Frau Krause, im Augenblick befinden Sie sich im Trainingslager im südafrikanischen Potchefstroom und bereiten sich dort auf die Olympischen Spiele in Paris vor. Wie läuft es?
Gesa Felicitas Krause: Wirklich gut! Ich bin sehr zufrieden mit dem aktuellen Stand. Wir arbeiten am letzten Feinschliff. Hier herrschen fast ideale Bedingungen mit Temperaturen konstant um die 20 Grad, wir haben die gleiche Zeitzone wie in Deutschland und befinden uns in 1400 Meter Höhe – also ideal für uns Läufer.
Ihr Comeback im Februar nach der Geburt Ihrer Tochter Lola Emilia kann man mit zwei deutschen Hallentiteln in Leipzig in jeder Hinsicht als geglückt bezeichnen. Gleichzeitig war es auch der erste Schritt auf Ihrer "Road to Paris".
Krause: Ich befinde mich schon seit Längerem auf der "Road to Paris". Fakt ist nur, dass ich bislang keine Norm für die Olympischen Spiele in der Tasche habe. Die möchte ich in den nächsten Wochen unbedingt abhaken. Das wäre dann ein echter Meilenstein für mich, und wir könnten uns ganz auf die weiteren Aufgaben konzentrieren.
Wie hat es sich angefühlt, nach der Schwangerschaft wieder in die Laufschuhe zu schlüpfen?
Krause: Leipzig war wie ein Nach-Hause-Kommen. Mir hat das einfach gefehlt, ich liebe den Wettkampf! Zu spüren, dass man wieder das tun kann, was man liebt, ist schon ein unbeschreibliches Gefühl. Vor einer Woche habe ich in Potchefstroom auch mein erstes Hindernistraining nach der Pause absolviert. Natürlich waren die Laufpausen nach meiner Schwangerschaft nicht allzu lang, aber die größte Herausforderung bestand wohl darin, dass ich es als eine Art Stillstand empfunden habe. Für mich gab es während dieser Zeit kein konkretes Ziel, außer vielleicht den Körper gesund und fit zu halten.
Vor Leipzig kamen auch noch andere, neue Gefühle für Sie hinzu: Sie waren zum ersten Mal von Ihrer Tochter getrennt.
Krause: Robert, mein Lebensgefährte, und seine Familie sind in den alljährlichen Skiurlaub gefahren und haben die Kleine mitgenommen. So hatte ich Zeit für mich, konnte mal wieder ausschlafen und mich ganz auf die Deutschen Meisterschaften konzentrieren. Natürlich war es ein komisches Gefühl. Aber wenn ich mal von meiner Tochter getrennt bin, dann hilft es mir schon zu wissen, dass sich Menschen um sie kümmern, die sich freuen, Zeit mit ihr zu verbringen. Da muss ich mir dann auch keine Sorgen machen.
Sie gelten mittlerweile als ein Vorbild für Mütter, die nach der Schwangerschaft wieder in den Leistungssport zurückkehren wollen. Für Sie war das auch im übertragenen Sinn ein Hindernislauf. Wie haben Sie den gemeistert?
Krause: Schon vor meiner Schwangerschaft habe ich mir vorgenommen, unbedingt das Mama-Sein und den Leistungssport miteinander zu verbinden. In der Theorie stellt man sich das immer leichter vor, als es dann tatsächlich ist. Aber ich habe mir überlegt, was notwendig wäre, um diese neue Zukunft für alle Beteiligten sinnvoll zu gestalten, welche Hilfen innerhalb der Familie erforderlich wären. Du brauchst ein Set-Up, einen klaren Plan! Und man muss es wirklich auch wollen! Ich finde es enorm wichtig, anderen jungen Frauen Mut zu machen, diesen Weg zu gehen, so wie mich eben anderen Sportlerinnen inspiriert haben. Auf jeden Fall bin ich sehr glücklich darüber, wie es gekommen ist!
Nehmen Sie uns doch mal in einen typischen Tag bei Ihnen mit.
Krause: Mein Lebensgefährte arbeitet zu 100 Prozent im Homeoffice. An normalen Tagen trainiere ich zweimal täglich. Lockere Einheiten absolviere ich am frühen Morgen und am späten Nachmittag, bei intensiveren Programmen, die bis zu drei Stunden dauern, kümmert sich jemand aus der Familie um die Kleine. Meine Eltern wohnen zehn Minuten von uns entfernt, manchmal hilft meine Tante aus. Ich kann Lola vorbeibringen, wenn ich ins Training fahre, und sie später wieder abholen. Danach verbringe ich den Nachmittag mit ihr. Wenn Robert mit seiner Arbeit fertig ist, dann kommt meine zweite Einheit. Manchmal, wenn niemand aus der Familie Zeit hat und Robert gerade nicht in Meetings dabei sein muss, dann passt er auch mal während des Tages auf sie auf. Wir müssen da sehr flexibel bleiben, weil wir beide unser tägliches Pensum zu bewältigen haben. Dazu bedarf es vieler Absprachen. Einen Weg gibt es immer, aber eine feste Struktur haben wir nicht, weil kein Tag dem anderen gleicht.
Schlaf finden Sie auch nicht im Übermaß.
Krause: Es gibt im Sport keine Ausreden, es interessiert niemanden, wie ich geschlafen habe, am wenigsten meine Konkurrentinnen. Ich könnte auch zu meinem Trainer sagen, dass es heute nicht so geht, weil ich eine kurze Nacht hatte. Aber das würde mich nicht weiterbringen. Man lernt einfach, im Chaos zu performen.
Während Ihrer Pause haben andere deutsche 3000-Meter-Hindernis-Läuferinnen für Schlagzeilen gesorgt. Lea Mayer wurde 2022 Vize-Europameisterin und Olivia Gürth aus Ihrer Trainingsgruppe erreichte im vergangenen Jahr bei der WM in Budapest das Finale. Ist das für Sie ein Ansporn?
Krause: Natürlich! Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich werde während der Olympischen Spiele 32 Jahre, glaube aber nicht, dass ich deshalb schlechter bin als die anderen. Die Jungen haben Ziele, aber ich bringe meine Erfahrung mit. 2012 durfte ich in London zum ersten Mal bei Olympia dabei sein, jetzt wären es meine vierten Spiele. Und wenn ich gesund bleibe, dann möchte ich wieder in den Endlauf. Mit der Quali allein geben mein Trainer und ich uns nicht zufrieden. Das war noch in jedem Jahr so, dass da noch ein Leistungsschub kam. Klar habe auch ich Träume, ziemlich hochgesteckt; von einer neuen Bestzeit, der Neun-Minuten-Schallmauer, einer olympischen Medaille. Aber das muss man realistisch einordnen. Doch ohne diese Träume würde ich nicht tagtäglich auf der Bahn stehen und das alles auf mich nehmen.
Und was machen Sie danach?
Krause: Fünf Mal Olympia würde doch auch toll klingen, oder (lacht)? Doch das lässt sich kaum vorhersagen. So viel steht aber schon fest: Ich werde auf jeden Fall weitermachen. Meine Karriere ist nach Paris keineswegs zu Ende.