzt zum Beispiel von Harold Kreis in Schwenningen. Als Trainer kannst du jedoch niemanden kopieren. Du musst du selbst sein. Als Trainer darfst du keine Rolle spielen. Das geht schief.
Ist es für den Trainer ein Idealzustand, dass er sich seine eigene Mannschaft bauen kann, so wie jetzt nach dem wahrscheinlichen Abstieg der Panther?
Kreutzer: Meine besten Teams hatte ich, wenn ich zusammenstellen und coachen konnte. Hier in Augsburg gibt es jetzt einen größeren Schnitt. Bei den Neuverpflichtungen werden wir aber gewiss nicht alles richtig machen. Spieler, die an einem Standort funktionieren, müssen nicht unbedingt in deinem Klub funktionieren. Warum auch immer. Selbst Spitzenteams wie München sind sicher nicht mit jedem Spieler zufrieden, den sie verpflichten. Wenn man das Team selbst zusammenstellt, dann erhöht das den Druck. Aber das sehe ich positiv, ich will diese Herausforderung, damit bin ich immer gut gefahren.
Wie ihre Vorgänger sind Sie in Augsburg Sportdirektor und Trainer in einer Person. Braucht der Klub nicht, wie viele andere Konkurrenten auch, einen Sportdirektor neben dem Coach?
Kreutzer: In Augsburg besteht eine gute Basis und ein Netzwerk, um eine Mannschaft gut zusammenzustellen. Man fragt mich immer wieder, ob die Arbeit als Trainer und als Sportdirektor nicht zu viel für mich ist. In Düsseldorf habe ich das drei Jahre in meiner Trainerkarriere so gemacht und habe hinterher gesagt: Das geht so nicht mehr, ich brauche mehr Zeit für die Mannschaft. Danach hat man sich getrennt, weil es tatsächlich nicht mehr ging. In Augsburg ist die Situation aber völlig anders gelagert und überhaupt nicht mit anderen Standorten zu vergleichen. Hier werden die vielen administrativen Themen eines klassischen Sportdirektors wie zum Beispiel die Nada (Nationale Anti-Doping Agentur, Anm. d. Red.), Reisen und Hotels oder Verletzungen und die Absprache mit den Ärzten von Duanne Moeser und anderen Mitarbeitern abgedeckt. Das habe ich so noch nicht erlebt, die Panther sind total breit und hochprofessionell aufgestellt. Da können sich viele andere Teams eine Scheibe von abschneiden. Diese Strukturen lassen mir hier die Freiheit, mich jetzt völlig auf die Kaderzusammenstellung zu fokussieren.
Sie waren zuletzt Sportdirektor in Schwenningen, warum haben sich dort die Wege nach dieser Saison getrennt?
Kreutzer: Einige Dinge sind schief gelaufen, für die sich die Gesellschafter am Ende in langen Gesprächen bei mir entschuldigt haben. Ich habe mit Wagner gut und ehrlich zusammengearbeitet. Schwenningen hat mir zuletzt ein Angebot unterbreitet, zu bleiben. Aber die Aufgabe wäre nicht das gewesen, was ich mir vorstelle. Das Angebot aus Augsburg und bei den Panthern war reizvoller, hier kann ich mich viel mehr verwirklichen.
Aber Sie wissen, dass der Trainerstuhl in Augsburg zuletzt ein Schleudersitz war. Im Kalenderjahr 2022 haben die Panther vier Trainer verschlissen. Warum wird es mit Ihnen gut gehen?
Kreutzer: Weil ich es mir zutraue. So schlecht wie die Situation ist, dass die Panther zu 95 Prozent abgestiegen sind: Das Gute daran ist, dass man jetzt ein leeres Blatt Papier hat und vieles umkrempeln und neu gestalten kann. Ich sehe viele Möglichkeiten für mich und ich habe die Chance, vieles neu aufzubauen. So traurig die Situation mit dem wahrscheinlichen Abstieg ist, trotzdem spüre ich überall eine Aufbruchstimmung. Das hat mich gereizt.
Gab es auch andere Angebote?
Kreutzer: Ja, aber bei einem Angebot hätte ich länger warten müssen. Ich habe auch Schwenningens Sportdirektor Stefan Wagner angeboten, dass ich als Trainer dort weitermache und einige Gesellschafter meinten, dass das die ideale Konstellation gewesen wäre. Aber man hat gezögert, und dann habe ich einen Schlussstrich gezogen. Dazu haben auch die sehr ehrlichen und langen Gespräche mit Augsburgs Hauptgesellschafter Lothar Sigl beigetragen.
Wie baut man eine neue Mannschaft für die zweite Liga zusammen?
Kreutzer: In der perfekten Theorie baut man jede Mannschaft von hinten nach vorne. Ideal ist es, mit den Torhütern zu beginnen, dann die Verteidiger und zuletzt die Stürmer zu verpflichten. In Augsburg ist die Situation jedoch schwierig, weil immer noch die Möglichkeit besteht, dass wir erstklassig bleiben. In der DEL2 benötige ich viel mehr deutsche Spieler. In der DEL maximal elf statt nur sechs Ausländern in der DEL2, dazu kommen andere Regeln bei den U-Spielern. Wir wollen jetzt die deutschen Spieler verpflichten, die wir in beiden Ligen einsetzen können, auch wenn ich die Chancen auf einen Verbleib in der DEL nur auf fünf Prozent schätze. Wir können und wollen keinem Spieler ein Angebot machen, das nur für die zweite Liga und für den Fall der Erstklassigkeit nicht gilt. Das unterschreibt keiner. Sobald unsere endgültige Ligazugehörigkeit feststeht, wird es etwas leichter. Trotzdem müssen wir jetzt schon die Weichen stellen, daran arbeiten wir täglich.
Wie sieht Ihre Idee für die neue Panther-Mannschaft aus?
Kreutzer: Wenn wir in der DEL2 spielen, will ich versuchen, in der Abwehr nur deutsche Spieler zu haben und die Ausländer im Sturm. Dort brauchen wir die Offensivpower. Das Überzahlspiel wird noch entscheidender sein als in der ersten Liga. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob sich dieser Plan auch umsetzen lässt. Du brauchst in der Kaderzusammenstellung auch immer eine gewisse Geduld und Flexibilität, weil sich nicht jede deiner Ideen immer umsetzen lässt.
Sieben aktuelle Panther-Profis besitzen noch einen Vertrag in Augsburg, allerdings nur für die DEL. Wie viele davon werden die Fans auch in der nächsten Saison hier sehen?
Kreutzer: Ich gebe keine Prognose ab. Ich glaube, dass kein Spieler gerne aus Augsburg weggeht, weil die Organisation hervorragend funktioniert. Augsburg ist auch in der aktuell unsicheren Situation eine gute Adresse im deutschen Eishockey. Unsere Problematik ist, dass wir nicht zu hundert Prozent sagen können, wo wir künftig spielen.
Wie lautet das Saisonziel?
Kreutzer: Dazu müssen wir erst wissen, in welcher Liga wir spielen. Egal wo wir spielen, wollen wir selbstbewusstes Hockey spielen und einen möglichst guten Start hinlegen. Mein erstes Ziel ist es, die bestmögliche Mannschaft zusammenzustellen. Wenn wir dann nach der Sommer-Vorbereitung auf dem Eis stehen, dann können wir sagen, wo es hingehen soll. In der zweiten Liga werden wir die Gejagten sein. Und man sieht am Beispiel Kassel, die seit Jahren versuchen, in die DEL zu kommen, dass es schwierig ist, selbst mit ordentlichen Finanzmitteln nach oben zu kommen. Das ist kein Selbstläufer.
Wie entspannen Sie in Ihrer Freizeit?
Kreutzer: Am liebsten verbringe ich Zeit mit meiner Familie und besonders mit meiner Frau. Sie muss aufgrund meines Jobs sonst sehr zurückstecken. Wir haben zwei Töchter. Eine ist in der Schweiz verheiratet. Die andere ist Lehrerin in Düsseldorf. Um mich fit zu halten, boxe ich sehr gerne. Da kann ich mich auspowern und auf andere Gedanken kommen. Ich freue mich darauf, Augsburg und Umgebung kennenzulernen.
Zur Person: Christof Kreutzer spielte als Verteidiger für Düsseldorf, Ratingen und Solingen. Als Trainer und teilweise als Sportdirektor arbeitete er für die DEG, den Zweitligisten Bad Nauheim und zuletzt Schwenningen. 2016 wurde der 55-Jährige als DEL-Trainer des Jahres ausgezeichnet. Augsburg hat den gebürtigen Uerdinger als Sportdirektor und Coach unter Vertrag genommen.